Gesundheitsberufe Gesundheitsförderung Streckeisen

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Ursula Streckeisen

Gesundheitsförderung als Beruf? Aspekte der Ausbildung, Beschäftigung und Berufspolitik hinsichtlich Public Health

Abstract

Gründerväter der Soziologie erblickten im Beruf ein zentrales Vergesellschaftungsprinzip. Der Beitrag fragt danach, inwieweit Aktivitäten im entgrenzten Bereich der Gesundheitsförderung Berufscharakter haben. Vor dem Hintergrund referierter Forschungsergebnisse wird die These vorgelegt, dass Gesundheitsförderung kein Beruf ist, aber indirekt zur berufsbezogenen Vergesellschaftung beiträgt: Über die Anbindung an Gesundheitsförderung kultivieren Träger(innen) von bereits bestehenden Berufen ihre Individualberuflichkeit und versuchen zugehörige Kollektivakteure (Verbände), ihr Berufsbild erfolgsversprechend anzureichern.

1 Einleitung

Mit der Verbreitung chronischer, degenerativer und psychosomatischer Beschwerden kommen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts jene neuen gesellschaftlichen Leitbilder auf, die das gesundheitliche Subjekt im Auge haben und dessen Selbstverantwortung betonen. Im gesellschaftlichen Selbstverständnis gewinnen damit die Krankheitsprävention und die Gesundheitsförderung an Bedeutung. Insbesondere mit dem Aufkommen der Gesundheitsförderung verbindet sich eine Überlagerung der pathogenetischen durch die salutogenetische Perspektive, was etwa im Konzept des gesundheitsfördernden Krankenhauses (Kickbusch 2006, 128) klar zutage tritt. Jenseits oder am Rand von Feldern, in denen therapeutisch und klinisch ausgerichtete Berufe wirken (Arztberuf, Pflegeberuf, Physiotherapie u. Ä.), bilden sich vor diesem Hintergrund historisch neue Gesundheitsberufe heraus, die typischerweise einer Public-Health-Perspektive verpflichtet sind. Diesen Berufen gilt das Interesse des vorliegenden Beitrags, vor allem auch jenen unter ihnen, die explizit die Aufgaben der Gesundheitsförderung bearbeiten und – anders als die Krankheitsprävention – keinen Krankheitsbezug mehr kennen. Im Anschluss an Bollinger (2005, 16) lässt sich die Frage stellen, ob und inwieweit den neu entstehenden Gesundheitsaktivitäten ein Berufscharakter zugesprochen werden kann. Nimmt die Arbeit jenseits der therapiebezogenen Gesundheitsversorgung herkömmliche Berufsförmigkeit an? Entstehen Berufe eines historisch neuen Typs? Oder zeichnen sich andere, bisher unbekannte Grenzziehungen und Identitätsformationen im Prozess der Teilung qualifizierter Arbeit ab?

Bezugspunkt dieser Ausgangsfrage ist die berufssoziologische Diskussion über das (postulierte) ‚Ende des Berufs‘ bzw. die ‚Entberuflichung der Arbeitswelt‘. Während Gründerväter der Soziologie wie etwa Durkheim dem Beruf eine sozialintegrative Kraft zusprachen und in ihm ein Vergesellschaftungsprinzip erblickten1 (vgl. Durkheims Ausführungen über „groupements professionnels“, 1893/1967, 41ff.), wird diese Sicht von heutigen Soziolog(inn)en nicht mehr durchwegs geteilt. Auf die ‚grosse‘ Frage, wie Gesellschaft möglich ist, hat die jüngere Berufssoziologie andere Antwortversuche formuliert. So sah die „Subjektbezogene Theorie der Berufe“ von Münchner Soziolog(inn)en in Berufen ursprünglich gesellschaftlich normierte Muster von qualifizierter Arbeitskraft, die sich im gesellschaftlich organisierten Arbeitsprozess einsetzen lässt; über Beruf findet aus dieser Sicht ein Vergesellschaftsprozess statt (Beck/Brater/Daheim 1980). Doch dringen Soziolog(inn)en, die der jüngeren Münchner Generation angehören, seit den 1990er Jahren in eine neue Denkrichtung vor. Zentral ist die These, der „Individualberuf“ (Voss 2001) sei an die Stelle des herkömmlichen Berufs getreten. Infrage steht eine neue Art von ‚Beruf‘, im Rahmen dessen der Selbstverantwortlichkeit des Berufsträgers, der Berufsträgerin hohe Bedeutung zukommt. Teilweise wird aber auch eine Entberuflichung oder Erosion von Beruflichkeit diagnostiziert und das Berufskonzept als gesellschaftserklärende Grösse relativiert (Daheim 2001). Vor diesem – hier vorerst nur angedeuteten – Hintergrund sollen im vorliegenden Beitrag Überlegungen angestellt und Forschungsergebnisse kommentiert werden, die sich auf die neuen Gesundheitsaktivitäten im Public-Health-Bereich beziehen.

In Abschnitt 2 werden konzeptuelle Überlegungen präsentiert, um die interessierende Problematik berufstheoretisch gesättigt reformulieren zu können. Anschliessend werden in Abschnitt 3 und 4 Informationen zusammengetragen und empirische Forschungsresultate (inkl. eigene Ergebnisse) referiert, die es erlauben, die Fragestellung zu bearbeiten. Es folgt ein Schlusskapitel, das Folgerungen zum Verhältnis von Gesundheitsförderung und berufsbezogener Vergesellschaftung zieht.

2 Konzeptuelle Überlegungen

Aus der Sicht der subjektorientierten Berufssoziologie sind Berufe Bündel von Arbeitsfähigkeiten, genauer: „Zusammensetzungen und Abgrenzungen von spezialisierten, standardisierten und institutionell fixierten Mustern von Arbeitskraft“ (Beck/Brater/Daheim 1980, 20). Die individuelle Person, die ihr Arbeitsvermögen entsprechend gebündelt hat, kann dieses zur Lösung gesellschaftlicher Probleme und gleichzeitig als Subsistenzquelle einsetzen. Ihre Arbeit genügt demnach – wie jede Erwerbsarbeit – einer doppelten Rationalität (Beck/Brater/Daheim 1980, 243 ff.): Dem inhaltlichen Interesse an der Problembearbeitung (Gebrauchswertbezug) steht ein instrumentelles Interesse an der Beschaffung von Subsistenzmitteln (Tauschwertbezug) gegenüber. Zu Letzterem lässt sich auch das Interesse an Macht, Status und Prestige zählen, das bei Beck et al. nicht im Vordergrund steht. Wer einen Beruf und nicht nur eine gewöhnliche Erwerbstätigkeit ausübt, erbringt – so der Münchner Ansatz weiter – in einer arbeitsteiligen Gesellschaft spezialisierte Leistungen, geht also einer Arbeit nach, die ein Mindestmass an fachlicher Ausbildung voraussetzt. Über die Ausbildung hinaus entwickelt sich im Rahmen der beruflichen Sozialisation aber auch ein beruflicher Habitus, zu welchem eine Haltung gehört, die hohe Ansprüche an die eigene Arbeit stellt und entsprechende Arbeitsbedingungen sowie Arbeitsinstrumente für unabdingbar hält. Der Beruf wird denn auch mit einer gewissen Leidenschaft ausgeübt, stiftet Identität, bringt Anerkennung und ist Quelle von Befriedigung (Beck/Brater/Daheim 1980, 199ff.). (Vgl. auch die Ausführungen in der Einleitung des vorliegenden Bandes)

Die historische Entstehung von Berufen verbindet sich mit Prozessen der sozialen Schliessung. In Fortführung von Max Webers Konzept der offenen und geschlossenen sozialen Beziehungen (Weber 1922/1985, 23ff.) geht die Theorie sozialer Schliessung davon aus, dass gesellschaftliche Ordnung durch Akteurhandlungen strukturell festgelegt wird, die auf die Monopolisierung von Ressourcen, Privilegien, Macht oder Prestige ausgerichtet sind und andere von der Teilhabe ausschliessen wollen (Mackert, 2004, Murphy 1988). So etwa durchlaufen berufliche Kollektivakteure, die erfolgreich sind, gesellschaftlich einen Aufstiegsprozess, um mit der Zeit ein Monopol auf das Erbringen bestimmter Leistungen zu erwerben. Dass ein Monopol errichtet wird, verdankt sich nicht zuletzt der Politik von Berufsverbänden, die strategisch Interessen verfolgen und in machtpolitischen Durchsetzungsprozessen für ihren (entstehenden) Beruf eine entsprechende Position in der Berufshierarchie erobern (Torstendahl 1990, Larson 1977). Als Garant für die Qualität der Arbeit, die angeboten wird, figurieren bei Berufen eine etablierte Ausbildung und das Berufsethos.

Mit Bezug auf die Bedeutung der Ausbildung für die Entstehung eines Berufs lässt sich zusätzlich der Absorptionsansatz heranziehen, der in der Diskussion über das Verhältnis von Bildung und Beschäftigung seine Wurzeln hat (Streckeisen 1981, 75ff.). Dieser Ansatz geht davon aus, dass das Beschäftigungssystem Absolvent(inn)en einer Ausbildung absorbieren kann, für die es zunächst keinen artikulierten Bedarf gibt, d.h. dass auf der Gebrauchswertseite sozusagen eine Leerstelle gegeben ist. In der Politologenstudie von Hartung et al. (1970) zum Beispiel ist für die 1960er Jahre empirisch festgestellt worden, dass sich eine Nachfrage nach Politolog(inn)en entwickelte, obwohl ausserhalb der Universität lange Zeit nicht bekannt war, über welche Qualifikationen die Absolvent(inn)en dieses historisch neuen Studienfachs verfügten. Das Beschäftigungssystem ‚absorbierte‘ demnach die Politolog(inn)en immer mehr, ja es entwickelte sich eine explizite Nachfrage nach ihnen. Der Bedarf, so kann man folgern, lässt sich als Ergebnis bildungspolitischer Entscheidungen betrachten. Denkbar ist allerdings auch, dass die neuen Qualifikationen die Befriedigung einer bereits vorhandenen, aber latenten Nachfrage ermöglichen, welche in den Bedarfsvorstellungen der Arbeitgeber(innen) (noch) nicht präsent ist. Berufssoziologisch formuliert: Probleme, deren Bearbeitung ein bestimmtes gebündeltes, berufliches Arbeitsvermögen voraussetzt, können durch das Vorhandensein dieses Arbeitsvermögens erzeugt oder zumindest gesellschaftlich sichtbar gemacht werden.

Die Berufsform von Arbeitskraft, die hier zur Diskussion steht, ist historisch entstanden, unterliegt Wandlungsprozessen und kann ihre sozialintegrative Kraft einbüssen. Schon in den frühen Schriften der Münchner Berufssoziologen wird über die Grenze von Beruflichkeit nachgedacht, etwa in Hinweisen auf die „Starrheit und Rigidität beruflicher Strukturen“, welche die Vergesellschaftung qua Beruf erschweren würden (Beck/Brater 1977, 8). Vossbaut diese Überlegungen später aus und gelangt zur Diagnose, als Folge des sozialen Wandels, der seit Ende der 1970er Jahre stattfindet, stelle der Beruf kein zentraler Ort der Vergesellschaftung mehr dar, Prozesse der Deregulierung und Individualisierung würden „starreund grossformatige Sozialvorgaben immer problematischer werden“ lassen (1997, 216). Als vorherrschender Typus der Erwerbsarbeit bilde sich der „Arbeitskraftunternehmer“ heraus, der neue Beruf sei der „Individualberuf“ (Voss 2001, 300). Max Weber, so hebt Voss hervor (2001, 305), verweist in seiner Definition von Beruf als „jene Spezifizierung, Spezialisierung und Kombination von Leistungen einer Person, welcher für sie die Grundlage einer kontinuierlichen Versorgungs- und Erwerbschance ist“ (Weber1922/1985, 80) zuerst auf die fachliche Seite des Berufs und erst in zweiter Linie auf dessen ökonomische Funktion. Voss selber schlägt eine „umgekehrte“ (305) Definition von Beruf vor: „Beruf soll jene aktiv individuell zu entwickelnde und kontinuierlich zu entfaltende Formierung von spezialisierten fachlichen und vielfältigen überfachlichen Fähigkeiten und Leistungen einer Person heissen, welche für sie Grundlage einer potentiell diskontinuierlichen Erwerbschance ist, wozu eine den jeweiligen persönlichen und sozialen Bedingungen laufend anzupassende individuelle Entwicklung, Spezifizierung, Spezialisierung und Kombination der Arbeitsvermögen und ihrer Anwendungen erforderlich ist“ (Voss 2001, 305). Was von Voss als Bedeutungszunahme des ‚Individualberufs‘ betrachtet wird, stellt für andere Soziologen einen Entberuflichungsprozess in dem Sinne dar, dass die Koppelung von Beruf und Erwerbstätigkeit als solcher eine Lockerung erfährt, sei es, dass die Erwerbsarbeit sich wandelt und bestimmte erlernte Berufe obsolet bzw. gar nie ausgeübt werden, sei es, dass Erwerbsbereiche weiter existieren oder neu entstehen, die nicht eigentlich beruflich organisiert sind, oder sei es schliesslich, dass sich die Bindung von Berufsinhaber(innen) an ihren Beruf zugunsten der Bindung an den Betrieb, in dem sie tätig sind, zurückentwickelt (Daheim 2001, 25 ff. u.a.).

Vor dem Hintergrund dieser konzeptuellen Erörterungen lässt sich die Problemstellung des vorliegenden Beitrags reformulieren. Das Interesse gilt der Frage, ob und inwieweit sich im Public-Health-bezogenen Gesundheitsbereich berufliche Monopolisierungstendenzen mit Blick auf abgrenzbare Bündel von spezialisierten institutionalisierten Fähigkeiten ausmachen lassen, die – nicht zuletzt dank berufspolitischen Initiativen – im gesellschaftlichen Arbeitsprozess ihren Einsatz finden. Die infrage stehenden Arbeitsleistungen setzen eine qualifizierte Ausbildung voraus und bringen Subsistenzmittel ein. Falls sich das herkömmliche Berufsprinzip durchzusetzen beginnen sollte, würden entsprechende Akteurinnen und Akteure zudem einen beruflichen Habitus sowie eine berufliche Identität entwickeln und ihre Tätigkeit mit hoher innerer Beteiligung ausüben. Falls dem nicht so ist, stellt sich, die Frage, ob und inwieweit sich neue Formen von Beruflichkeit oder auch ganz andere Typen von arbeitsteilungsbezogenen Grenzziehungen und Vergesellschaftungsformen herausbilden.

3 Objektive und subjektbezogene Charakteristiken der Arbeit von Gesundheitsförderer(innen) bzw. Public-Health-Absolvent(inn)en

Es lassen sich zahlreiche Bemühungen ausmachen, Gesundheitsförderung um einen inhaltlichen Aufgabenkern herum zu zentrieren, der sie von anderen abgrenzt. Göpel (2006, 168) etwa sieht in der Gesundheitsförderung eines von mehreren „abgrenzbaren Tätigkeitsfeldern“ der Gesundheitsberufe. Neben der Gesundheitsförderung nennt er die Felder Krankheitsprävention und Diagnostik, Therapie, Pflege, Rehabilitation und Verwaltung, also sehr grosse Bereiche, innerhalb derer je verschiedene herkömmliche Berufsinhaber(innen) tätig sind. Der Autor plädiert für eine „Professionalisierung der Gesundheitsförderung“ (Göpel, 2006, 159) und übernimmt dabei den Gesundheitsförderungsbegriff der Ottawa Charta der WHO mit den dort unterschiedenen Ebenen und Handlungsformen.

Um der Frage nachzugehen, inwieweit die Arbeit im Bereich der Gesundheitsförderung herkömmliche Berufsförmigkeit oder aber andere Formen annimmt, wird im Folgenden primär auf gesundheitswissenschaftliche Literatur zurückgegriffen. Da über Gesundheitsförderung die erforderlichen Informationen oder Studien teilweise nicht vorliegen, wird der Blick, soweit nötig, erweitert und auf Public Health gerichtet. Zunächst werden Aus- und Weiterbildungen im Public-Health-Bereich beleuchtet und die Frage der Aufnahme von Public-Health-Absolvent(inn)en ins Beschäftigungssystem untersucht (Abschnitt 3.1 und 3.2). Es folgen Erörterungen zu den Tätigkeitsbereichen dieser Akteurinnen und Akteure (3.3) und zur Identität von Public-Health-Absolvent(inn)en. Die Informationen und Studien, auf welche zurückgegriffen wird, entsprechen den Anforderungen an so etwas wie eine Operationalisierung der berufssoziologischen Konzepte, mit denen bis hierher gearbeitet wurde, natürlich nicht. Muster von Arbeitskraft lassen sich durch erworbene Bildungszertifikate nicht erfassen. Oder: Über die real eingesetzte Arbeitskraft geben Tätigkeitsbereiche, die in einer Befragung angekreuzt werden, nicht wirklich Auskunft. Dennoch wird versucht, auf der Basis von zur Verfügung stehenden Untersuchungsergebnissen vorsichtige Aussagen zur Frage der Berufsförmigkeit von Gesundheitsförderung bzw. Public-Health-Arbeit zu formulieren.

3.1 Aus- und Weiterbildung im Public-Health-Bereich

Seit zwei, drei Jahrzehnten entstehen im Bereich Public Health zahlreiche Aus- und Weiterbildungsangebote (vgl. Matzick 2008, Borgetto/Kälble 2007, 143ff.; für die Schweiz vgl. Zimmermann-Acklin 2009, 7ff.). So etwa werden Qualifikationen zur Besetzung von Positionen in den Bereichen Prävention, Beratung, „Schnittstellen Management“, Supervision, Patienteninformation oder Gesundheitskommunikation vermittelt (Matzick 2008). In jüngerer Zeit verbreiten sich insbesondere Ausbildungs- und Weiterbildungsgänge im Bereich Management und Ökonomie (Borgetto/Kälble 2007, 147). Die Qualifikationen haben relativ berufs-unspezifischen Charakter und weisen erhebliche Überschneidungen auf. In der Literatur ist vielfach von neuen „Kompetenzen“ (z.B. Walter/Badura 2006, 137) oder „Aufgaben“ (z.B. Ehrhard et al. 2011, 113) die Rede und nicht von „Berufen“, auf welche sich die Aus- bzw. Weiterbildungen beziehen. Die „Berufsbilder“ sind denn auch nicht klar begrenzt und ebenso wenig konzeptuell abgesichert, wie Borgetto/Kälble beobachten (2007, 147).

Institutionell werden diese Qualifikationen zum Teil in Studiengängen der multidisziplinären, praxis- und politikbezogenen Gesundheitswissenschaften erworben, die sich im weitesten Sinn mit der als ‚Public Health‘ bezeichneten Querschnittsdisziplin gleichsetzen lassen, die im Spannungsfeld zwischen medizinischen und sozialwissenschaftlichen Herangehensweisen das Themenfeld ‚Öffentliche Gesundheit‘ bearbeitet (Zimmermann-Acklin 2009, 3). In Deutschland haben sich diese seit den 1980er Jahren zu etablieren begonnen, zum Teil als Abteilungen von Medizinische Fakultäten, zum Teil als selbständige Institute oder Fakultäten wie in Bielefeld oder Bremen. Dreistufige Studiengänge mit Bachelor, Master und PhD werden angeboten (Hurrelmann et al. 2006, 34). In der Schweiz sind die Gesundheitswissenschaften schwächer institutionalisiert. Die Zentren markieren die Sozial- und Präventivmedizinischen Institute an den Medizinischen Fakultäten. Daneben sind die PhD- bzw. Doktoratsprogrammen zu nennen, welche die Stiftung ‚Swiss School of Public Healthplus‘, ein Zusammenschluss von sieben Universitäten, anbietet. Ab Herbst 2013 gibt es an der Universität Luzern zudem die Möglichkeit, einen Master in Gesundheitswissenschaften zu erwerben. Ferner existieren verschiedene Master-of-Advanced-Studies-Angebote, und im Fachhochschulbereich sowie im privaten Sektor sind verschiedenste Angebote aufgebaut worden. Der Public-Health-Bereich charakterisiert sich durch regen persönlicher Austausch und verschiedenste Formen institutioneller Zusammenarbeit zwischen medizinischen und geistes-, kultur- sowie sozialwissenschaftlichen Fakultäten bzw. Instituten, Fachhochschulen für Gesundheit, privaten Stiftungen u.a.m. (Zimmermann-Acklin 2009)

Für viele dieser Studiengänge existieren keine bereits konturierten Einsatzbereiche (Bollinger 2005, 16). Ob ein „Bedarf“ an entsprechenden Arbeitskräften existiert, gilt als unentschieden (Schnabel 2006, 127). Zwar diagnostizieren Gesundheitswissenschaftler(innen) seit längerer Zeit einen hohen Bedarf an Public-Health-Expert(inn)en, einen Bedarf an fächerübergreifenden, selbstreflexions- und interprofessionell-zusammenarbeitsbezogenen Qualifikationen in diesem Bereich, einen Bedarf an Managementkompetenzen und an ökonomischer Kompetenz vor allem bei Führungskräften. Tatsache aber ist, dass sich die Entwicklung im Bildungswesen weitgehend unabhängig von den Debatten über den Bedarf am Arbeitsmarkt vollzogen hat (Borgetto/Kälble 2007, 147). In vielen Hinsichten entspricht sie aber einem politischen Willen. Ausgebildet wird für Berufsfelder, von denen angenommen wird, dass sie im Entstehen begriffen sind: Leitungspositionen in Prävention und Gesundheitsförderung auf internationaler (WHO), europäischer (EU), nationaler und regionaler Ebene im öffentlichen Gesundheitssektor, aber auch Positionen bei Nichtregierungsorganisationen; zusätzlich wird mit Anstellungen in der staatlichen und privaten Gesundheitsforschung und im gesundheitswirtschaftlichen Bereich von Wellness und Fitness gerechnet (Borgetto 2010, 205). Ein Grund für den Ausbau im Bildungswesen mag – wie auch Borgetto/Kälble erwähnen (2007, 147) – das Vertrauen der Politiker(innen) in die Prognose jener Expert(inn)en sein, die den ‚Wirtschaftszweig Gesundheitswesen‘ als eine der grössten Wachstumsbranchen betrachten (vgl. z.B. Evans/Hilbert 2006, Mühlbacher/Pflüger 2008 u.a.).

3.2 Aufnahme ins Beschäftigungssystem von Public-Health-Absolvent(inn)en

Gesundheitswissenschaftler(innen) weisen teilweise auf unkontrollierbare Einflüsse am Arbeitsmarkt hin und machen – ganz im Sinne des Absorptionsansatzes – geltend, Arbeitgeber(innen) müssen zuerst einmal erfahren, was die Absolvent(inn)en eines neuen Studienganges überhaupt können und was sie von anderen Absolvent(inn)en unterscheidet (Schnabel 2006, 133). Vor dem Hintergrund des Absorptionsansatzes ist durchaus denkbar ist, dass sich für Public-Health-Absolvent(inn)en dereinst klare Einsatzbereiche herausbilden. Wichtig dabei ist vor allem auch der politische Wille, mit dem sich der Aufschwung von Public Health verbindet, vor allem die Initiativen der WHO seit den 1970er Jahren (Göpel 2006, 165ff.). Wenn sich salutogenetisch ausgerichtete Überzeugungen gesundheitspolitisch durchsetzen, kann damit gerechnet werden, dass im öffentlichen Bereich entsprechende Stellen geschaffen werden, und dies umso eher, je besser die finanzielle Lage und je breiter die staatlichen Aufgaben definiert sind. Zu vermuten ist aber auch, dass Arbeitsplätze für Public-Health-Absolvent(inn)en beim Staat deswegen entstehen, weil die Förderung der Volksgesundheit für die Politik zunehmend legitimatorischen Charakter hat. Nicht von ungefähr werden Präventions- und Screeningprogramme zum Teil auch dann gefördert, wenn deren Wirksamkeit noch nicht erwiesen ist (Meyer 2012).

Mit dem Absorptionsansatz lässt sich auch vermuten, dass eine Nachfrage nach Public-Health-Expert(inn)en sehr wohl latent existieren kann, aber zunächst unartikuliert bleibt und erst manifest wird, wenn entsprechende Absolvent(inn)en absorbiert werden. In ihrer Arbeitgeberbefragung kommen Schienkewitz et al. (2001) zum Schluss, dass Public-Health-Arbeitsfelder gerade auch in Institutionen existieren, die von Public Health nichts wissen. In Krankenhäusern oder der Pharmaindustrie gibt es, so die Autor(inn)en, entsprechende Felder, doch werden die Stellen möglicherweise mit Absolvent(inn)en anderer Studiengänge besetzt, weil die Public-Health-Ausbildung unbekannt ist. Die Autor(inn)en sehen Einsatzfelder mit wachsendem Bedarf exakt in jenen der befragten Institutionen, die den Studiengang nicht kannten. Diese Felder liegen Schienkewitz et al. zufolge eher im Bereich von „New Public Health“ als in den klassischen Bereichen von Prävention und Epidemiologie.

Rudimentäre Informationen zur realen Erwerbstätigkeit von Gesundheitsförderer(innen) lassen sich aus Absolventenstudien gewinnen. Für Deutschland lässt sich generell festhalten, dass Absolvent(inn)en von Universitäten und Fachhochschulen, die Public-Health-Expert(inn)en ausbilden, keine Arbeitslosigkeitsprobleme haben, jedenfalls wird kaum über Situationen berichtet, die Subsistenzschwierigkeiten mit sich bringen könnten, ebenso wenig über Einkommen, die als inadäquat betrachtet werden (Lorenz/Pundt 2002, 99f., Pundt 2006, Schnabel 2006, Schienkiewitz et al. 2001).

Lorenz und Pundt (2002) haben die Absolvent(inn)en der ersten fünf Jahrgänge des viersemestrigen Berliner Aufbaustudienganges ‚Gesundheitswissenschaften/Public Health‘ im Jahr 1999/2000 telefonisch (N = 145) und mit Leitfadeninterviews (N = 14) befragt. Zunächst ist festzuhalten, dass ein Teil der Befragten nach Ausbildungsabschluss weiterhin an derselben Stelle wie vorher arbeitete. Zu 60% berichteten von einem Zuwachs an neuen, Public-Health-bezogenen Aufgaben in ihrer Tätigkeit.2 Von den Befragten waren am ehesten jene arbeitslos (Angabe der Befragten selbst), die aufgrund ihrer Erstqualifikation über ein wenig klares Berufsprofil verfügten und bereits vor dem Public-Health-Studium Probleme gehabt hatten, „sich beruflich zu verwirklichen“ (Lorenz/Pundt 2002, 104). Zu ihnen gehörten Politolog(inn)en und Ethnolog(inn)en, aber auch Soziolog(inn)en bzw. Sozialwissenschaftler(innen). Die Initialqualifikation hat also mehr als die Public-Health-Ausbildung darauf Einfluss, ob eine Aufnahme ins Beschäftigungssystem gelingt oder nicht.

Was die nicht arbeitslosen Befragten anbelangt, so zeigt sich bei Lorenz/Pundt (2002) wie erwartet, dass die öffentliche Hand als Arbeitgeber eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Arbeitgeber waren im Zeitpunkt der Erhebung vor allem die Hochschulen (universitäre Lehre und Forschung, 15%), die Privatwirtschaft (15%), „Freie Träger“ (12%) und öffentliche Einrichtungen wie das Gesundheitswesen sowie die Ministerien (12%). Ausseruniversitäre Forschung (11%) und Wohlfahrtsverbände/Kirche (9%) waren ebenfalls stark vertreten. Ähnliches gilt für eine Gruppe von befragten promovierten Bielefelder Gesundheitswissenschafter(innen): 40 % arbeiteten in Forschungseinrichtungen und Hochschulen, die übrigen in der Privatwirtschaft, bei Verbänden oder Behören (Pundt 2006, 240)

Aufgrund der Analyse der Leitfadeninterviews kommen Lorenz und Pundt (2002) zum Schluss, dass ein Berufsbild des Gesundheitswissenschaftlers, der Gesundheitswissenschaftlerin auf dem Arbeitsmarkt nicht existiert (Fremdwahrnehmung der Befragten). Keine(r) der Absolvent(inn)en hatte seine (ihre) Arbeitsstelle denn auch als originärer Gesundheitswissenschafter, Gesundheitswissenschaftlerin gefunden. Den Ausschlag gab vielmehr die Erstqualifikationen. Diese verhalf allerdings nur dann zu einer Einstellung im Public-Health-Bereich, wenn sie sich mit einem klaren Profil verband3. Lorenz und Pundt deuten ihre Ergebnisse dahingehend, dass Absolvent(inn)en der Gesundheitswissenschaften ihre Rolle immer wieder definieren und erklären müssen, da die Multidisziplin ‚Gesundheitswissenschaften‘ kein scharfes Profil „nach aussen“ zu erzeugen vermöge (Lorenz/Pundt 2002: 106f.).

Die Unschärfe des Profils dürfte unter anderem im Gesundheitsbegriff der Sinnwelt von Public Health selber liegen, die unter starkem Einfluss der WHO steht. Man kann wohl behaupten, der WHO-Gesundheitsbegriff (1946) bleibe ohne ‚klares Profil‘. Dieser Begriff hat multidimensionalen Charakter (physisch, psychisch, sozial) und kennt Grade von Gesundheit. Was die Multidimensionalität betrifft, so sind mit der Einbeziehung des Sozialen, das die WHO vor allem in der Ottawa Charta (1986/1992) weiter ausführt, neben Individuen und Gruppen auch Institutionen bzw. Organisationen und schliesslich die Gesamtgesellschaft gemeint, was dem Begriff entgrenzten Charakter verleiht. Bezüglich Gradation sei daran erinnert, dass Gesundheit in der Ottawa Charta explizit als steigerbar gedacht wird, ist doch von der Entwicklung „gesünderer Lebensweisen“ (1986/1992: 86) die Rede. Gemessen am Konzept der Gesundheit-als-Abwesenheit-von-Krankheit, verleiht der positivierte, neue Begriff der Gesundheit auch hier tendenziell uneingegrenzte Gestalt. In dem Masse, in dem der Bedeutungsumfang des Begriffs an Weite gewinnt, verringert sich dessen Aussagekraft, und er wird tendenziell „inhaltsleer“ (Luhmann 1990, 187, vgl. auch Gerhardt 1993). Daher dürfte nicht allein „nach aussen“ kein scharfes Profil der Gesundheitswissenschaften erzeugbar sein, wie Lorenz und Pundt (2002) annehmen, vielmehr dürfte schon ‚innen‘ kein solches Profil existieren.

3.3 Tätigkeitsbereiche von Public-Health-Absolvent(inn)en

Was die Tätigkeitsbereiche von Public-Health-Absolvent(inn)en betrifft, so dominierten bei den Befragten von Lorenz/Pundt (2002) – besonders bei ehemaligen Sozialarbeiter(innen)/Sozialpädagog(inn)en und bei Mediziner(innen), die zusammen zwei Drittel der Befragten ausmachten – versorgungsnahe Tätigkeiten im psychosozialen und sozialpsychiatrischen Bereich. Es folgten Tätigkeiten im Bildungs- und Forschungsbereich. Eine andere Untersuchung wurde von Pundt (2006) bei promovierten Bielefelder postgraduate Gesundheitswissenschaftler(innen) durchgeführt, die den akademischen Grad DrPH bzw. Doktor in Public Health erworben hatten (Pundt 2006). Die im Jahr 2004 durchgeführte, standardisierte schriftliche Befragung bei neunzig Absolvent(inn)en zeigt auf, dass bei den konkreten Tätigkeitsbereichen – Mehrfachnennungen waren möglich – Public-Health-Forschung / epidemiologische Forschung im Vordergrund stand (24%); es folgte die wissenschaftliche Lehrtätigkeit (20%) und die Beratungstätigkeit (12%). Die Aufgabenfelder erweisen sich der Autorin zufolge als „so bunt wie die des gesundheitswissenschaftlichen Berufsspektrums insgesamt und weisen hauptsächlich übergreifende Tätigkeitsbereiche auf“ (240). Trotzdem schliesst Pundt ihren Beitrag mit dem – wohl primär vom politisch Gewünschten inspirierten – Gedanken ab, ein „Grundstock für ein eigenes Profil“ (241) sei gegeben, doch verdiene das Ziel des eigenen Profils mehr Beachtung.

Schliesslich sei eine 2009 durchgeführte Online-Befragung bei Absolvent(inn)en von postgraduate Public-Health-Studiengängen auf Masterniveau genannt (Nitzschke/Dierks 2009), die in Hannover, München, Berlin, Fulda und Oldenburg/Ostfriesland/Wilhelmshaven ihr Diplom erworben haben (N = 477). Den Befragten wurde eine Liste von Public-Health-Aufgaben vorgelegt. Besonders oft kreuzten sie die folgenden Bereiche an (Mehrfachantworten waren möglich):

– Planung/Management/Organisation (33%, MFA)

– Prävention/Gesundheitsförderung (33%)

– Forschung (32%)

– Epidemiologie (32%)

– Lehre (26%)

– Gesundheitspolitik (23%)

– Beratung (23%)

– Qualitätsmanagement (21%)

Die referierten Untersuchungsergebnisse erlauben es natürlich nicht, Aussagen zu den konkreten Tätigkeiten von Public-Health-Absolvent(inn)en, geschweige denn zum eingesetzten Arbeitsvermögen zu machen. Immerhin kann festgehalten werden, dass das Spektrum der Tätigkeitsbereiche sehr breit ist und dass Lehre und Forschung, verschiedene Versorgungstätigkeiten sowie Management/Organisation hohe Bedeutung haben. Klar abgrenzbare Leistungsbündel lassen sich nicht identifizieren, noch weniger Monopolisierungstendenzen, die auf einen exklusiven Zugang zu bestimmten Tätigkeitsfeldern hinweisen würden.4

3.4 Zur beruflichen Identität von Public-Health-Absolvent(inn)en

In der referierten Studie von Lorenz und Pundt (2002) werden vor dem Hintergrund der Leitfadeninterviews auch Ergebnisse zur Frage vorgelegt, als was sich die Absolvent(inn)en von anderen wahrgenommen fühlen und was ihre eigene berufliche Identität ausmacht. Da die Erstqualifikation für das Finden ihrer Stelle den Ausschlag gegeben hat, sehen sich die Absolvent(inn)en durch ihre Umgebung am Arbeitsplatz primär als Angehörige der Berufsgruppe behandelt, deren Mitglied sie durch ihre Erstqualifikation geworden sind. Ihre berufliche Identität erfährt im biografischen Fortgang aber eine Weiterentwicklung. Nach Abschluss der Public-Health-Ausbildung fühlen sie sich „mehr“ als vorher (107), mehr als nur Mediziner(in) oder mehr als nur Sozialarbeiter(in). Die Identifikation mit dem früheren Beruf sei sogar „verwässert“ (107), macht ein Befragter geltend. Positiv wird zudem betont, der berufliche Handlungshorizont habe sich erweitert, nicht zuletzt durch die Übernahme von Funktionen wie jener des „Change Agent“, die im Public-Health-Milieu als Leitbild fungieren. In den Augen der Autor(inn)en bewegt sich das berufliche Rollenverständnis der Befragten vom „traditionellen Bild der Ursprungsdisziplin“ weg, auch gerade im Falle der ehemaligen Mediziner(innen). Diese würden sich gerne als Gesundheitswissenschaftler(innen) wahrgenommen sehen, gelten aber primär als Mediziner(innen) mit Zusatzqualifikationen. Es fragt sich natürlich – so lässt sich einwenden –, wie stark diese Erstidentität gewesen ist. Ein ehemaliger Zahnarzt meint, er sei gar „nie der typische Zahnarzt“ gewesen (Lorenz/Pundt 2002, 109) – was von den Autor(inn)en unkommentiert bleibt.

Zur Frage der Identität lässt sich ein nicht standardisiertes Interview heranziehen, das die Schreibende im Rahmen einer Schweizer Explorationsstudie über den Wandel des Schularztberufs durchführte. Erstes Sichten von empirischem Material lässt eine hohe Komplexität der Identitätsfrage vermuten. Ein Fall, der die Ergebnisse von Lorenz und Pundt relativiert, ist der folgende:

Liselotte Müller hat früher in der Inneren Medizin, der Pädiatrie und auch in der Anästhesie gearbeitet. Später erwarb sie den Master of Public Health. Als Schulärztin identifiziert sie sich wenig mit dem bevölkerungsmedizinisch orientierten Bereich, auf den Schulärztinnen und -ärzten ein Monopol haben (die Reihenuntersuchungen). Sie betont die individualmedizinische Perspektive: „Wir schauen alle an, jeden einzelnen Schüler“. Ja sie legitimiert die Reihenuntersuchungen sogar mit dem Wohl des Einzelnen: In der Reihe gehe der Einzelne, falls er ein Problem hat, unter, und werde dadurch nicht „pathologisiert“. Identitätsstiftend ist vor allem ein bestimmter Bereich innerhalb der Gesundheitsförderung, über den sie eine Nähe zur klinischen Medizin, aus der sie kommt, herstellen kann. Es geht um die individuelle „Beratung“, die Jugendliche freiwillig in Anspruch nehmen können. – Der Satz, sie sei „nie die typische Ärztin gewesen“, ist bei Liselotte Müller undenkbar. Anders als die Mediziner(innen), die Lorenz und Pundt (2002) untersuchten, ist es nicht ihr Wunsch, primär als Gesundheitswissenschaftlerin wahrgenommen zu werden. Sie handelt denn auch gewissermassen als individualmedizinisch orientierte Ärztin im Rahmen einer bevölkerungsmedizinisch organisierten Primärprävention (Reihenuntersuchungen) und Gesundheitsförderung.

4 Interessenspolitik von Public-Health-Absolvent(inn)en und von angestammten Gesundheitsberufen

Es fragt sich, inwieweit Public-Health-Absolvent(inn)en daran interessiert sind, für ihren Platz in der Arbeitswelt zu kämpfen, d.h. Strategien zu entwerfen und zu verfolgen, welche der Verberuflichung dienen könnten. Vor dem Hintergrund der bisher referierten Untersuchungsergebnisse sind solche Initiativen kaum zu erwarten. Schnabel (2006), der sich mit „Gesundheitskommunikatoren“ beschäftigt hat, bezeichnet diese als „eine Berufsgruppe, die sich anschickt, das kommunikative Herstellen und Aufrechterhalten von Gesundheit zum Beruf zu machen“ (127). Es geht um einen Studiengang, der an der Universität Bielefeld seit 2002/2003 einen Bachelor in „Health Communication“ vermittelt, der – vor dem Hintergrund der Ebenenunterscheidung der WHO – verschiedene Qualifikationsprofile mit Blick auf verschiedene Tätigkeitsfelder unterscheidet. Als Reaktion auf das Desinteresse, mit dem gemäss Schnabel auf dem Arbeitsmarkt teilweise zu rechnen ist, empfehlen „Implementationsexperten“, das Von-aussen-Kommen “zum Beruf zu machen“ (Schnabel 2006: 143), eine Empfehlung, der sich der Autor anschliesst, die aber – so ist zu vermuten – bei den Ausbildungsabsolvent(inn)en auf kein Gehör gestossen ist.

Lorenz und Pundt (2002) interessieren sich in der bereits erwähnten Befragung von Berliner Public-Health-Absolvent(inn)en auch für die Frage von Berufsverbänden. Sie stellen fest, dass sich nur wenige Absolvent(inn)en organisieren, auch wenn die Notwendigkeit der Interessendurchsetzung durch einen selbstverwalteten Verband in den Gesprächen mehrfach betont worden sei. Den geringen Organisationsgrad erklären sie damit, dass Public Health bislang kein abgrenzbares Qualifikationsprofil aufweise und dass kein homogenes Arbeitsfeld existiere, aufgrund dessen eine berufliche Gruppenidentität entstehen könnte. Sie zweifeln sogar daran, dass sich in der Zukunft ein spezifisches „Public-Health-Berufsbild“ ausdifferenziert, mit der Begründung, die Einsatzfelder (Forschung ausgenommen) seien zu breit.

Anderes aber gilt für die Gesundheitswirte, mit denen sich Göpel (2006) beschäftigt. Diese scheinen nicht allein nach einer Aufnahme im Beschäftigungssystem zu streben, sondern sich als Beruf etablieren zu wollen. An der Hochschule Magdeburg-Stendal werden in der Ausbildung von Gesundheitswirten Qualifikationen vermittelt, welche die WHO-Ebenen jenseits der Individualebene im Fokus haben, vor allem gesundheitsfördernde Arbeit in Settings wie Schule und Betrieb, aber auch Programmentwicklung für partizipative Formen der Gesundheitsförderung in unterschiedlichen Kontexten des öffentlichen Lebens. Im Mittelpunkt steht die Qualifizierung für ein gesundheitsförderndes „Change Management“ sowie die Planung und Realisierung entsprechender Projekte und Programme (171). Diese Ausbildung, so der Autor, wird vom „Berufsverband für Gesundheitsförderung“ explizit unterstützt. Der Verband ist eine berufspolitische Interessenvertretung von Gesundheitswirten, die am 15. Mai 2004 in Magdeburg gegründet worden ist. Als Hauptanliegen wird auf der Homepage die Schaffung von Transparenz hinsichtlich der Qualifikation der Akteurinnen und Akteure im Feld von Gesundheit und Prävention genannt; dabei konzentriere sich die Arbeit auf die „Etablierung eines einheitlichen Leitbildes für das Berufsfeld eines Gesundheitswirts“ (http://wikipedia.org/wiki/Gesundheitsförderung, 16. April 2013). Dem Anspruch nach, so lässt sich vermuten, soll also auf verbandspolitischem Weg für einen Beruf ‚Gesundheitswirt‘ gekämpft werden, der auf dem Arbeitsmarkt eine gewisse Monopolstellung einnimmt.

Im Public-Health-Bereich lassen sich aber auch andere Sorten von Verbandspolitiken beobachten. Neben dem Interesse, als Public-Health-Expert(inn)en mit einer bestimmten Expertise einen eigenständigen Beruf zu bilden, lässt sich aufgrund der Literatur auch die Existenz einer Strategie vermuten, die darauf zielt, den eigenen, bereits bestehenden Gesundheitsberuf durch die Erweiterung um Public-Health-Elemente anzureichern und attraktiver zu machen. Im Bereich paramedizinischer Berufe gibt es entsprechende Anstrengungen. Borgetto (2010) zufolge strebt der Verband der Ergotherapeut(inn)en in Deutschland an, sich im Bereich Primärprävention und Gesundheitsförderung weiterzuentwickeln und im Sinne der Ottawa-Charta der WHO neu zu orientieren. Ziel ist die „Verankerung der Ergotherapie in der Gesundheitsförderung und Prävention wie auch der Gesundheitsförderung und Prävention in der Ergotherapie“ (208).

Die (angestrebte) Entwicklung der Ergotherapie entspricht dem, was Göpel (2006: 167ff.) für sämtliche bisherigen Gesundheitsberufe für wünschenswert hält und teilweise auch beobachtet. Nachdem in der technisch ausgerichteten bisherigen Medizin, so der Autor, der Aspekt der Unterstützung salutogenetischer Prozesse in der Heiltätigkeit und die Hinwendung zu den sozialökologischen Determinanten der gesundheitlichen Entwicklung „verloren“ gegangen sei, erblicken Angehörige medizinischer Berufe zunehmend eine Chance darin, der salutogenetischen Perspektive Raum zu geben, indem sie die eigene Berufstätigkeit entsprechend ausbauen und damit auch eine „erweiterte berufliche Handlungsperspektive und Verantwortung“ gewinnen. Mit der gesetzlichen Umbenennung der Pflegetätigkeit in „Gesundheits- und Krankenpflege“ (in Deutschland) sei ein erster Schritt in diese Richtung getan. Göpel plädiert – in Anlehnung an seine Deutung der Ottawa Charta – für eine solche Ergänzung in allen Tätigkeitsbereichen, die krankheits- und „defizitorientiert“ ausgerichtet und mit „entsprechend einseitigen Ausbildungen“ der Akteurinnen und Akteure verbunden seien, vom Arzt bzw. der Ärztin bis zum Sachbearbeiter der Krankenkasse (170).

Auch für die Sozialarbeit lässt sich von einer Art Erweiterung um Public-Health-Elemente sprechen. Sozialarbeit ist ein Beruf, der in den letzten Jahrzehnten einen gesellschaftlichen Aufstiegsprozess von der Fürsorge zur Sozialarbeit vollzogen hat. Teilweise und immer häufiger wird dieser im gesellschaftlichen Teilbereich ‚Gesundheitswesen‘ ausgeübt. Mühlum (2006), ein Interessensvertreter der Sozialarbeit, schliesst diese an den Gesundheitsdiskurs an, indem er unter anderem festhält, Sozialarbeit sei „Gesundheitsarbeit“, „sofern sie das Zurechtkommen von Menschen auch unter erschwerten oder limitierenden Bedingungen unterstützt, Wohlbefinden erhöht und ganz allgemein zum gelingenden Leben beiträgt“ (Mühlum 2006: 95). Eine solche Neudefinierung und Anbindung an den Gesundheitsdiskurs – vor allem die Anbindung über das Beitragen zum gelingenden Leben – liesse sich für sehr viele andere Berufe ebenfalls machen, denn die Referenz (die Gesundheit) ist unspezifisch und uneingegrenzt.

Dass der neue Bereich der Gesundheitsförderung spezielle Aufmerksamkeit geniesst und eine Verbindung zu ihm gesucht wird, zeigt sich auch ausserhalb von Gesundheitsberufen (schon die Sozialarbeit ist ein Grenzfall) und ausserhalb des Gesundheitssektor, etwa im Bildungswesen: Zahlreiche Disziplinen und Fächer, die eine gewisse Distanz zum Gesundheitssektor aufweisen und bisher für keinerlei gesundheitsbezogene Tätigkeiten ausgebildet haben, machen neu entsprechende Vertiefungsangebote, etwa das Angebot ‚Gesundheitssport‘ als Spezialisierungsmöglichkeit im Rahmen der Sportwissenschaften, oder das Angebot ‚Gesundheitspädagogik‘ als Spezialisierung im Rahmen der Erziehungswissenschaften (Borgetto/Kälble 2007:, 145).

5 Gesundheitsförderung und berufsbezogene Vergesellschaftung: Zusammenfassende Folgerungen

Im vorliegenden Beitrag wurde danach gefragt, ob überhaupt und inwieweit es soziologisch angemessen ist, im Falle der Gesundheitsförderung bzw. bei Public-Health-Arbeit von ‚Berufen‘ zu sprechen. Dabei wurde die Gesundheitsförderung als eine Form der Bewältigung gesellschaftlicher Aufgaben mit Gesundheitsversorgungsbezug betrachtet, die den Bereich der herkömmlichen Medizin überlagert. Nimmt diese Arbeit jenseits der therapiebezogenen Gesundheitsversorgung Berufsförmigkeit an? Oder entstehen Berufe eines historisch neuen Typs? Zeichnen sich vielleicht auch andere Entwicklungen ab? Die Bedeutung dieser Frage ergibt sich daraus, dass im Beruf langezeit ein zentrales Vergesellschaftungsprinzip der modernen Gesellschaft erblickt werden konnte, sich dies aber seit den 1970er Jahren teilweise zu ändern scheint.

Im Rahmen von konzeptuellen Überlegungen wurde dargelegt, was in der Perspektive einer subjektbezogenen und schliessungstheoretisch inspirierten Berufssoziologie unter ‚Beruf‘ verstanden werden kann, ebenso wurde ein Blick auf die soziologische Debatte über das ‚Ende des Berufs‘ geworfen. Vor diesem Hintergrund wurde die Problemstellung des vorliegenden Beitrags reformuliert. Es geht um die Frage, ob und inwieweit sich im Gesundheitsförderungs- bzw. Public-Health-bezogenen Bereich berufliche Monopolisierungstendenzen mit Blick auf abgrenzbare Bündel von ausbildungsbasierten, spezialisierten institutionalisierten Fähigkeiten ausmachen lassen, die – nicht zuletzt dank berufspolitischen Initiativen – im gesellschaftlichen Arbeitsprozess ihren Einsatz finden. Falls ja, würden entsprechende Akteurinnen und Akteure zudem einen beruflichen Habitus sowie eine berufliche Identität entwickeln und ihre Tätigkeit mit hoher innerer Beteiligung ausüben. Falls nein, fragt sich, welch andere Entwicklungen sich anbahnen.

Ausgehend von Hinweisen auf die Vielfalt an bereits bestehenden Ausbildungs- und Weiterbildungsangeboten im Public-Health- bzw. gesundheitswissenschaftlichen Bereich in Deutschland und der Schweiz wurden verschiedene Studien zu Public-Health-Absolvent(inn)en in Deutschland referiert und um weitere Befunde aus der Literatur ergänzt. Von den Ergebnissen her fällt zunächst auf, dass nicht nur gesundheitswissenschaftliche Weiterbildungen, sondern auch entsprechende Ausbildungen bis hin zur Promotion von solchen Akteurinnen und Akteuren durchlaufen werden, die bereits über eine Erstqualifikation verfügen. Dies jedenfalls gilt für alle Befragten, zu denen Untersuchungen gefunden und hier referiert werden konnten. Public Health kommt unter diesen Bedingungen entweder als Erweiterung im angestammten Gebiet oder als Zweitberuf in Frage (vgl. Streckeisen/Borkowsky 1999). Die Erweiterung im angestammten Gebiet scheint verbreitet zu sein, denn ein Teil der Absolvent(inn)en, über welche Wissen vorliegt, tritt nach Abschluss des Studienganges gar keine neue Stelle an. Falls aber doch ein neuer Arbeitsplatz gesucht wird, lässt sich dieser typischerweise dank der Erstqualifikation finden, jedenfalls sofern sich diese im Denken von Arbeitgebern mit einem definierbaren Profil verbindet (was im Falle der Medizin zum Beispiel gegeben ist, nicht aber im Falle der Soziologie). Eine artikulierte Nachfrage nach Public-Health-Absolvent(inn)en gibt es daher selbst dort nicht, wo diese – so das aus einer Arbeitgeberbefragung gezogenen Fazit – latent existiert. Die Arbeit, welche die Absolvent(inn)en leisten, lässt sich schwer charakterisieren, geht es doch um ein breites Feld mit Schwerpunkten in Forschung/Lehre, in diversen Versorgungsbereichen und in Management/Organisation. Dass die öffentliche Hand oftmals als Arbeitgeber auftritt, kann nicht erstaunen, denn der Aufschwung der Gesundheitsförderung ist wesentlich politischem Willen zu verdanken.

Forschungsergebnisse aus Absolventenstudien, welche die Identitätsproblematik fokussieren, lassen vieles offen. Ob sich die berufliche Identität von Public-Health-Absolvent(inn)en vom Ursprungsberuf wegbewegt, wie in einer Studie geltend gemacht wird, scheint eher fraglich. Corsten (1999) der „Mythen über die Krise des Berufsprinzips“ kritisiert, formuliert die These, dass berufliche Initialisierungen Anschlusspotenziale für alternative berufliche Handlungsfelder enthalten. Er postuliert aufgrund eigener Untersuchungen, dass eine „Elastizität“ (303) und biografische Reflexivität zu einem tragenden Element von Beruflichkeit geworden sei, womit er meint, dass berufliche Initialkompetenzen und Handlungsschemata reflexiv umgearbeitet werden können. Ob und inwieweit bei Public-Health-Absolvent(inn)en so etwas der Fall ist, bleibt bisher offen und müsste tiefergehend untersucht werden.

Festzuhalten ist, dass Public Health als ‚erweiternde‘ Aus- oder Weiterbildung verbreitet ist, dass ein gesellschaftlich institutionalisiertes Bild davon, was eine Gesundheitswissenschaftlerin, einen Gesundheitswissenschaftler qualifikatorisch ausmacht, nicht existiert, dass ausgeübte Public-Health-Arbeit breitgefächert ist und dass sie für die Arbeitenden eine berufliche Erweiterung, nicht aber so etwas wie einen Berufswechsel mit sich bringt.

Angesichts dieser Befunde kann nicht erwartet werden, dass Public-Health-Absolvent(inn)en eine Gruppenidentität entwickeln und gemeinsame berufspolitische Interessen verfolgen. Entsprechende Bemühungen scheint es auch tatsächlich nicht zu geben. Dass die Magdeburger Gesundheitswirte 2004 einen Berufsverband gegründet haben und ein einheitliches Berufsbild aufbauen wollen, erstaunt zunächst, weist aber auch darauf hin, dass Berufpolitik, wenn überhaupt, dann höchstens unterhalb der Ebene von ‚Gesundheitsförderer(innen)-an-sich‘ in einem spezifischen Bereich, etwa dem der Gesundheitswirte, denkbar ist.

Aus dem Gesagten lässt sich die – zu prüfende – These eruieren, dass Gesundheitsförderung in keiner Hinsicht Berufscharakter hat, aber dazu beiträgt, dass Träger(innen) von bereits bestehenden Berufen, insbesondere von herkömmlichen pathogenetisch orientierten Gesundheitsberufen, gleichsam ihren „Individualberuf“ (Voss xy) gestalten können, indem sie ihr Arbeitsvermögen um einen Gesundheitsförderungsaspekt anreichern. Der Initialberuf mag an Bedeutung verlieren, das Prinzip Beruflichkeit aber insoweit kaum, als der Berufsinhaber, die Berufsinhaberin eine anspruchsvolle Tätigkeit anstrebt, die innere wie äussere Perspektiven bietet. Wenn die ‚äussere‘, instrumentelle Seite sich allerdings verselbständigt, mutiert die Individualberuflichkeit zur Selbstvermarktungsstrategie.

Nicht allein bei Individualakteuren mit einem (gesundheitlichen) Erstberuf, sondern auch bei berufspolitischen Kollektivakteuren lässt sich eine Annäherung an die Gesundheitsförderung beobachten. Interessanterweise haben sich im herkömmlichen ‚Zentrum‘ der Gesundheitsversorgung, den therapeutisch ausgerichteten Berufen, Strategien entwickelt, den eigenen, bereits bestehenden, typischerweise als ‚Erstberuf‘ erlernten Beruf durch eine Verbindung mit Public-Health-Aufgaben anzureichern und attraktiver zu machen. Der deutsche Berufsverband für Ergotherapie will die Ergotherapie in der Gesundheitsförderung und die Gesundheitsförderung in der Ergotherapie verankern, Sozialarbeiter(innen) verstehen ihre Arbeit auch als „Gesundheitsarbeit“, oder: Die Pflegetätigkeit in Deutschland ist in „Gesundheits- und Krankenpflege“ umbenannt worden ist. Da die Referenz (Gesundheit, Gesundheitsförderung) unspezifisch und tendenziell grenzenlos ist, lassen sich – dies eine weitere These – Anbindungen an den Gesundheitsförderungstrend für viele bisherige Gesundheitsberufe relativ problemlos herstellen. Sollte diese Entwicklung ihre Fortgang nehmen, wäre die eingangs erwähnte Vermutung bestätigt, wonach mit dem Aufschwung der Gesundheitsförderung nicht etwa der vielbehauptete Paradigmawechsel passiert ist, sondern die herkömmliche Medizin durch salutogenetische Initiativen überlagert worden ist und wird, und dies auch auf der Ebene einzelner Gesundheitsberufe. Die Erweiterung der Ergotherapie um Public-Health-Elemente zum Beispiel entspricht dem Muster des gesundheitsfördernden Krankenhauses, im Rahmen dessen die Überlagerung auf Organisationsebene stattfindet.

Man kann schlussendlich fragen, ob Gesundheitsförderung zu einer Vergesellschaftung qua Beruf beiträgt. Indirekt dürfte dies der Fall sein: Über die Anbindung an Gesundheitsförderung können Träger(innen) von bereits bestehenden Berufen ihre Individualberuflichkeit kultivieren und zugehörige Kollektivakteure (Verbände) ihr Berufsbild erfolgsversprechend anreichern.

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1 Für einen Überblick zu dieser Frage bei Durkheim, Simmel, Weber und Parsons vgl. Bühler 2005, 25-38.

2 Auch ein Grossteil (zwei Drittel) der promovierten Gesundheitswissenschaftler(innen), die Pundt befragte (Pundt 2006), trat nach dem Abschluss keine neue Stelle an, aber das Aufgabenspektrum an der alten Arbeitsstelle erfuhr eine Erweiterung um Public-Health-bezogene Aufgaben,

3 40% der 145 Befragten kamen aus den Sozialwissenschaften inkl. Sozialarbeit, 28% aus der Medizin und 32% aus anderen Bereichen. 78% verfügten vor dem Beginn des Aufbaustudiums über einen Hochschulabschluss und 22% über einen Fachhochschulabschluss.

4 Die Informationen zu „professionellen Rollen“ die in einer Befragung von Göpel (2006) unterschieden und den Befragten vorgelegt wurden, helfen in diesem Zusammenhang kaum weiter. Sie sollen aber nicht unerwähnt bleiben. Der Autor befragte im Jahr 2004 Diplom-Gesundheitswirtinnen und Gesundheitswirte der Universität Magdeburg-Stendal (N = 99) und bat diese, sich einer oder mehreren von vier angegebenen „professionellen Rollen“ zuzuordnen, die in Anlehnung an die Ottawa-Charta unterschieden wurden. Die Absolvent(inn)en nannten als „professionelle Rolle“, die ihrer Tätigkeit entspreche, zu 58% „Change Facilitator“, zu 36% „Enabler“, zu 35% „Advocate“ und zu 24% „Expert“ (Mehrfachantworten waren möglich), 4% antworteten nicht. ProLitteris