interdisziplinäre Rechtsforschung Raiser

Weiterlesen

Thomas Raiser

Soziologie des Vertrags und des Vertragsrechts zu Beginn des
21. Jahrhunderts

Zusammenfassung

Der Beitrag zeichnet aus rechtssoziologischer Sicht ein Bild von den gegenwärtigen Aufgaben der Vertragslehre. Dabei zeigt sich, dass das Recht einen engeren Ver­tragsbegriff zugrunde legen muss als die Sozialwissenschaften, weil es die Funktion erfüllt festzulegen, wann gegen die Verletzung einer Vereinbarung staatlicher Rechtsschutz erlangt werden kann. Gleichwohl lassen sich kognitive und normative Aspekte heute nicht mehr trennen. Der zweite Abschnitt stellt verschiedene rechts­soziologisch relevante Typologien von Verträgen vor. Nach einer kritischen Ausein­andersetzung mit der klassischen Unterscheidung zwischen Statusverträgen und Zweckverträgen sowie mit der aktuellen Gegenüberstellung von Transaktionsverträ­gen und Beziehungsverträgen mündet er in eine viergliedrige Typologie, welche da­nach differenziert, in welchem Maß die Beteiligten ungeachtet rechtlicher Pflich­ten einander Vertrauen entgegenbringen müssen. Im dritten Abschnitt geht es darum, welche neuen Probleme die gegenwärtige Vertragslehre im Gegensatz zu der von den Klassikern der Rechtssoziologie noch geteilten liberalen Sichtweise des späten 19. Jahrhunderts aufwirft. Kennzeichnend sind Einschränkungen der formalen Vertrags­freiheit infolge der Erkenntnis, dass diese Machtungleichgewichte zwischen den Vertragschließenden nicht berücksichtigt und daher eine inhaltlich verstandene Ver­tragsgerechtigkeit nicht garantiert. Zum zweiten handelt es sich um die Bewältigung der gewachsenen wechselseitigen Abhängigkeit mehrerer Verträge voneinander infolge ihrer wirtschaftlichen Verflechtung. Schließlich muss die durch die Globali­sierung gewachsene Bedeutung nicht mehr an ein nationales Recht gebundener Ver­träge auch theoretisch erfasst werden.

Sociological contracts and contractual rights from the beginning of the 21th Century

Summary

The article outlines, from a sociological point of view, a picture of the present tasks of the theory of contract. It shows that the law must use a more limited concept of contract than the social sciences, because it rules the conditions for obtaining state protection against the breach of an agreement. In any scientific research it has, however, become impossible to separate between cognitive and normative aspects. The second section presents several typologies of contracts. After a discussion of the classical differentiation between status contracts and purposive contracts and of the doctrine of relational versus transactional contracts it introduces a fourfold typology based on the question how parties must, notwithstanding legal protection, trust in the loyalty of their partners. The third section elaborates new problems of the theory of contract after the recognition that formal liberty of contract, which was the view of the late 19th century and of the classics of legal sociology, does not secure a just bal­ance of the reciprocal rights and duties of the parties. It first deals with the increasing legal restrictions of the liberty of contract. Then it elaborates the growing interde­pendence of several contracts between different partners which results from the com­plexity of modern business relations. Finally it articulates the problem of understand­ing the new type of contracts, which, due to the globalization, are no longer bound on a national legal order.

1. Zum Begriff des Vertrags

1.1 Funktionen des Vertrags

Als Vertrag bezeichnen wir das freiwillige Übereinkommen von zwei oder mehreren Personen zum Zweck des Austauschs bestimmter Güter oder Leistungen oder zum Zweck des Zusammenwirkens, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Als Mittel zu solchen Zwecken muss der Vertrag als eine urwüchsige, überall und schon in den ältesten und einfachsten Gesellschaften gebrauchte Form der Herstellung sozialer Beziehungen betrachtet werden. Verträge beruhen auf der individuellen Initiative der beteiligten Personen. Sie sind insofern Ausdruck der Autonomie und Freiheit der Menschen, das heißt ihrer Fähigkeit und ihres Willens, ihre Lebensbedingungen mit Hilfe anderer selbst zu gestalten und nach Möglichkeit zu verbessern. Zugleich sind sie Ausfluss der natürlichen Schwäche der Menschen, die als Einzelne nicht existie­ren und überleben könnten, sondern auf den Austausch von Gütern und Leistungen aller Art und auf das Zusammenwirken mit anderen Menschen angewiesen sind. Als die elementarsten, schon biologisch begründeten Beispiele für Verträge können die Geschlechtspartnerschaft von zwei Menschen bezeichnet werden, ohne die eine Fort­pflanzung nicht möglich ist, ferner der Generationenvertrag, welcher der Tatsache Rechnung trägt, dass Kinder ohne die langfristige Zuwendung ihrer Eltern nicht überleben würden und die Eltern auf der anderen Seite, wenn sie alt sind, auf die Unterstützung ihrer erwachsen gewordenen Kinder angewiesen sind. Doch können nicht nur natürliche Personen Verträge schließen, sondern auch Personenverbän­de und gesellschaftliche Organisationen aller Art, die als eigenständige Teilnehmer am sozialen und wirtschaftlichen Leben anerkannt werden.

Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht sind Verträge Kennzeichen der auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhenden sozialen Arbeitsteilung. In dieser Funktion setzen sie die Gleichheit aller Beteiligten voraus, von ihrer Autonomie zum Zweck der Befriedigung ihrer Bedürfnisse Gebrauch machen zu können.1 Die unendliche Zahl der ständig geschlossenen Verträge bildet ein Netz wechselseitiger Abhängigkeiten und Verpflichtungen, welches wesentlich zum Zusammenhalt der Gesellschaft und zu ihrer Funktionsfähigkeit beiträgt.2 In der Marktwirtschaft sind Verträge das wich­tigste Mittel, den Wirtschaftsprozess in Gang zu halten und zu steuern. Durch die Gleichheit der Partner und ihre Freiwilligkeit unterscheiden sie sich von den generell und überindividuell geltenden gesellschaftlichen Ordnungen, welchen die Einzelnen unterworfen sind, ohne sie selbst beeinflussen zu können. In einer vom Staat veran­stalteten Planwirtschaft sind Verträge zwar nicht unbekannt, weil der Plan nie alles festlegen und die Menschen nie völlig entmündigen kann. Doch können sie sich nicht entfalten.

Verträge kommen durch Manifestationen eines übereinstimmenden Willens der Beteiligten zustande. Diese selbst bestimmen die Gegenstände des Leistungsaus­tauschs oder des Zusammenwirkens und das Wertverhältnis zwischen ihren Beiträ­gen. Die Einigung braucht im gesellschaftlichen Verkehr nicht in Worten festgestellt zu werden, vielmehr genügt jeder Konsens, der von den Beteiligten als Begründung einer verpflichtenden sozialen Beziehung verstanden wird. Oft reichen Handlungen und Verhaltensweisen aus, deren Bedeutung als Vertragsschluss durch die Umstände und durch Verkehrssitten vorgeprägt ist. Selbst Schweigen und Nichtstun kann Aus­druck eines Willens zum Vertragsschluss sein.

1.2 Der kognitiv-funktionale Vertragsbegriff

Die Gesellschaftswissenschaften können einen kognitiv-funktionalen Vertragsbegriff an diesem elementaren sozialen Tatbestand ausrichten. Daraus folgt ein weiter Begriff: alle Arten der freiwilligen Herstellung sozialer Beziehungen zwischen zwei oder mehreren gleich freien Personen und Organisationen zum Zweck der wechsel­seitigen Unterstützung bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse sind Verträge. So gesehen können sich auch Kinder beim Spielen mit anderen „vertragen“. Selbst bei gesellig lebenden höheren Tieren werden vertragsartige Beziehungen beobachtet.3 Bei Menschen, wirtschaftlichen Unternehmen und anderen gesellschaftlichen Orga­nisationen kann ein abgestimmtes Verhalten genügen, auch wenn die Beteiligten sprachliche Äußerungen vermeiden.4 Ein dergestalt offener Vertragsbegriff eignet sich insbesondere dazu, die sozialen Funktionen von Verträgen herauszuarbeiten sowie die Motive und Interessen zu analysieren, weshalb die Beteiligten Verträge schließen und sich daran halten.

Als wohl wichtigstes Ergebnis sozialwissenschaftlicher Untersuchungen erscheint die Klärung der Gründe, welche die Vertragspartner veranlassen, die im Vertrag übernommenen Verpflichtungen selbst dann freiwillig und einwandfrei zu erfüllen, wenn die Erfüllung Nachteile für sie mit sich bringt. Als Hauptgrund erweist sich die Gegenseitigkeit vertraglicher Beziehung: Wer nicht erfüllt, kann auch nicht erwar­ten, die von ihm begehrte Gegenleistung zu erhalten oder in Zukunft ähnliche Verträ­ge abschließen zu können. Als weitere Motive wirken die bindende Kraft, die im sozialen Verkehr allen Äußerungen der Selbstverpflichtung beigemessen wird, ferner der soziale Druck, dem sich ein Vertragspartner aussetzt, der nicht oder schlecht erfüllt, und der Wunsch nach einem unbeschädigten guten Ruf, der bei einer Ver­tragsverletzung gefährdet würde. Reziprozität, Selbstdarstellung und Reputation sind als die in der Praxis wichtigsten Garanten der Erfüllung von Verträgen anzusehen.5

1.3 Der rechtliche Vertragsbegriff

Allerdings reicht, wie man weiß, das durch Reziprozität, Selbstdarstellung und Repu­tation garantierte Eigeninteresse an der Vertragserfüllung oft nicht aus, vielmehr muss der Schuldner nicht selten zur Erfüllung gezwungen werden. Gewaltsame Selbsthilfe ist dem Gläubiger im modernen Staat, welcher das Gewaltmonopol für sich beansprucht, jedoch untersagt. Stattdessen muss er auf die Zwangsmittel des Staats zurückgreifen. An dieser Stelle findet die Freiheit um des Vertrauensschutzes des Vertragspartners, um der Sicherung der Investitionen, welcher dieser zur Vorbe­reitung des Vertragsschlusses oder der Vertragserfüllung von seiner Seite bereits vorgenommen hat, und um der Funktionsfähigkeit der Vertragsfreiheit als Struktur­element der Marktwirtschaft willen ihre Grenze. An deren Stelle tritt das Recht, zum Zweck der Durchsetzung des im Vertrag gegebenen Versprechens die staatlichen Ge­richte anzurufen und Zwangsvollstreckungsorgane zu beauftragen. In letzter Instanz garantiert also der Staat die Vertragserfüllung. Nichts anderes besagt der Rechtssatz pacta sunt servanda. Die Ausformulierung der für die Anwendung des staatlichen Rechtszwangs geltenden Voraussetzungen sind der Gegenstand und die Funktion des Vertragsrechts. Diesem liegt deshalb ein normativer Vertragsbegriff zugrunde, der sich in Deutschland aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ergibt, und der enger sein muss als der sozialwissenschaftliche Vertragsbegriff.

Das BGB definiert den Rechtsbegriff des Vertrags, den es zugrunde legt, selbst nicht. Es lässt ihn aber deutlich erkennen. Es sieht den Vertrag als ein allgemeines Rechts­institut an und regelt den Vertragsschluss daher im Allgemeinen Teil. Daraus folgt ein abstrakter Begriff, der von allen Unterschieden der Rechtsgebiete, der Vertrags­gegenstände und der beteiligten Personen absieht. Verträge kommen durch ein wirk­sames Angebot und dessen Annahme zustande (§§145 bis 149 BGB). Angebot und Annahme sind Willenserklärungen: Jeder Partner muss den Willen haben, dem ande­ren eine bestimmte Leistung zu erbringen, und er muss diesen Willen dem anderen gegenüber erklären. Mit dem Rückgriff auf den das Vertragsrecht konstituierenden Grundbegriff der Willenserklärung knüpft das BGB an die Tatbestände der Rechts­gleichheit und der Willensfreiheit der Menschen an. Zugleich überformt es sie aber auf mannigfaltige Weise. Das Gesetz stellt auf das Zustandekommen von Verträgen ab, das heißt auf den Zeitpunkt, in dem eine Willensübereinstimmung vorliegt, Angebot und Annahme also zur Deckung gelangen. Eine schon vorher bestehende einverständliche Beziehung zwischen den Beteiligten, welche den formellen Ver­tragsschluss erst möglich gemacht hat, liegt außerhalb seiner Perspektive.6 Dagegen regelt das BGB ausführlich, wann eine rechtswirksame Willenseinigung vorliegt. Der Begriff setzt sich aus drei Bestandteilen – Willen, Erklärung und Einigung – zusammen, welche seinen normativen Charakter strukturieren.

Das kann hier nur beispielhaft ausgeführt werden. Als nicht willensfähig sieht das BGB namentlich unmündige Kinder an. Sie können keine Verträge schließen (§§104, 105 BGB). Willenserklärungen, die auf Täuschung, Drohung oder Gewalt zurückge­hen, also nicht den frei gebildeten Willen des Erklärenden wiedergeben, sind nichtig (§123 BGB). Mit dem Begriff der Erklärung verbinden sich, nicht anders als im all­gemeinen Sprachgebrauch, auch in der Terminologie des BGB zunächst sprachliche Äußerungen. Doch kann auch ein schlüssiges Verhalten (§151 BGB) genügen. Auch reichen übereinstimmende Willenserklärungen keineswegs immer für einen wirksa­men Vertragsschluss aus, vielmehr können Formvorschriften, Besitzübertragung, behördliche Registrierung oder Genehmigung als weitere Voraussetzungen hinzu­kommen (vgl. §§125ff, 311b Abs. 1, 925, 929 BGB).7 Historisch ist die grundsätzli­che Anerkennung reiner Konsensualverträge mit beliebigem Inhalt Ergebnis einer späten Entwicklung.8 Beim Erfordernis der Einigung muss das Recht den Tatbestand bewältigen, dass sich die Beteiligten oft nur flüchtig verständigen und daher nicht alle einschlägigen Punkte bedenken und regeln und es dabei leicht zu Missverständ­nissen kommt. Das BGB verlangt nur eine Einigung in den wenigstens für eine Partei wesentlichen Punkten (§154 BGB). Bei verstecktem Dissens lässt es den Ver­trag grundsätzlich scheitern (§155 BGB). Im Verbraucherrecht entfaltet die Einigung allein keine abschließende Wirkung, vielmehr hat der Verbraucher das Recht, den Vertrag binnen einer Bedenkfrist von einer Woche zu widerrufen. Schließlich behält sich der Staat vor allem das Recht vor, die Anerkennung von privaten Vertragsver­einbarungen inhaltlich zu überprüfen und zu beschränken. Verträge, die dem gelten­den Recht oder den guten Sitten widersprechen, sind nichtig (§§134, 138 BGB).

Die Übersicht über die wichtigsten Rechtsvorschriften zum Vertragsschluss muss hier genügen, um den Unterschied zwischen kognitivem und normativem Vertrags­begriff zu verdeutlichen. Das Vertragsrecht regelt aber noch viel mehr. Es bildet zahlreiche Vertragstypen aus – Kauf, Miete, Darlehen usw. –, welche den Interessen­ten als vorgeformte Rechtsinstitute zur Verfügung stehen. In manchen Bereichen, namentlich im Sachen- und Gesellschaftsrecht, herrscht ein Typenzwang, so dass die Beteiligten genötigt sind, sich der vorgegebenen Typen zu bedienen. Im Übrigen regelt das Gesetz hauptsächlich Einzelheiten der wechselseitigen Vertragsverpflich­tungen und der Abwicklung von Störungen der Vertragserfüllung, weil die Beteilig­ten oft darauf verzichtet haben, für solche Fälle beim Vertragsschluss eine geeignete Vorsorge zu treffen.

1.4 Der Vertragsbegriff in der wissenschaftlichen Forschung

Aufs Ganze gesehen bewirkt die Vielzahl der vertragsrechtlichen Vorschriften, dass die Vertragsfreiheit niemals ohne Rücksicht auf das geltende Recht wahrgenommen werden kann, es für die Praxis also keinen rechtsfreien Raum individueller Gestal­tung von Verträgen gibt, sondern Recht und Realität stets miteinander verflochten sind. Für Juristen ist der Zusammenhang selbstverständlich. Für die sozialwissen­schaftliche Forschung folgt daraus, dass sie das Vertragsrecht nicht außer Acht las­sen kann.9 Das schließt nicht aus, sich je nach dem gestellten Thema und Erkenntnis­interesse stärker an einem kognitiven oder an einem normativen Vertragsbegriff zu orientieren. Wer in makrosoziologischer Perspektive die allgemeine Bedeutung von Verträgen unter den heutigen Lebens- und Wirtschaftsbedingungen untersucht, wird den funktionalen Vertragsbegriff zugrunde legen können, ohne sich in normative Einzelheiten vertiefen zu müssen. Umgekehrt werden die rechtswissenschaftlichen Kommentierungen vertragsrechtlicher Vorschriften auch weiterhin ohne sozialwis­senschaftliche Erweiterung möglich bleiben. Auf der anderen Seite werden aber mikrosoziologische Untersuchungen zum Beispiel zur Bedeutung der Vertragsfrei­heit in bestimmten Rechtsbereichen deren rechtliche Grenzen nicht aus dem Auge lassen können. Auch wer die mögliche Diskrepanz zwischen rechtlicher Regelung und tatsächlicher Abwicklung von Verträgen zum Thema seiner Forschungen macht, muss die einschlägigen Rechtsvorschriften in ihrer Komplexität kennen und verar­beiten. Weitere Beispiele lassen sich leicht anfügen. Vollends ist die Kombination rechtssoziologischer und rechtsdogmatischer Erkenntnisse notwendig, wenn aus ihnen rechtspolitische Empfehlungen für eine künftige Gesetzgebung oder für die Verbesserung einer schlechten Vertragspraxis abgeleitet werden sollen. Solche Un­tersuchungen erfordern daher die Kombination sozialwissenschaftlicher und rechts­wissenschaftlicher Forschungsmethoden.

2. Vertragstypen

2.1 Juristische Vertragstypologien

Die Verflechtung zwischen Vertragsrealität und Vertragsrecht zeigt sich besonders deutlich bei allen Bemühungen, Vertragstypen herauszuarbeiten und einander gegen­überzustellen. Dabei sind viele Typologien nach unterschiedlichen Merkmalen mög­lich. Am nächsten liegt die im Zivilrecht gebräuchliche Gliederung in Kauf-, Tausch-, Miet-, Pacht-, Darlehens-, Werk-, Dienst-, Gesellschafts-, Ehe-, Adoptions- und Erbverträge usw. Offenkundig bezeugt diese Einteilung nicht die Willkür einer realitätsfernen Jurisprudenz, sondern reflektiert inhaltlich und funktional unter­schiedliche Sozialbeziehungen, die als solche auch im Alltagsleben wahrgenommen werden und in die Alltagssprache eingegangen sind.10 In allen Fällen handelt es sich in ihrer reinen Gestalt um Idealtypen, welche in den Grenzen des Rechts der indivi­duellen Ausgestaltung und Variation zugänglich sind und auch Kombinationen und Mischformen zulassen, sofern dafür ein Bedürfnis besteht.

Auf einer höheren Stufe der Abstraktion lassen sich die Vertragstypen auch in Grup­pen zusammenfassen. Dem entsprechen die juristischen Gliederungen in Austausch-, Nutzungs-, Dienstleistungs-, Gesellschaftsverträge usw., in Verpflichtungs- und Ver­fügungsverträge sowie, bezogen auf den Ort der gesetzlichen Regelung, in schuld­rechtliche, sachenrechtliche, familienrechtliche Verträge, Erb- und Organisations- oder Unternehmensverträge.

Sowohl sozialwissenschaftlich als auch juristisch wichtig ist schließlich die Beson­derheit von Normenverträgen, welche nicht nur die Vertragspartner verpflichten, sondern darüber hinaus normative Bestimmungen enthalten, welche auch außen ste­hende Dritte binden. Die wichtigsten Beispiele dafür sind Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge11, ferner Gründungsverträge von Gesellschaften und Vereinen, die als Satzung auch für künftige Mitglieder gelten. Auch die von Branchenverbänden ausgehandelten allgemeinen Geschäftsbedingungen – insbesondere die Allgemeinen Bankbedingungen und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen –, stellen norma­tive Richtlinien für die von allen beteiligten Unternehmen mit einer beliebigen Viel­zahl von Kunden abgeschlossenen Verträge auf, welche allerdings erst dann rechts­verbindlich werden, wenn sie in die Einzelverträge aufgenommen werden.12 Alle der­artigen auf Vereinbarung beruhenden „privaten“ Normen können nur rechtswirksam werden, sofern sie das staatliche Recht zulässt und soweit sie diesem nicht wider­sprechen. Ihre prinzipielle Zulassung bedeutet eine Anerkennung der Privatautono­mie der den Vertrag schließenden Verbände und spiegelt die Einsicht wider, dass der Staat nicht alles regeln kann.

2.2 Statusverträge und Zweckverträge

In der klassischen Rechtssoziologie spielt die auf den englischen Rechtshistoriker Henry Sumner Mainezurückgehende und von Ferdinand Tönnies sowie von Max Weber aufgegriffene Differenzierung zwischen Statusverträgen und Zweckverträgen eine hervorragende Rolle.13 Die Unterscheidung diente ihren Autoren dazu, den Zweckvertrag im Gegensatz zum Statusvertrag als charakteristisches Merkmal der durch die liberale und kapitalistische Marktwirtschaft geprägten Wirtschaftsform des späten 19. Jahrhunderts herauszustellen. Selbstverständlich handelt es sich auch hier­bei um Idealtypen.

Statusverträge sind für ältere, statische Gesellschaften mit geringer Mobilität der Menschen und schwachem Wirtschaftsverkehr charakteristisch. Sie betreffen die ganze Person der Beteiligten und bewirken das Ende ihrer Zugehörigkeit zu der sozialen Gemeinschaft, in welcher sie bisher lebten, und den Eintritt in eine neue Gemeinschaft. Hauptbeispiele in der Neuzeit sind die Eheschließung und die Adopti­on. In der modernen Verkehrswirtschaft treten demgegenüber auf einen bestimmten isolierten Zweck gerichtete Verträge in den Vordergrund. Deren Zahl hat infolge des technischen Fortschritts und des Wachstums des Wirtschaftsverkehrs außerordent­lich zugenommen. Ihr Gegenstand berührt die Persönlichkeit der Beteiligten nicht, sondern beschränkt sich auf einzelne Leistungen. Prototypen sind der Tausch und, nach der Erfindung des Geldes, der Kauf.

Diese Unterscheidung ist als theoretisches Modell auch für die Kennzeichnung gegen­wärtiger Vertragsstrukturen hilfreich, bedarf allerdings der Fortentwicklung. Im rechtssoziologischen Schrifttum des 20. Jahrhunderts wurde namentlich in der Aus­bildung des Arbeitsvertragsrechts eine Umkehrung der Entwicklungslinie from sta­tus to contract und eine Rückkehr zu Statuskontrakten gesehen14. Demgegenüber betont Manfred Rehbinder mit Recht die Unterschiede zwischen älteren Statusver­hältnissen und dem modernen, durch soziale Schutzgesetzgebung gekennzeichneten Vertragsrecht. Rehbinder schlägt vor, zur Kennzeichnung des heutigen Rechts den soziologischen Begriff der Rolle nutzbar zu machen. Danach regelt insbesondere das Arbeitsvertragsrecht das Arbeitsverhältnis nicht mehr als sozialen Status, aber auch nicht als reinen Zweckvertrag, sondern in gezieltem Blick auf die sozialen Rollen der Parteien als Arbeitgeber und Arbeitnehmer15. Diese Charakterisierung ebnet auch den Weg zu einer soziologischen Interpretation bestimmter Vertragsbeziehungen jenseits der Arbeitsverhältnisse, zum Beispiel der Rolle von Vereinsmitgliedern oder von Aktionären in der Aktiengesellschaft. Wie weit sie trägt, bedarf aber noch näherer Klärung.

2.3 Transaktionsverträge und Beziehungsverträge

Als sowohl sozialwissenschaftlich als auch juristisch noch fruchtbarer hat sich die Gegenüberstellung von Transaktions- und Beziehungsverträgen (transactional bzw. discrete und relational contracts) erwiesen, welche der amerikanische Jurist Jan Macneil seit 1974 in zahlreichen Werken ausgearbeitet hat.16 Macneil geht von der Beobachtung aus, dass Verträge ungeachtet der gegensätzlichen Interessen der Betei­ligten eine Kooperation zwischen ihnen voraussetzen und für die Zukunft verfesti­gen. Schon die Vertragsverhandlungen erfordern ein Zusammenwirken der Parteien mit dem gemeinsamen Ziel, den gewünschten Vertrag zustande zu bringen.17 Ist der Vertrag geschlossen, verlangt auch seine Erfüllung und die Bewältigung von Leis­tungsstörungen eine Fortsetzung der Kooperation. Die Vertragspartner verzichten im Geltungsbereich des Vertrags darauf, in Wettbewerb zu einander zu treten oder zu verharren. Geltungsgrund des Vertrags ist für Macneilfolgerichtig nicht das Gesetz, das auf den Augenblick des formellen Vertragsschlusses abstellt, sondern die „Selbstdarstellung“ der Vertragsparteien, die eine bindende Kraft entfaltet, weil bei­de Parteien ein Interesse an der Leistung der jeweils anderen haben, die sie bei man­gelnder Kooperation gefährden würden, und daher Zeit und Geld in die Vorbe­reitung der eigenen Leistung investieren, und weil sie schon den Ruf vermeiden wol­len, schlechte Partner zu sein.

Im Einzelnen nennt Macneil folgende Faktoren, die unabhängig vom staatlichen Rechtszwang ein loyales Verhalten bei Vertragsverhandlungen und eine einwand­freie Erfüllung geschlossener Verträge garantieren: Verkehrssitten, Handelsbräuche, Standards loyalen Verhaltens, ferner die verbindende Kraft einer gemeinsamen Ver­tragssprache und des infolge der Kommunikation zwischen den Beteiligten entste­henden wechselseitigen Vertrauens, schließlich das Interesse beider Parteien an einer fortdauernd guten Beziehung und die ökonomische Zweckmäßigkeit der Vertrags­treue. Erversteht transactional und relational contracts nicht als Idealtypen im Weberschen Sinn, sondern als Endpunkte einer Skala, nach welcher es mehr oder weniger ausgeprägte Verträge des einen oder des anderen Typs geben kann. Das Modell gestattet ihm, es als Konzept für die Untersuchung konkreter Verträge und Vertragsformen zu operationalisieren.18 Danach ist ein Vertrag insoweit relational, als er (a) eine einzigartige, die ganze Person erfassende und nicht übertragbare Be­ziehung begründet, die auch nichtwirtschaftliche Interessen berührt; (b) der Leis­tungswert üblicherweise nicht in Geld gemessen wird; (c) die vertragliche Beziehung keinen eindeutig fassbaren Beginn hat, sondern sich über einen längeren Zeitraum entwickelt, auch nach dem formellen Vertragsschluss noch längere Zeit andauert und dann gleichfalls nur nach und nach ausläuft; (d) die Vertragsbedingungen Ergebnis einer gemeinsamen Planung sind, wobei sich die Planung oft auf die Formulierung von Strukturen beschränkt, die nur provisorischen Charakter tragen, weil eine ins Einzelne gehende Festlegung nicht möglich ist; (e) auch die rechtlichen Verpflich­tungen und die Sanktionen aus diesem Grund nicht genau und kalkulierbar festgelegt werden; (f) die Parteien das Auftreten von Schwierigkeiten im Verlauf der Bezie­hung als normal ansehen und voraussetzen, dass solche durch Kooperation und ande­re Techniken bewältigt werden, die geeignet sind, die Beziehung zu erhalten; (g) die Zeitperspektive der Parteien zwischen Gegenwart und Zukunft verschieden ist: Transaktionsverträge nehmen die Zukunft vorweg, indem sie mögliche künftige Er­eignisse beim Vertragsschluss möglichst genau bestimmen und so planen, als hätten sie bereits stattgefunden. Beziehungsverträge rechnen mit einer ungewissen Zukunft und streben danach, die Ungewissheit zu gestalten.

Auch in Deutschland findet Macneils Vertragstheorie inzwischen Resonanz.19 Ihr Vorteil liegt vor allem darin, an Stelle eines starren zweigliedrigen Schemas ein fle­xibles theoretisches Gerüst zu bieten, welches eine hoch differenzierte Kennzeich­nung bestimmter Vertragsverhältnisse und -typen gestattet, welche nicht nur deren Realität, sondern auch ihre rechtlich relevanten Eigenschaften abzubilden vermag. Sie eignet sich deshalb in besonderem Maß dazu, die sozialwissenschaftliche und rechtswissenschaftliche Vertragsforschung aufeinander abzustimmen und zu verbin­den. Als Anzeichen dafür, dass auch der deutsche Gesetzgeber Vertragsverhältnisse stärker als bisher als dynamische soziale Beziehungen ansieht, kann der im Zug der Schuldrechtsreform von 2002 in das BGB eingefügte neue §313 BGB gelten, wo­nach eine Partei eine Anpassung des Vertrags verlangen kann, wenn sich nach dem Vertragsschluss die Umstände schwerwiegend verändert haben, welche zur Grundla­ge des Vertrags geworden sind, und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, sofern sie die Veränderung vorausgesehen hätten.20

2.4 Vertragstypologie nach dem Maß des dem Vertragspartner entgegenzubringenden Vertrauens

Auf der Grundlage des Vertrauens, welches die Beteiligten in die Loyalität und Er­füllungsbereitschaft der jeweils anderen Partner setzen müssen, erscheint ferner eine viergliedrige Typologie als aussagekräftig. Sie kann dazu dienen, die Voraussetzun­gen zu präzisieren, unter denen rechtliche Zwangsvorschriften notwendig sind, und deren Intensität bestimmen.

a) Den ersten Typ bilden danach Austauschverträge, die sogleich und Zug um Zug erfüllt werden, insbesondere der einmalige Kauf eines Gegenstands ohne Vorver­handlungen durch einen anonymen Käufer von einem ebenso anonym bleibenden Verkäufer. Ein solcher Vertrag ist ein Augenblicksereignis und stiftet keine darüber hinausgehende soziale Beziehung. Auf Seiten des Verkäufers ist kein besonderes Vertrauen erforderlich. Der Käufer vertraut im Hinblick auf Eigenschaften, Qualität und Wert des Gegenstands nicht den Zusicherungen des Verkäufers, sondern auf dessen guten Ruf, auf die Bekanntheit der Marke des Kaufgegenstands und auf die vom Hersteller übernommene Garantie. Rechtliche Regelungen sind nur zum Schutz dieses Vertrauens nötig und knüpfen daher nicht an die persönliche Glaubwürdigkeit des Verkäufers an. Der Typ entspricht dem Extremfall des reinen Transaktions­vertrags.

b) Den zweiten Typ bilden Austauschverträge, bei denen Leistung und Gegen­leistung zeitlich auseinander fallen, insbesondere der Kauf mit Vorleistung des Ver­käufers. Der Fall setzt eine Kreditbeziehung voraus, indem der zuerst leistende Part­ner sich darauf verlässt, die Gegenleistung später auch zu erhalten, sofern er dafür nicht von vornherein eine Sicherheitsleistung verlangt. Bei solchen Verträgen genü­gen das Leistungsversprechen des Schuldners, dessen Interesse an der Gegen­leistung und der Verlust seiner Glaubwürdigkeit im Fall der Nichtleistung nach aller Erfah­rung allein nicht als Erfüllungsgarantie, weil nicht auszuschließen ist, dass er es sich gleichwohl nachträglich anders überlegt. An dessen Stelle treten vielmehr das gelten­de Recht und der diesem eigene staatliche Rechtszwang.

c) Beim dritten Typ handelt es sich um Verträge, welche eine Dauerbeziehung zwi­schen den Partnern begründen und namentlich die dauerhafte Erfüllungsbereitschaft mindestens eines von ihnen auch in der Zukunft erfordern. Prototypen sind Nut­zungs- und Serviceverträge aller Art, besonders Miet-, Pacht- und Kreditverträge, Dienst-, Arbeits- und Geschäftsbesorgungsverträge, es sei denn, die Leistungen erschöpfen sich in einmaligen Handlungen. Solche Verträge setzen das Vertrauen beider Partner in die andauernde Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des anderen Partners voraus und sind daher doppelt gefährdet. Wiederum ist es das Recht, auf welches sie letztlich ihr Vertrauen bauen müssen.

d) Der vierte Typ sind die Organisationsverträge zur Gründung von Gesellschaften und Vereinen, in denen sich zwei oder mehr Personen zu dem Zweck zusam­menschließen, um mit vereinten Kräften ein gemeinsames Ziel zu verfolgen. Auch solche Verträge begründen in Gestalt der Mitgliedschaft in dem Verband eine soziale Dauerbeziehung, welche zum einen ein Vertrauen in die künftige Fähigkeit des Ver­bands und die Bereitschaft seiner Führung voraussetzt, die Ziele des Verbands zu erreichen, zum anderen ein wechselseitiges Vertrauen, dass alle Mitglieder ihre Bei­träge entrichten. In den meisten Fällen muss sich das Vertrauen auch hier auf das eigene Interesse der Mitglieder an den Leistungen des Verbands und auf den Druck stützen, welchen der Verband auf seine Mitglieder ausübt. Doch genügen diese Mechanismen wiederum erfahrungsgemäß nicht, weshalb der staatliche Rechtszwang als letztes Mittel unverzichtbar ist.

3. Entwicklungen des Vertragsrechts im 20. Jahrhundert

Für die zeitgemäße Deutung des Vertrags und des Vertragsrechts als der wichtigsten Instrumente zur Herstellung und Ausgestaltung sozialer Beziehungen erscheint es hilfreich, den Problemen nachzugehen, welche sich infolge der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen im 20. Jahrhundert der Wissen­schaft gegenwärtig neu stellen. Das soll im Folgenden, wiederum exemplarisch, an Hand von drei Aspekten aufgegriffen werden. Zunächst gilt es die zunehmenden Be­schränkungen der Vertragsfreiheit zu erklären. Sodann ist auszuführen, welche neu­en Aufgaben die wachsende Komplexität des Wirtschaftsgeschehens stellt. Zum Schluss ist ein Blick auf die Folgen der Globalisierung für die Vertragstheorie und das Vertragsrecht zu werfen.

3.1 Einschränkungen der Vertragsfreiheit

Die Gründer der Rechtssoziologie Durkheim, Ehrlich und Weber gingen, wie oben ausgeführt, von dem Leitbild des reinen Austauschvertrags aus, welcher durch die Einigung der Vertragspartner wirksam zustande kommt und deren übereinstimmen­den individuellen Willen widerspiegelt. Sie sahen in solchen Verträgen das charakte­ristische Merkmal der liberalen Marktwirtschaft des späten 19. Jahrhunderts. Juris­tisch übernahmen sie den abstrakt-formalen Vertragsbegriff der Zivilrechtslehre und der großen Zivilrechtskodifikationen. Doch erkannten sie schon, dass das vom Recht geduldete Ausmaß der Vertragsfreiheit von ökonomischen Bedürfnissen und von gesellschaftlichen Wertvorstellungen abhängt und daher von Land zu Land und im Lauf der Geschichte stark schwankt.21 So ahnten sie bereits, die künftige Entwick­lung werde beim liberalen Vertragsmodell nicht stehen bleiben, sondern die Ver­tragsfreiheit um des gerechten sozialen Interessenausgleichs willen schrittweise beschneiden.22

Hundert Jahre später ist diese Entwicklung unverkennbar. Sowohl die Zahl der Ver­träge als vor allem auch der die Vertragsfreiheit beschränkenden Rechtsvorschriften hat stark zugenommen. Kennzeichnend für die gegenwärtige Rechtskultur ist die ge­wachsene Bedeutung des positiven Vertragsrechts.23 Zuzustimmen ist auch Mac­neilsFeststellung, dass inzwischen Beziehungsverträge stärker als Austauschverträ­ge den Rechtsverkehr und den Charakter des Vertragsrechts bestimmen. Die These wird ins­besondere durch die empirischen Untersuchungen gestützt, welche belegen, dass Vertragsparteien bei Leistungsstörungen oft nach einer einverständlichen prag­matischen Lösung suchen, anstatt sich auf den zuvor vereinbarten Vertragstext oder auf das Vertragsrecht zu berufen, die sie im Einzelnen nicht einmal durchschauen.24

Bestimmend für die Vermehrung des zwingenden Vertragsrechts im Lauf des 20. Jahrhunderts ist die Einsicht, dass die formale Freiheit und Rechtsgleichheit, welche das liberale Vertragsrecht kennzeichnen, eine inhaltliche Ausgewogenheit der bei­derseitigen Rechte und Pflichten und eine so verstandene Vertragsgerechtigkeit nicht gewährleisten, weil sie tatsächlich bestehende Machtunterschiede zwischen den Ver­tragspartnern missachten und dem stärkeren Partner daher ermöglichen, seine Inter­essen einseitig zu Lasten des schwächeren Partners durchzusetzen. Ein solches fakti­sches Ungleichgewicht kann seine Ursache in der wirtschaftlichen Unterlegenheit einer Seite, in ihrer geringeren Chance, die für die Beurteilung des Vertrags notwen­digen Informationen zu erlangen, oder in persönlicher Schwäche haben.25 Das Ungleichgewicht ist so häufig geworden, dass es die Vertragspraxis kennzeichnet und das Vertragsrecht grundsätzlich herausfordert.

Wie man weiß, ist das zuerst bei Arbeitsverhältnissen bewusst geworden und hat dort schon früh zur Ausbildung eines vom Dienstvertragsrecht des BGB gelösten Arbeits­vertragsrechts geführt, dessen zahlreiche zwingende Vorschriften den besonderen Schutz der Arbeitnehmer bezwecken. Eine ähnliche Lage stellte sich infolge des Wohnungsmangels nach dem 2. Weltkrieg bei Mietverhältnissen ein und nötigte zur Ausbildung eines gleichfalls überwiegend zwingenden Mieterschutzrechts. Das Wettbewerbsrecht steht im Zeichen des Schutzes vor der Marktbeherrschung großer Wirtschaftsunternehmen und damit der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs in der marktwirtschaftlichen Ordnung; das Aktien- und Kapitalmarktrecht dient dem Schutz der Aktionäre und der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. Zum allgemeinen Zivil­recht ist der sich ständig ausdehnende Bereich des Verbraucherschutzrechts hervor­zuheben, das in der Reform von 2002 auch Eingang in das BGB gefunden hat. Hin­zuzufügen sind ferner Natur-, Umwelt- und Tierschutzrecht, soweit sie an das zivile Vertragsrecht anknüpfen. Auch im Verkehr zwischen Wirtschaftsunternehmen lässt sich beobachten, dass ein Verhandlungs- oder Vertragspartner seine Übermacht gegenüber dem anderen Partner ausnützt.26 Allen diesen Entwicklungen gemeinsam ist die immer stärker hervortretende Abhängigkeit der Einzelnen von mächtigen Organisationen, auf deren Leistungen sie angewiesen sind, die aber eben deshalb die individuelle Freiheit bedrohen.27

Aufs Ganze gesehen haben die Eingriffe die Vertragsfreiheit und den dieser zugrun­de liegenden Gedanken der Privatautonomie zwar nicht beseitigt, ihn aber doch ein­schneidend relativiert. Das Bewusstsein der Schutzbedürftigkeit potentieller Ver­tragspartner in immer zahlreicheren Lebensbereichen und die auf solchen Sozial­schutz abzielende Gesetzgebung und Judikatur sind zu einem kennzeichnenden Merkmal der Vertragsrechtsentwicklung im 20. Jahrhundert geworden. So stellt sich für die Wissenschaft nicht anders als für das Vertragsrecht die doppelte Aufgabe, einerseits das Ausmaß der Bedrohung des Einzelnen durch „intermediäre Gewalten“ und die zu deren Bekämpfung geeigneten Rechtsvorschriften näher zu bestimmen und andererseits die Vertragsfreiheit und damit die Privatautonomie der Menschen soweit wie irgend möglich zu sichern.

3.2 Vertragsverflechtungen

Einen zweiten Problemkreis, dessen wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung wäh­rend des 20. Jahrhunderts nachhaltig gewachsen ist, bildet die Verknüpfung mehrerer zwischen verschiedenen Personen geschlossener und daher formal selbständiger Ver­träge zu einer wirtschaftlichen Einheit. Obgleich solche Vertragsverbindungen auch schon früher bekannt waren, blieben sie in der herkömmlichen Vertragsdoktrin ein Fremdkörper. Ihre Besonderheit liegt darin, dass jeder Einzelvertrag auch die Inter­essen nicht beteiligter Dritter berührt und daher die Frage gelöst werden muss, wie ein nicht oder schlecht leistender Vertragspartner auch für die bei einem in das Netz­werk einbezogenen Dritten eingetretenen Nachteile verantwortlich gemacht werden kann.28 Rechtssoziologisch ist die differenzierte Untersuchung derartiger Vertrags­netzwerke und ihrer praktischen Handhabung eine wichtige Vorbedingung für pas­sende gesetzliche oder richterliche Regelungen.

a) Einen ersten Typ solcher Vertragsverbindungen bilden Liefer- und Absatzketten. Der Hersteller eines Gutes bezieht die von ihm benötigten Rohstoffe oder Vorpro­dukte über mehrere hinter einander tätig werdende Lieferanten, und er vertreibt das fertige Gut über eine Kette von Groß- und Einzelhändlern an den Endkunden. Auch wenn es solche Bezugs- und Vertriebsformen als Erscheinungen wirtschaftlicher Funktionsteilung schon früher gab, haben ihre Zahl und ihre ökonomische Bedeu­tung im Zug der wachsenden Spezialisierung der Unternehmen nachhaltig zugenom­men. Demgegenüber tat sich die traditionelle Vertragsdoktrin schwer, sie juristisch zu erfassen. Im BGB wurde sie erstmals, wenngleich noch rudimentär, im Zug der Schuldrechtsreform von 2002 berücksichtigt, indem der neue §478 BGB einem Ein­zelhändler den Rückgriff gegen seinen Lieferanten erleichtert, wenn er von einem Verbraucher wegen Mangelhaftigkeit der gelieferten Sache in Anspruch genommen wird. Die Praxis fängt das Problem durch die üblich gewordenen Herstellergarantien auf.

b) Auch der zweite Typ dreiecksförmiger Vertragsverbindungen ist nicht neu. In Gestalt von Verträgen zugunsten Dritter, der Abtretung vertraglicher Forderungen oder ganzer Vertragsverhältnisse, der Bürgschaft oder der Hypothekenhaftung eines Grundstückseigentümers für die Darlehensschuld eines Dritten tritt er auch schon im BGB in Erscheinung. Doch hat auch dieser Typ im Lauf des 20. Jahrhunderts im Zug der sich ausbreitenden Praxis, Sachen und andere Vermögenswerte mit Hilfe von Bankkrediten zu erwerben, an Bedeutung stark zugenommen.29 Wiederum wirft er das für die allein auf den Einzelvertrag blickende herkömmliche Vertragsdoktrin schwierige Problem auf, wie sich Störungen in einem Vertragsverhältnis im Dreieck auf die beiden anderen auswirken.30 Nachdem es lange der Rechtsprechung überlas­sen blieb, dafür Lösungen zu suchen, wird der Fall seit der Schuldrechtsreform nun­mehr wenigstens für den Verbraucherkauf in §§358 und 359 BGB näher geregelt.

c) Einen dritten, noch komplexeren Typ bilden sternförmige Vertragsnetzwerke, die entstehen, wenn das gewünschte Ziel das Zusammenwirken einer Mehrzahl selbstän­diger Unternehmen erfordert, die ihre Leistungen auf einander abstimmen müssen. Beispiele sind der Bau eines Hauses oder die Montage einer Industrieanlage mit Hil­fe zahlreicher auf einzelne Beiträge spezialisierter Unternehmen, ferner Just-in-Time-Verträge, in denen der Hersteller eines Produkts von seinen Vorlieferanten ver­langt, die von ihnen gefertigten Einzelteile jeweils kurzfristig vor dem Einbau zu lie­fern, um ihm selbst die Lagerhaltung zu ersparen. Der im Schrifttum am intensivsten behandelte Fall sind Franchisesysteme zum Vertrieb von Waren oder Dienstleistun­gen, in denen der Franchisegeber und eine Vielzahl von ihm unter gleichartige Rah­menverträge genommener Franchisenehmer eine zwischen Vertrag und Verband ste­hende Organisation bilden, welche sie zur gemeinsamen Pflege der den Gegenstand des Verbunds bildenden Produkte und Marken und zu aufeinander abgestimmten Werbemaßnahmen verpflichtet, wodurch auch die mit dem Vertrieb verbundenen Gewinnchancen und Risiken aufgeteilt werden.31

Die Eigenart solcher Vertragssysteme liegt auch in diesem Fall darin, dass die Nicht- oder Schlechtleistung eines Beteiligten nicht nur seinem Vertragspartner, sondern auch allen anderen an dem Netz Beteiligten schaden kann. Liefert bei einem Just-in-Time-Vertrag der Hersteller eines Einzelteils nicht, können auch die im Montagepro­zess nachfolgenden Einzelteile nicht eingebaut werden. Die wirtschaftliche Bedeu­tung solcher Vertragssysteme hat infolge des technischen Fortschritts und der da­durch bedingten verstärkten Spezialisierung der Unternehmen im 20. Jahrhundert gleichfalls erheblich zugenommen. Rechtlich fordern sie die herkömmliche Vertrags­lehre noch stärker heraus als die Vertragsketten und -dreiecke. Empirische Untersu­chungen dazu gibt es nur in den Äußerungen der zuständigen Wirtschaftsverbände. Einschlägige Rechtsvorschriften fehlen. Die durch sie aufgeworfenen Regelungspro­bleme harren noch der Lösung.

d) Gleichfalls einen hohen Grad wirtschaftlicher und rechtlicher Komplexität zeigen ring- oder gitterförmige Vertragsnetze. Eine ringförmige Struktur kommt zum Bei­spiel zustande, wenn in den bargeldlosen Zahlungsverkehr oder in die Finanzierung von Erwerbsgeschäften mehrere Banken einbezogen werden, die auch unter sich kooperieren, und in den Verkehr zwischen den Banken zusätzlich noch eine Zentral­bank oder eine Clearingstelle eingeschaltet wird, welche die Zahlungsströme steuert und verrechnet32. Als weiteres Beispiel können Kreditkartensysteme angeführt wer­den, in denen der Kunde die Kreditkarte von seiner Bank gegen Zahlung der Jahres­gebühr erwirbt und sie anschließend zur Begleichung von Schulden bei seinen Gläu­bigern einsetzt. Denn auf der einen Seite vergibt die Bank die Kreditkarten nicht selbst, sondern als Mitglied des jeweiligen Kreditkartenunternehmens33. Auf der anderen Seite müssen sich die Gläubiger des Kunden, die einem Kreditkartensystem angeschlossen sind und die eine Leistung mittels der Kreditkarte entgegengenommen haben, bei ihrem Rückgriff auf das System oder auf ein zusätzlich eingeschaltetes Abwicklungsunternehmen regelmäßig ein gewisses Disagio abziehen lassen.

Die Bedeutung solcher Zahlungs- und Finanzierungssysteme im modernen Wirt­schaftsverkehr braucht hier nicht betont zu werden. Ihre Funktionsweise bedarf je­doch weiterer rechtstatsächlicher Untersuchungen. Bei ihrer rechtlichen Bewälti­gung geht es wiederum im Kern darum, ob bei Vertragsstörungen Ansprüche jeweils nur gegen den unmittelbaren Vertragspartner geltend gemacht werden können oder auch gegen das Unternehmen, welches im Netz für die Störung tatsächlich verant­wortlich ist. Die Fragen sind auch hier noch vielfach umstritten.

3.3 Transnationale Verträge

Ein drittes die Entwicklung des Vertragswesens seit dem ausgehenden 20. Jahrhun­dert prägendes Element ist das Vordringen von transnationalen Verträgen zwischen weltweit agierenden Unternehmen, welche sich nicht mehr an eine nationale Rechts­ordnung binden.34 Nach herkömmlicher Vertragslehre muss jeder Vertrag, auch wenn die Vertragspartner verschiedenen Ländern angehören, einer bestimmten nationalen Rechtsordnung unterworfen werden, die sich nach den Vorschriften des internationa­len Privatrechts bestimmt. Die Anbindung erschien nötig, um im Fall eines Streits nationale Gerichte und Vollstreckungsorgane einschalten zu können. Partiell gelang es daneben, übernationale Vertragsrechtsordnungen zu schaffen, welche in völker­rechtlichen Verträgen verankert und daher in deren Geltungsbereich verbindlich sind, oder welche die Vertragsparteien als das zwischen ihnen geltende Recht verein­baren können. In der Vertragspraxis vermeiden es die Parteien bei transnationalen Verträgen jedoch häufig, sich an eine dieser bereit liegenden Vertragsordnungen zu binden, und ziehen es vor, möglichst alle vorhersehbaren Vertragsstörungen vorweg­zunehmen und im Vertrag selbst zu regeln. In anderen Fällen beschränken sie sich auf eine Verständigung über die Hauptpunkte und verlassen sich für den Fall späterer Erfüllungsschwierigkeiten auf ein im Vertrag vereinbartes Schiedsgericht, ohne fest­zulegen, nach welchem Recht dieses entscheiden soll.

Kommt es in solchen Fällen zum Streit, können die Vertragspartner versuchen, die­sen auf dem Weg von Verhandlungen und des Vergleichs zu bereinigen. Schon dabei bietet sich an, auf allgemeine Rechtsprinzipien, im internationalen Geschäftsverkehr feststellbare Handelsbräuche oder Erwägungen ökonomischer Zweckmäßigkeit Be­zug zu nehmen anstatt auf nationales Recht zurückzugreifen. Auch Schiedsgerich­te entscheiden, sofern die Vertragsauslegung nicht weiterhilft, nach solchen Gesichts­punkten. Die auf diese Weise entstehende internationale lex mercatoria hat also den Charakter eines nicht mehr staatsgebundenen, sondern selbst geschaffe­nen Rechts der Wirtschaft. Sie erinnert daran, dass Rechtsvorschriften auch schon in früheren Zeiten Produkt gesellschaftlicher Prozesse und ökonomischer Bedürfnisse waren.35 Zur Durchsetzung der Schiedssprüche genügen dann wie auch sonst gewöhnlich das eigene Interesse der Beteiligten an der Fortsetzung der Geschäftsbe­ziehung und die Gefahr, andernfalls den guten Ruf als eines verlässlichen Geschäfts­partners zu ver­lieren. Wird ausnahmsweise die Zwangsvollstreckung nötig, zeigen sich die staatli­chen Gerichte in der Regel bereit, die Urteile der transnationalen Schiedsgerichte als hinreichende Grundlage dafür anzuerkennen.

Rechtstatsächlich weiß man über dieses übernationale, selbst geschaffene Recht der Wirtschaft bislang wenig. Seine Problematik liegt in dem Umstand, dass es in der Regel nicht veröffentlicht wird und daher für die Wissenschaft nur selten zugänglich ist. An allgemeine, in den nationalen Rechten verankerte Vorschriften der Wirt­schaftsordnung, insbesondere des Wettbewerbs- und Kartellrechts, des Umwelt­schutzrechts und des Strafrechts, ist es nicht oder nur unter besonderen Umständen gebunden und berücksichtigt es häufig nicht. Der als Korrektiv in Betracht kommen­de Gedanke eines ordre public transnational ist einstweilen schwach ausgebildet. Die sich dadurch dem Völkerrecht, der Rechtswissenschaft und der internationalen Politik stellenden Probleme sind keineswegs bewältigt. Die Rechtssoziologie hat auch hier die Aufgabe, die faktischen und strukturellen Dimensionen dieses neuen, nicht mehr in staatliches Recht eingebetteten, Typs von Verträgen zu erfassen und in der Vertragstheorie zu verorten.

Literaturverzeichnis

Amstutz, Marc (2006) Die Verfassung von Vertragsverbindungen, Kritische Viertel­jahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV): (89) 105.

Beale, Hugh/ Dugdale, Tony (1975) Contracts Between Businessmen: Planning and the Use of Con­tractual Remedies, British Journal of Law and Society 1975: 45.

Brownsword, Roger (2006) Zum Konzept des Netzwerks im englischen Vertrags­recht, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV): (89) 131.

Campbell, David (2001) The Relational Theory of Contract.

Deakin, Simon (2006) Die Wiederkehr der Zünfte? Netzwerkbeziehungen aus histo­rischer Perspektive, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswis­senschaft (KritV): (89) 150.

Druey, Jean Nicolas (2006) Das Recht als Netz für Netzwerke. Eine Wegskizze, Kri­tische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV): (89) 163.

Durkheim, Emile (2004) Über soziale Arbeitsteilung, 4. Aufl.

Ehrlich, Eugen (1989) Grundlegung der Soziologie des Rechts, 1913, 4. Aufl.

Feinman, Jay M. (2000) Relational Contract Theory in Context, 94 Northwestern University Law Review: 737.

Gessner, Volkmar/ Budak, Ali Cem (Hrsg.) (1998), Emerging Legal Certainty: Em­pirical Studies on the Globalization of Law.

Goffman, Ervin (1959) The Presentation of Self in Everyday Life, 2. Aufl.

Gordon, R. (1985) Macaulay, Macneil and the Discovery of Solidarity and Power in Contract Law, Wisconsin Law Review: 565.

Grundmann, Stefan (2007) Die Dogmatik der Vertragsnetze, Archiv für civilistische Praxis (AcP): (207) 217.

Heermann, Peter W. (1998) Drittfinanzierte Erwerbsgeschäfte.

Heermann, Peter W. (2006) Die Stellung des multilateralen Synallagmas im Recht der Vertragsverbindungen, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV): (89) 173.

Heldt, Cordula (2006) Multilaterale Sonderverbindungen als semi-spontane Ord­nung: Das Beispiel der Baukooperation und des Franchising, Kritische Vierteljahres­schrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV): (89) 208.

Horz, Matthias (2005) Gestaltung und Durchführung von Buchverlagsverträgen.

Hueck, Alfred (1923) Normenverträge, Jherings Jahrbücher: 33.

Jickeli, Joachim (1996) Der langfristige Vertrag.

Joerges, Christian (Hrsg.) (1991) Franchising and the Law.

Köndgen, Johannes (1981) Selbstbindung ohne Vertrag.

Larenz, Karl/ Wolf, Manfred (1997) Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl.

Luhmann, Niklas (1972) Rechtssoziologie.

Luhmann, Niklas (1993) Das Recht der Gesellschaft.

Macaulay, Stewart (1963) Non Contractual Relations in Business, American Soci­ological Review: 22.

Macaulay, Stewart (1966) Law and the Balance of Powers. The Automobile Manu­facturers and their Dealers.

Macneil, Jan R. (1974) The Many Futures of Contracts, Southern California Law Re­view: 691.

Macneil, Jan R. (1978) Contracts: Adjustment of Long-Term Economic Relations under Classical, Neoclassical and Relational Contract Law, Northwestern University Law Review: 854.

Macneil, Jan R. (1980) The New Social Contract. An Inquiry into Modern Contrac­tual Relations.

Maine, Henry Sumner (1861) Ancient Law.

Möschel, Wernhard (1986) Dogmatische Strukturen des bargeldlosen Zahlungsver­kehrs, Archiv für civilistische Praxis (AcP): (186) 187.

Oechsler, Jürgen (1996) Wille und Vertrauen im privaten Austauschvertrag, Die Re­zeption der Theorie des Relational Contract im deutschen Vertragsrecht in rechtsver­gleichender Sicht, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privat­recht (RabelsZ): 93.

Raiser, Ludwig (1935) Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Raiser, Ludwig (1958) Vertragsfreiheit heute, JuristenZeitung (JZ): H. 1.

Raiser, Ludwig (1977) Vertragsfunktion und Vertragsfreiheit, in: ders., Die Aufgabe des Privatrechts.

Raiser, Thomas (2007) Grundlagen der Rechtssoziologie, 4. Aufl.

Rehbinder, Manfred (1967) Wandlungen der Rechtsstruktur im Sozialstaat, in: Hirsch, Ernst E./ Rehbinder, Manfred, Studien und Materialien zur Rechtssoziologie: 197.

Rehbinder, Manfred (2003) Rechtssoziologie, 5. Aufl.

Röhl, Klaus (1987) Rechtssoziologie.

Rohe, Mathias (1998) Netzverträge.

Schanze, Erich (1991) Symbiotic Contracts: Exploring Long-Term Agency-Struc­tures Between Contract and Corporation, in. Joerges (Hrsg.), Franchising and the Law, 1991: 67.

Schelsky, Helmut (1980) Systemfunktionaler, anthropologischer und personfunktio­naler Ansatz in der Rechtssoziologie, in: ders., Die Soziologen und das Recht: 138.

Sinzheimer, Hugo (1907/08) Der korporative Arbeitsnormenvertrag.

Stein, Ursula (1995) Lex Mercatoria, Realität und Theorie.

Teubner, Gunther (1996) Globale Bukowina, Zur Emergenz eines globalen Rechtspluralismus, Rechtshistorisches Journal 15: 255.

Teubner, Gunther (2004) Netzwerk als Vertragsverbund: Virtuelle Unternehmen, Franchising und Just-in-time in sozialwissenschaftlicher und juristischer Sicht.

Tönnies, Ferdinand (1887) Gemeinschaft und Gesellschaft, Neuausgabe 1963.

Weber, Max (1984) Wirtschaft und Gesellschaft, 5. Aufl.

Wiethölter, Rudolf (1965) Die Einwirkung des Sozialstaatsgedankens auf das Ver­trags- und Wirtschaftsrecht, Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (RabelsZ): (29) 806.

Wellenhofer, Marina (2006) Drittwirkung von Schutzpflichten im Netz, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV): 187.

Wolf, Manfred (2006) Schutz von Netzwerken gegen Eingriffe Dritter, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (KritV): 253.

1Vgl. statt aller Ludwig Raiser 1977: 66; Luhmann 1993: 450.

2Vgl. grundlegend Durkheim 2004: 1. Buch, Kapitel 3 bis 6.

3Nachweise bei Thomas Raiser 2007: 319.

4Der Tatbestand des abgestimmten Verhaltens ohne förmlichen Vertragsschluss spielt vor allem bei Wettbewerbsbeschränkungen eine Rolle und wird daher in den Gesetzen gegen Wettbe­werbsbeschränkungen aufgegriffen (§1 GWB, Art. 81 EWGV).

5Vgl. Goffman 1959; 2. A.; Luhmann 1972: 74; Köndgen 1981; Röhl 1987: 143; Macneil 1974: 691; Macneil 1980; Macneil 1978: 854 ff.

6Diese Konzeption hat sich allerdings nicht lange aufrecht erhalten lassen, vielmehr übernahm die Rechtsprechung alsbald den in der Wissenschaft entwickelten Gedanken, dass es auch im Zusammenhang mit der Vertragsvorbereitung und mit Vertragsverhandlungen Verpflichtungen gibt, die nach vertragsrechtlichen Regeln zu beurteilen sind (culpa in contrahendo). Eine ent­sprechende Vorschrift wurde jedoch erst im Zug der Schuldrechtsreform von 2002 in das BGB aufgenommen (§ 311 Abs. 2 BGB).

7Derartige Vorschriften verfolgen zum einen den Zweck, die Erklärenden selbst vor übereilten Äußerungen zu schützen und den Inhalt des Vertrags sicherzustellen. Zum anderen dienen sie auch der Beweissicherung im behördlichen und gerichtlichen Verfahren.

8Weber 1984: 409ff.

9Das meint schon Durkheims berühmte Sentenz: „es ist nicht alles vertraglich – das heißt selbst­bestimmt – beim Vertrag“. In seiner Kritik an der liberalen Vertragslehre zitiert Durkheimaus­führlich den Code Civil (vgl. Durkheim 2004: 1. Buch Kapitel 7 II). Bei Max Weber (1984: 397ff) kommt die Verflechtung von privatautonomer Vereinbarung und rechtlichem Rahmen darin zum Ausdruck, dass er in seiner Rechtssoziologie das Vertragsrecht in dem Abschnitt über die Formen der Begründung subjektiver Rechte behandelt. Denn subjektive Rechte beinhalten nicht nur Ansprüche gegen Privatpersonen, sondern auch den Anspruch auf staatlichen Rechts­schutz und werden daher vom Staat zugewiesen.

10Auch soweit die Rechtswissenschaft neue, im Gesetz nicht behandelte Vertragstypen feststellt und rechtlich ausformt – zum Beispiel Leasing, Franchising, Factoring – greift sie Sachverhalte auf, welche sich in der Wirtschaftspraxis ausgebildet haben.

11Deren Eigenart als normenbegründende Verträge hat schon Hugo Sinzheimer herausgearbeitet (Sinzheimer 1907/08); vgl. grundlegend ferner Hueck 1923: 33ff.

12Dazu grundlegend Ludwig Raiser 1935: 76ff, 116ff; ferner L. Raiser 1977: 70.

13Maine 1861; Tönnies 1887, neu 1963: 3. Buch §§ 7; Weber 1984: 401f; vgl. dazu Th. Raiser 2007: Abschnitte 3 II d und 7 II 6.

14Wiethölter 1965: 806 f; weitere Nachweise bei Rehbinder 1967: 197ff, 217 Anm. 1 und 2.

15Rehbinder 1967: 217; Rehbinder 2003: 92 ff.

16Macneil 1974: 691: Macneil 1980; Macneil 1978: 854 ff. Vgl. ferner Beale/Dugdale 1975: 45 ff; Gordon 1985: 565; Feinman 2000: 737 ff; Campbell 2001.

17Ein wichtiges Beispiel dafür ist die sorgfältige Untersuchung der Vermögens- und Ertragslage eines Unternehmens (due diligence) vor dem Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags durch den Käufer, welche die Mitwirkung des Verkäufers erfordert.

18Vgl. dazu in Deutschland die Arbeit von Horz 2005.

19Vgl. die Fortentwicklung zu einer Theorie des „Symbiotischen Vertrags” durch Schanze (1991) in: Joerges: 67 ff; ferner Oechsler 1996: 93 ff.

20Das auf diese Weise positivierte Rechtsinstitut des Anspruchs auf Vertragsanpassung bei Weg­fall der Geschäftsgrundlage war in Rechtsprechung und Lehre schon vorher anerkannt.

21Weber 1984: 398ff, 411ff; Durkheim 2004: 263ff, vgl. ferner L. Raiser 1958: Heft 1

22Das kommt am deutlichsten bei Max Weber zu Ausdruck, wenn er am Schluss seiner Rechtsso­ziologie das neuerliche Eindringen materieller Gerechtigkeitsvorstellungen, insbesondere des Arbeitnehmerschutzes, in das Privatrecht hervorhebt und als dessen Folge eine wachsende Bedeutung des positiven Rechts prophezeit (vgl. Weber 1984: 505ff, 513.) Bei Durkheim steckt es in der Begründung seiner Sentenz „Es ist nicht alles vertraglich beim Vertrag“; Durkheim 2004: 263ff, 267.

23Die Positivität des Rechts als eines Merkmals der heutigen Rechtskultur hat insbesondere Niklas Luhmann herausgearbeitet; vgl. Luhmann 1972: Abschnitte IV und V; dazu auch Th. Raiser 2007: Abschnitte 9 II 3, III 4 und 20 II.

24Macaulay 1963: 22; für Deutschland Horz2005: 117ff.

25Ausführlich dazu Larenz/Wolf 1997: Allgemeiner Teil, § 42.

26Grundlegend Macaulay 1966.

27In der Rechtssoziologie hat vor allem Helmut Schelsky auf die Gefahren hingewiesen, welche von mächtigen Organisationen – den so genannten „intermediären Gewalten“ – ausgehen. Schelsky hat mit Nachdruck gefordert, die Integrität und Autonomie der Person auch ihnen gegenüber zu schützen (vgl. Schelsky 1980: 138, und dazu Raiser 2007: §10 II 4).

28Vgl. hierzu statt aller Möschel1986: 211 ff; Jickeli 1996; Rohe 1998; Teubner 2004; Grund­mann 2007: 217; ferner die Abhandlungen von Amstutz, Brownsword, Deakin, Druey, Heer­mann, Wellenhofer, Heldt und Wolf, alle 2006: 103 ff.

29Die Hauptbeispiele sind der finanzierte Abzahlungskauf, das Leasing sowie der Erwerb von Anteilen an Vermögensfonds.

30Vgl. insbesondere Heermann 1998.

31Vgl. statt aller Joerges(Hrsg.) 1991; die Ausgestaltung im Einzelnen variiert beträchtlich.

32Vgl. insbesondere Rohe 1998.

33Also zum Beispiel von Mastercard oder Visa.

34Vgl. statt aller Stein 1995; Gessner/Budak 1998; Teubner 1996: 255.

35Vgl. Ehrlichs (1989: Abschnitt III) Konzeption des gesellschaftlichen Rechts sowie Max Webers Darstellung der historischen Evolution des Vertragsrechts (1984: 2. Teil, Kapitel VII § 2). ProLitteris

Weiterlesen