Gesundheitsberufe KrankenhausdirektorInnen Schweyer

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François-Xavier Schweyer

Die französischen KrankenhausdirektorInnen im Spannungsfeld von Pflege, Management und Normen1

Abstract

Die Profession der KrankenhausdirektorInnen ist in Frankreich in den 1960er-Jahren entstanden. Sie übte einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklungen des Krankenhaussystems und die Veränderungen des medizinischen Felds aus, indem sie ein Wertesystem vertrat, das auf der sozialen Gleichheit im Zugang zur medi­zinischen Betreuung beruhte. Das neue öffentliche Management verstärkt die externe Kontrolle über die Profession im Wandel. Es ist hierbei jedoch nicht von einer „Deprofessionalisierung“ der KrankenhausdirektorInnen zu spre­chen, sondern vielmehr von Anpassungsstrategien, die auf verschiedenen Lern­pro­zes­sen und auf der Beeinflussung ihres Umfelds basieren.

1. Einleitung

Bei der Untersuchung der Gesundheitsberufe im Wandel spielen die Umstruktu­rierungen der Berufspraxis sowie die Veränderungen der einzelnen Berufsbilder eine zentrale Rolle. Die in der Gesundheitssoziologie lange vorherrschende Auf­fassung des Professionsbegriffs wurde in jüngerer Zeit insbesondere in Frank­reich wichtigen theoretischen Neuerungen unterzogen (siehe etwa Champy 2009, Demazière/Gadéa 2009, Tripier/Boussard 2011). Will die Gesundheitssoziologie zeitgenössische Entwicklungen untersuchen, so können über die bloße Medizin­soziologie hinaus etwa die Organisations- oder Politische Soziologie wertvolle Beiträge liefern. Die AkteurInnen der Gesundheitsprofessionen sind in der Tat mit stetig wachsenden Anforderungen konfrontiert, die ihnen zunehmende tech­ni­sche, qualitative und sicherheitstechnische Leistungen abverlangen und so die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsfelder von Medizin, Technik und Ver­waltung nötig machen. Das Einbetten der medizinischen Leistungen in ein ratio­nalisiertes Arbeitsmanagement führt zur Neudefinierung der Arbeitsteilung und zum Entstehen neuer Berufsbilder, die Perspektiven für zahlreiche professionelle Personen im Gesundheitsbereich bieten.

Meine bisherigen Forschungsarbeiten konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Zusammenhänge zwischen den dem Berufsfeld immanenten Prozessen und der staatlichen Gesundheitspolitik. Die Untersuchung von verschiedenen Profes­sionen des Gesundheitswesens (AllgemeinmedizinerInnen, Krankenhausdirekto­rInnen, Hebammen, Krankenschwestern und -pfleger, medizinische Fachinge­nieurInnen etc.) hat hierbei gezeigt, dass sich deren Arbeit im Spannungsfeld von Pflege, Organisation und Normen verändert. Dieser Wandel soll hier am Beispiel der KrankenhausdirektorInnen in Frankreich beschrieben werden.

Die 3.500 französischen KrankenhausdirektorInnen sind mehrheitlich in den 960 öffentlichen Krankenhäusern tätig, darunter 31 Universitätskliniken und 90 psy­chiatrische Klinken. Der Beamtenstatus der KrankenhausdirektorInnen kann nur über eine staatliche Zulassungsprüfung erlangt werden. Die Privatkliniken (davon 734 gemeinnützige und 1.051 erwerbswirtschaftliche) werden von Ärz­tIn­nen geleitet, die sich von ManagerInnen beraten lassen. Die öffentlichen Krankenhäuser stellen zwar nur ein Drittel aller Einrichtungen, aber zwei Drittel der 427.000 Betten und der 60.500 ambulanten Plätze. Die medizinische Elite Frankreichs ist in den öffentlichen Universitätskliniken tätig.2 Die öffentlichen Kran­kenhäuser bieten der gesamten Bevölkerung Zugang zur medizinischen Be­treuung, sowohl geografisch (Streuung über das gesamte Gebiet) als auch finan­ziell gesehen (Betreuung der prekarisierten Bevölkerungsschichten). Die Kran­ken­hausdirektorInnen arbeiten Hand in Hand mit den ÄrztInnen, den Gesund­heitsberufen, der Gesundheitsverwaltung, den Patientenvereinigungen und den Medien.

Zunächst möchte ich auf die Rolle der KrankenhausdirektorInnen bei den Ver­änderungen des zeitgenössischen Krankenhaussystems eingehen. Im Anschluss soll die Analyse der Entstehungsprozesse dieser Profession den Wandel der „me­dizinischen Welt“, nach Nicolas Dodier (2003), veranschaulichen. Dodier be­schreibt letztere sowohl als ein professionelles Bezugssystem, das über die reine Medizin hinausgreift, als auch als Raum der politischen Arbeit der verschiedenen Akteure, um neue Machtverteilungen zu problematisieren und zu definieren. Schließlich soll anhand der Auswirkungen der aktuellen Reformen in den öffent­lichen Krankenhäusern die These der „Deprofessionalisierung“ hinterfragt wer­den.

2. Die Rolle der KrankenhausdirektorInnen im Modernisierungsprozess des Krankenhauses

Kann man im Fall der KrankenhausdirektorInnen wirklich von einem Gesund­heitsberuf sprechen? Gewiss handelt es sich hier nicht um einen Pflegeberuf, son­dern um Management und Organisation der medizinischen Betreuung. Die Entwicklungen des Krankenhauses gehen nicht allein auf die MedizinerInnen zurück, sondern auf eine politische Mobilisierung der Krankenhausakteure, die durch das Entstehen neuer Berufsfelder noch weiter gefördert wurde. Die Kran­kenhausdirektorInnen spielten in Frankreich eine wichtige Rolle bei der Moder­nisierung und Medikalisierung des öffentlichen Krankenhaussystems, insbeson­de­re von 1950 bis 1980: zunächst durch das Anheuern von ÄrztInnen, deren Interesse an der Arbeit im Krankenhaus durch attraktive Arbeitsbedingungen geweckt werden musste (die Vollzeitbeschäftigung im Krankenhaus wurde in Frank­reich für die ÄrztInnen der Universitätskliniken erst 1958, für Krankenhau­särztInnen 1964 eingeführt). Dann veranlassten sie die Ausbildung von parame­dizinischem Personal, welches vorher nur in kleiner Zahl und schlecht ausgebil­det zur Verfügung stand. Der offizielle Status, der 1955 dem Personal der öffent­lichen Krankenhäuser verliehen wurde, machte eine entsprechende Qualifikation zur unumgänglichen Zulassungsbedingung. Doch nun stellte sich das insbeson­de­re bei den Krankenschwestern und -pflegern bekannte Dilemma zwischen ei­ner massiven Einstellungspolitik und einer profunden Ausbildung des Perso­nals. Die KrankenhausdirektorInnen engagierten sich hierbei umfassend für den Auf­bau paramedizinischer Ausbildungsstätten und für die Ausbildung des Personals und insbesondere der leitenden Krankenschwestern und -pfleger, denen sie die not­wendigen organisatorischen Verantwortlichkeiten zudachten (Schweyer 2000).

Doch die KrankenhausdirektorInnen übten nicht nur einen organisatorischen oder verwaltungstechnischen Einfluss aus, sie trugen auch aktiv zum Wandel der Normen der Krankenhausarbeit bei. Lange Zeit waren KrankenhausärztInnen in der Tat selbständig tätige ÄrztInnen, die in ihrer Praxis einen privaten Patienten­stamm behandelten und im Krankenhaus die Ärmsten der Bevölkerung versorg­ten. Bis 1941 waren öffentliche Krankenhäuser den Armen vorbehalten, während die gehobeneren Schichten in Privatkliniken versorgt wurden. Nachdem die öf­fentlichen Krankenhäuser allen Gesellschaftsschichten zugänglich gemacht wor­den waren (per Gesetz von 1941, das sich im Alltag jedoch nur sehr zögerlich im Laufe der 50er-Jahre durchsetzte), mussten sich die Normen der medizinischen Arbeit der neuen Lage anpassen. Dies warf zwei Probleme auf. Zum einen bestand weiterhin die Unterscheidung zwischen reichen Kranken in der Klinik und armen Kranken im Krankenhaus, wenn ein und derselbe Arzt (oder Ärztin) in beiden Strukturen praktizierte. Zum anderen waren die Behandlungsnormen in den öffentlichen Krankenhäusern weniger auf den Respekt der Kranken ausge­richtet. Die sukzessive Verbesserung der Umstände zog sich lange hin und ging nicht ohne Konflikte vonstatten. Hierbei vermittelten die KrankenhausdirektorIn­nen zwischen der öffentlichen Meinung, die eine bessere Behandlung der Kran­ken einforderte (Pressemeinungen, Skandale), und den ÄrztInnen. Sie verordne­ten etwa bestimmten ChirurgInnen die Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen zur Anästhesie im Operationssaal und rekrutierten Pflegepersonal nach reinen Kompetenzkriterien statt nach dem von einigen ÄrztInnen angewandten Prinzip der Kooptation und Günstlingswirtschaft. In den meisten Krankenhäusern fiel den DirektorInnen auch eine politische Rolle zu. Die Neuorientierung der öffent­lichen Krankenhäuser vom Hospiz zur medizinischen Behandlungsstätte wurde als Konkurrenz für die Privatkliniken und als Verstoß gegen die bestehende Ord­nung aufgefasst. Die KrankenhausdirektorInnen, die den republikanischen Wert der Gleichheit im Zugang zu einer qualitativ hochwertigen medizinischen Betreuung vertraten, wirkten in diesem Sinne als MoralunternehmerInnen (Schweyer 2006). Die Festlegung neuer Krankenhausrichtlinien und die Verbrei­tung progressistischer Wertvorstellungen (gleicher Zugang für alle) trugen dazu bei, dass sich der medizinische Professionalismus veränderte und sich einem or­ganizational professionalism (Evetts 2003) annäherte. In gewisser Weise haben die KrankenhausdirektorInnen auf die teilweise Einbindung der medizinischen Profession in den Sozialstaat hingewirkt und somit auf den Wandel der profes­sio­nellen Legitimitätsformen (was noch heute von den freiberuflich prakti­zierenden ÄrztInnen abgelehnt wird).

Diese normativen Änderungen kommen aus wenigstens zwei Gründen nur selten zur Sprache. Zum einen ist die öffentliche Interessenvertretung der Kran­kenhausärztInnen sehr gespalten, was zur Folge hat, dass die in der französischen Ärzteschaft immer noch sehr präsente Identität der selbständigen ÄrztInnen (Hassenteufel 1997) als körperschaftsbestimmender symbolischer Zusammenhalt bestehen bleibt und im öffentlichen Diskurs dominiert. Die vielfachen Anpassun­gen, Kompromisse und Abänderungen jedoch, die die Arbeit auf dem Terrain erforderlich macht, werden verschwiegen und nicht öffentlich thematisiert. Zum anderen betreffen diese normativen Änderungen Tätigkeitsbereiche, die nicht der klassischen Vorstellung von der professionellen Arbeit entweder als „angewandte Wissenschaft“ oder als Bestandteil einer spezifischen Profession bzw. ihres Kompetenzbereichs (jurisdiction nach Abbott 1988) entsprechen. So wurden die ÄrztInnen von den KrankenhausdirektorInnen etwa dabei unterstützt und manch­mal dazu gezwungen, Tätigkeiten aus dem Bereich des Managements auszuüben und an der Koordinationsarbeit zur Planung der langfristigen Betreuung der Kranken mitzuwirken (Strauss 1992).

3. Die Gründung einer neuen Profession

Die Untersuchung der sozioprofessionellen Gruppe der KrankenhausdirektorIn­nen zeigt, dass der Staat die Grundlagen für die Entstehung einer neuen Professi­on geschaffen hat, die sich mit Claude Dubar und Pierre Tripier (1998) als pro­fession statutaire definieren lässt. Diese typisch französische Form der struktu­rellen und normativen Ordnung der Beruflichkeit entspricht dem „staatlichen Korporatismus“, den D. Segrestin (1985) anhand von vier Regulierungsprinzipi­en definiert: Festlegung von Regeln der Zulassung und der Sicherung von Stelle und Karriere; soziale Integration des Berufsstands durch die Ideologie der „Gemeinnützigkeit“; Institutionalisierung der öffentlichen Interessenvertretung und der professionellen Netzwerke; Tendenz zur Ausweitung der Handlungsbe­reiche. Dieses Modell steht unter staatlicher Kontrolle und gehorcht somit nicht dem Prinzip der Berufsautonomie. Die KrankenhausdirektorInnen haben ihr Handlungskompetenzmonopol und ihre Legitimität auf ihren Status, nicht auf ein spezifisches Expertenwissen gegründet.

3.1 Der Entstehungsprozess der Profession

Der Verlauf der Entstehung dieser Profession kann im Sinne von Andrew Abbott (1988) narrativ dargelegt werden. Die Funktion der KrankenhausdirektorInnen wurde 1941 mit dem Gesetz geschaffen, das das öffentliche Krankenhaus allen Gesellschaftsschichten zugänglich machte. Das Hospiz war bis dahin nur den Armen zugedacht und unterstand der kommunalen Verwaltung. Diese neue Funktion der KrankenhausdirektorInnen reflektiert die „Rückwendung zum Staat“ im Bereich der Gesundheitsfragen.3 So wurden die ersten DirektorInnen von den örtlichen Präfekturen4 unter den erfahrenen BeamtInnen ausgewählt und nach und nach aus dem Pool der jungen HochschulabsolventInnen (oft Jura) ernannt. Diese neuen VerwalterInnen der Krankenhäuser erlangten lokale Ent­scheidungsmacht mithilfe von drei staatlichen Maßnahmen: 1) Der Kontenrah­men von 1953 ermöglichte es ihnen, sich von der traditionellen Buchführung der Notabeln und lokalen VolksvertreterInnen (BürgermeisterInnen) zu emanzipie­ren; 2) die Direktive von 1955 stellte das Krankenhauspersonal unter staatliche Verantwortlichkeit und verpflichtete zur Einstellung von qualifiziertem Personal; 3) die nullprozentigen Darlehen der staatlichen Krankenversicherung boten den Krankenhäusern den nötigen finanziellen Handlungsspielraum, um moderne Gebäude zu errichten und die Krankenhäuser mit medizinischen Gerätschaften auszustatten. Die KrankenhausdirektorInnen haben so ein neues Berufsbild und ein spezifisches Handwerkszeug (Verwaltungsregeln, technische Normen etc.) ent­wickelt.

Obwohl die DirektorInnen innerhalb ihrer Einrichtungen oft isoliert arbeite­ten, formierten sie nach und nach eine berufsständische Gruppe. Verschiedene Elemente kamen hierbei zum Tragen. Zunächst entstand das Gefühl, mit ver­gleichbaren Mitteln zu arbeiten, da die modernisierten Krankenhäuser einander mehr und mehr glichen. Hinzu kam die gemeinsame Ausbildung an einer spezia­lisierten Fachhochschule. Die Ausbildung, die nach der Zulassungsprüfung erfolgt, wurde 1958 obligatorisch (ein Jahr schulische Ausbildung, gefolgt von zwei Assistenzjahren im Krankenhaus). Diese Hochschule verlieh den jungen DirektorInnen professionelle Identität und ein Gefühl der Zugehö­rigkeit zu einer Zunft, das durch einen neu entstandenen Interessenverband ver­stärkt wurde (das Syndicat national des cadres hospitaliers SNCH). Die Direkto­rInnen setzten sich tatkräftig für eine massive Einstellungspolitik ein, um ihren Berufsstand zu ver­größern (zwischen 1960 und 1990 stieg die Zahl der DirektorInnen von 1.000 auf 4.000). Sie organisierten die Schließung ihres Arbeitsmarkts durch die zentrale Zulassungsprüfung und profilierten sich als dominierende Körperschaft der Krankenhausverwaltung, indem sie sich mittels eines lokal geführten Manage­ments der leitenden Positionen ihrer Einrichtung (PflegedienstleiterInnen, medi­zinische FachingenieurInnen, sogenannte cadres de santé, leitende Angestellte der Gesundheitsberufe) die Autorität über die Kar­riereentwicklungen des Perso­nals sicherten. Bis zu den 80er-Jahren definierten sich die Krankenhausdirekto­rInnen als LokalunternehmerInnen im Öffentlichen Dienst und bildeten zumeist ein Bündnis mit der Ärzteschaft, um eine gewisse Entscheidungsfreiheit gegen­über den staatlichen Stellen behaupten zu können. In den 90er-Jahren passten sie sich der rapide ansteigenden Regulierung durch den Staat an, indem sie ihre stra­tegischen Kompetenzen ausweiteten und ihre Hand­lungsmacht gegenüber der Ärzteschaft vergrößerten. 1991 verlieh ihnen ein Ge­setz das Entscheidungsmo­nopol über die Einstellungspolitik, die Strategie der Pflegeangebote usw.

3.2 Eine Profession à la française

Die Entstehung und Entwicklung des Berufsstands der KrankenhausdirektorIn­nen bietet ein gutes Beispiel für das Professionsmodell à la française im Ge­sundheitswesen. Der Staat spielt hier eine entscheidende Rolle: Er delegiert die Verwaltung des öffentlichen Handelns an kompetente Berufsstände, die über Ex­pertenwissen oder Handlungsmethoden verfügen, mit denen sie auf jedes große gesellschaftliche Problem reagieren können (Jobert 1990: 159). Die Pro­fession der KrankenhausdirektoInnen veranschaulicht ebenso die konstitutive Rolle, die das republikanische Korporationssystem im französischen Sozialstaat spielt. Meine Herangehensweise ähnelt der Politischen Professionssoziologie Andrew Abbotts, und das Konzept der „verbundenen Ökologien“ (linked ecologies) könnte hier zur Erklärung der Bündnisstrategien der KrankenhausdirektorInnen herangezogen werden, die diese mit dem Ziel, ihren Handlungsraum zu sichern, teils mit der Ärzteschaft, teils mit der Politik, teils mit leitenden Angestellten oder FachingenieurInnen entwickeln. So wussten die KrankenhausdirektorInnen beispielsweise stets von der Schaffung neuer Berufsbilder in ihrem Umfeld zu profitieren. In dieser Hinsicht bieten die PflegedienstleiterInnen (infirmiers généraux, seit 2002 directeurs des soins), deren Funktion 1975 festgeschrieben wurde, ein interessantes Beispiel (Schweyer 1993). Hierbei handelt es sich um ein Zugeständnis des damaligen Gesundheitsministers an die protestierenden Krankenschwestern und -pfleger, das diesen ein eigenes „professionelles Gebiet“ zuerkannte (die Krankenpflege) und mit der Einführung einer leitenden Instanz (Pflegedienstleitung) neue Karriereaussichten innerhalb des öffentlichen Kran­kenhauses schuf (Acker 1995). Die KrankenhausdirektorInnen sprachen sich zwar gegen die Einrichtung einer leitenden Position innerhalb des Berufsstands der Krankenschwestern und -pfleger aus, da sie befürchteten, die Kontrolle über die Pflegeteams zu verlieren. Doch förderten sie andererseits die Verteilung ver­waltungstechnischer Tätigkeiten und werteten Aufgabe und Praxis der „ge­schäftsführenden Rationalisierung“, also den „organisationellen Professionalis­mus“, auf. Somit haben die KrankenhausdirektorInnen aktiv zur Umgestaltung des Berufsbilds der Krankenschwester bzw. des Krankenpflegers beigetragen – oder zumindest an der Festigung einer neuen Form des Professionalismus mitge­wirkt, die Planungs- und Verwaltungskompetenzen mit einschließt (Chéron­net/Gadéa 2009).

Auch das Beispiel der Einstellungspolitik der medizinischen FachingenieurIn­nen (ingénieurs hospitaliers) ist aufschlussreich. Die Modernisierung der Kran­kenhäuser und der technischen Geräteschaften machte die Entstehung „neuer“ technischer Berufe, wie etwa des ingénieur hospitalier, notwendig. Die Kranken­hausdirektorInnen versuchten, eine technische leitende Position einzu­richten, die der ihren unterstellt sein sollte, um eine direkte Führungskonkurrenz zu vermei­den. In diesem Sinne wurden zum einen die IngenieurInnen aus weni­ger renom­mierten Hochschulen angeworben und oft KandidatInnen mit begrenzten Ambi­tionen ausgewählt, denen dann Stellen als TechnikerInnen zugewiesen wur­de; zum anderen machten die Marktentwicklungen die Einstellung bestimmter Inge­nieurInnen (InformatikerInnen) außerhalb der berufsständischen Regeln erfor­derlich. Dies mag zur Erklärung der Tatsache beitragen, dass diese Fachingenieu­rInnen sich nicht als eigene „Profession“ und somit als „dritten Weg“ zwi­schen medizi­nischem Bereich und Verwaltung organisiert haben (diese Idee wur­de, wenn auch ohne Erfolg, in den Vereinigten Staaten der 70er-Jahre verfolgt), son­dern dass sie sich innerhalb einzelner Berufe zusammengeschlossen haben. Des Wei­teren ist der Berufsstand der FachingenieurInnen in Frankreich stark weib­lich dominiert, und obwohl die gesetzliche Gleichstellung zwischen Männern und Frauen in den öffentlichen Krankenhäusern gewährt ist, kommt auch hier das Phänomen der gläsernen Decke zum Tragen und nur selten erlangt eine Frau eine Führungsposition. Einige IngenieurInnen können Mitglied des Direktions­komitees sein, doch bleibt ihnen die Einrichtungsleitung versperrt, es sei denn, sie qualifizieren sich im Vorfeld als KrankenhausdirektorInnen (Metzger/ Schweyer 2006).

4. Führen die aktuellen Reformen zu einer Deprofessionalisierung?

Im Laufe der letzten vierzig Jahre haben die KrankenhausdirektorInnen einen einflussreichen Berufsstand gebildet, der ihnen nun, mittels einer verstärkten Vertretung ihrer Interessen, einen vorteilhaften Status und symbolische Anerken­nung in Form des Zugangs zu einem hohen öffentlichen Amt bietet. Der Prozess ihrer Professionalisierung entsprach der sukzessiven Integration eines techni­schen Berufsbilds in die Verwaltungssysteme.5 Doch gerade als die Handlungs­macht der Körperschaft der KrankenhausdirektorInnen schließlich allgemein an­erkannt wurde, wurde das korporative System der Professionen angegriffen. Die französische Staatsreform wird seit den 80er-Jahren umgesetzt (Bezes 2009) und tritt seit 2007, nach einer Wendung zum Neoliberalismus, verstärkt in Kraft. Das Land scheint einer Art De-Legitimierung der klassischen Formen des kollek­tiven Handelns der Professionellen beizuwohnen.

4.1 Schwächung der traditionellen Regulierungsformen

Als die KrankenhausdirektorInnen 2005 einen prestigeträchtigen und vorteilhaf­ten Status erlangten, der dem eines hohen öffentlichen Amts in nichts nachsteht, haben sie diesen jedoch mit dem teilweisen Verlust ihrer professionellen Unab­hängigkeit bezahlt: Die DirektorInnen der 200 größten Krankenhäuser unterste­hen von nun an unmittelbar der Regierung, und ihre Stellen stehen auch anderen Professionellen offen (nach dem System der emplois fonctionnels). Die Befähi­gung zur bis dahin real funktionierenden, wenn auch paritätisch ausgehandelten Selbstregulierung der Körperschaft wird dadurch gemindert. Generell wandeln sich die Beziehungen zwischen Staat und Professionen, und das französische Korporationsmodell als System der gemeinsamen Regulierung wird abge­schwächt. E. Freidson (2001) hat dieses Phänomen der professionellen „deregu­lation“ untersucht, das sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene zu be­obachten ist. Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil im Fall Bur­baud6 das Handlungskompetenzmonopol der französischen Krankenhausdirekto­rInnen für hinfällig erklärt. Auf anderer Ebene hat die Gesundheitsreform die Handlungsautonomie der DirektorInnen eingeschränkt, die staat­lichen Behörden der Agences régionales de santé steuern die Strategie der Kran­kenhäuser seit 2010, und die Qualität der Pflegeleistungen wird von den zustän­digen Gesund­heitsämtern evaluiert. Allgemein ist festzustellen, dass die Hand­lungsautonomie der KrankenhausdirektorInnen, wie auch die der ÄrztInnen, mehr und mehr krankenhausfernen betriebswirtschaftlichen Normen unterworfen wird und die Veränderungen der Gesundheitspolitik auch das Handlungsreper­toire der Kran­kenhausdirektorInnen umgestalten. Mit einiger Verspätung zu den angelsächsi­schen Ländern setzen sich auch in Frankreich die Regeln des New Public Mana­gement durch und treffen insbesondere die Akteure des Gesund­heitswesens, de­ren Tätigkeiten von öffentlichen Geldern abhängig sind. Die Gesundheitsberufe (im weitesten Sinne) müssen Rechenschaft über ihre Aktivitä­ten ablegen (ac­countability), ihre Arbeit wird von Verwaltungsstellen evaluiert, die gleichzeitig eine gewisse Kontrollfunktion ausüben, indem sie den Ausüben­den oft vertrag­lich festgelegte Prioritäten und Ziele setzen. So kommt man nicht umhin festzu­stellen, dass die Neuorganisierung des Staatsapparats eine erhöhte Kontrolle der Verwaltung über die professionelle Arbeit mit sich bringt. Auch ist zu beobach­ten, dass sich die Tendenz verstärkt, Tätigkeiten über ihre Organisati­on und typi­schen Arbeitssituationen zu definieren. Das Konzept des „Metiers“ soll diese Entwicklung zur Spezialisierung und Individualisierung der Tätigkei­ten rechtfer­tigen. Verschiedene Berufsgruppen (etwa Krankenschwestern und -pfleger sowie auf Krankenhaushygiene spezialisierte ÄrztInnen) können so das gleiche Metier ausüben, mit demselben „Stellen- und Anforderungsprofil“. Andererseits müssen die Professionellen in ihrer Arbeit die mit dem zuständigen regionalen Gesund­heitsamt vertraglich festgesetzten Ziele erreichen, was wieder­um die professio­nelle Autonomie einschränkt und die Ausübenden unter starken Leistungsdruck setzt (Boussard/Demazière/Milburn 2010). Ist hier von einer Deprofessionalisie­rung zu sprechen? Im Fall der leitenden Krankenschwestern und -pfleger identi­fizieren Isabelle Féroni und Anémone Kober-Smith (2005) eine solche anhand des Autonomieverlusts und der ständigen Bedrohung der berufsständischen Ein­heit durch die Koexistenz von medizinischem Fachwissen und Managementkom­petenzen. In seinem kürzlich erschienenen Buch zum New Public Management im Krankenhaus bezeichnet Nicolas Belorgey die Kranken­hausdirektorInnen als Mittelspersonen zwischen Obrigkeit und Pflegenden und reduziert ihre Aufgabe damit auf eine reine Vermittlerfunktion.

4.2 Strategie und Widerstand der KrankenhausdirektorInnen

Diese Deprofessionalisierungsthese scheint mir jedoch die aktuellen berufsstän­dischen Umbrüche nur ungenügend zu erfassen. Für den Fall der Di­rektorInnen ist meines Erachtens vielmehr die These aufzustellen, dass die Re­for­men ihre Le­gitimität und Macht noch vergrößern. Das Beispiel der Schaffung des Profils des Attaché d’administration hospitalière, einer höheren verwaltungs­technischen Po­sition, im Jahre 2002 macht deutlich, dass die Direk­torInnen in der Tat keine pas­siven Rädchen im Getriebe der staatlichen Gesund­heitspolitik sind. Im Rahmen der Staatsreform wollte die öffentliche Verwaltung die Mobilität ihrer BeamtIn­nen innerhalb des Staatsapparats fördern.7 Im Staats­dienst und im Öffentlichen Dienst auf territorialer Ebene waren solche „At­ta­chés“ üblich, nicht jedoch im Öffentlichen Dienst im Krankenhaus. Die Strate­gie der DirektorInnen bestand nun darin, die Reform zweckzuent­frem­den und diese neu entstandene Position zur Honorierung lokaler leitender Ver­wal­tungsangestellter kurz vor der Rente zu nutzen. Damit bewirkten sie, dass die bestehende Krankenhauskultur und das in­terne Aufstiegssystem bewahrt blie­ben und zogen somit schlussendlich einen großen lokalen Nutzen aus einer Re­form, die die Förderung von präzis umschrie­benen und für allen Personen zu­gäng­lichen „Metiers“ zum Ziel hatte. Dieses ers­te Beispiel zeigt, dass die Mit­glieder einer Profession durchaus in der Lage sind, externen Weisungen verschie­dene For­men des Widerstands und der Umfunktio­nierung entgegenzusetzen, mit de­nen sie selbst zur aktuellen Umgestaltung ihrer Profession beitragen.

Die Restrukturierung der Krankenhäuser bietet hierfür ein zweites Beispiel. Wie die Ergebnisse eines Forschungsprogramms zeigen, wurden die offiziell ge­setzten Ziele einer Neuordnung des Pflegeangebots nicht erreicht. Der Ge­sund­heitsminister warf den KrankenhausdirektorInnen ihre „Ablehnung jeglicher Veränderung“ vor, doch bei genauerer Betrachtung treten durchaus Veränderun­gen zutage: Die KrankenhausdirektorInnen hatten eine pragmatische, der aktuel­len Lage angepasste Strategie der Umgestaltung der Krankenhäuser angewandt (Mossé/Paradeise 2003)8, ohne hierbei die offiziellen Ziele umzusetzen, die ihnen ungeeignet schienen; sie nutzten also ihre Handlungsautonomie, um als ineffizient erachtete Ziele und Kontrollnormen zu umgehen. Die Effizienz der staatlichen Kontrolle und Regulierung hängt also in weiten Teilen davon ab, wie und in welchem Ausmaß die Normen von den lokalen AkteurInnen angenommen und in der Organisation der Arbeitspraxis umgesetzt werden. Jean-Daniel Rey­naud unterstreicht, dass die Legitimität des kollektiven Handelns dadurch be­dingt ist, wie sinnvoll die konkreten Verfahren der Maßnahmen sind. Hierbei können die AkteurInnen diese Verfahren je nach Ausprägung ihrer Fähigkeit, Deu­tungsspielräume für sich zu nutzen und kollektiv zu lernen, ihren eigenen Vor­stellungen anpassen. Das neue öffentliche Management stellt also die in der Ver­gangenheit entstandenen Professionsmodelle auf die Probe, wenn auch noch nicht zu bestimmen ist, ob es diese vollständig abschafft – zu komplex sind die Wechselbeziehungen in der Arbeit und zu vielschichtig die professionellen Tätig­keiten. Innerhalb der Einrichtungen verleihen die alltäglichen Interaktionen mit der Ärzteschaft den DirektorInnen eine gewisse Macht, und ihre Fä­higkeit, auf diversen Tätigkeitsfeldern zu arbeiten, begründet ihren Expertensta­tus. Die Re­formen mögen also zwar eine gewisse Form des autonomiebasier­ten Professiona­lismus schwächen, doch die Profession der KrankenhausdirektorIn­nenen hat in keinster Weise ihre gesellschaftliche Legitimität eingebüßt.

4.3 Dynamik und Lernprozesse der Profession

Die aktuellen Umwälzungen stellen die normative Auffassung von Professionali­sierung infrage. So legt die Studie von Johnson, Larkin und Saks (1995) an­schaulich die Verhandlungen zwischen Staat und Gesundheitsberufen und die da­mit verbundenen Machtspiele dar. Auf mikrosoziologischer Ebene macht auch meine Untersuchung zu den im Krankenhaus tätigen FachingenieurInnen deut­lich, dass zum Verständnis der professionellen Autonomie (die sich hier nicht nur auf die Selbstkontrolle der großen Professionen beschränkt) die interrelationalen Netzwerke innerhalb der Akteursgruppe mit einbezogen werden müssen. Im Rahmen dieses Forschungsprojekts analysierte ich die Tätigkeiten der Fachinge­nieurInnen bei der Betreuung der krankenhaustechnischen Ausstattung und ihrer Bedienung (Schweyer/Metzger 2005), das heißt, der gesamten biomedizinischen Geräteschaft (vom Scanner zur Spritze über den Sauger und den Dialyseapparat), des nötigen technischen Umfelds sowie des Personals, das die Apparate steuert. Die fehlende technische Ausbildung der meisten ÄrztInnen erklärt die schwierige Integration der biomedizinischen FachingenieurInnen in die Krankenhäuser. Vie­le ÄrztInnen hatten keine klaren Vorstellungen von dem realen Nutzen von Fach­ingenieurInnen für sie; nur wenige hatten ein Bedürfnis nach technischer oder methodischer Unterstützung. Die KrankenhausdirektorInnen hingegen pochten schon sehr früh auf das nötige Know-how für die Bedienung der technologischen Innovationen sowie auf die Eingrenzung der entsprechenden Kosten. In der Un­tersuchung konnte ich drei Figurationstypen des technischen Systems – verstan­den als vorübergehend stabiles Ensemble an Beziehungen zwischen Professio­nellen mit dem gemeinsamen Ziel, die verschiedenen Dimensionen der techni­schen Objekte zu beherrschen – herausbilden. Es handelt sich hier um Figuratio­nen im Sinne von Norbert Elias, also um lokale Lösungsansätze der AkteurInnen, um das bestehende System unter Beachtung der vorhandenen Einschränkungen und Anforderungen relativ effizient zu machen. Diese Figurationen habe ich an­hand dreier Elemente herausgearbeitet: die kulturelle Nähe bzw. Distanz zwi­schen ver­schiedenen Berufsständen, die Ausprägung ihrer Zusammenarbeit bzw. ihres Konkurrenzverhältnisses im Beherrschen einer der Dimensionen der ange­wandten Technologie (Bildgebung, Biologie etc.) sowie das Ausmaß der organi­sationellen Interdependenz zwischen den Berufsständen. In diesem Sinne deter­minieren weder die Eigenschaften der technischen Geräteschaft noch die ver­schiedenen Strategien der einzelnen Berufsstände oder die fachlichen Unter­schiede die Figurationen der technischen Systeme, sondern vielmehr die Prozes­se des kol­lektiven Lernens.

Das Konzept des kollektiven Lernens wurde von J.-D. Reynaud (1993) im Rahmen seiner These eingeführt, dass „individuelle Lernprozesse nur dann ziel­führend sein können, wenn sie miteinander verbunden sind. Die meisten Regeln machen nur dann Sinn, wenn es gemeinsame Regeln sind. Die Entscheidungen zur Annahme dieser Regeln müssen in gegenseitiger Abhängigkeit zueinander getroffen werden.“ Die DirektorInnen, ÄrztInnen, IngenieurInnen und Pflege­dienstleiterInnen sind alle mehr oder weniger Teil dieses kollektiven Lernprozes­ses, der einiges Konfliktpotential birgt. Die selbst initiierten Umge­staltungen der Organisationen haben nicht immer automatisch auch eine Weiter­entwicklung der Kompetenzen zur Folge, da einzelne Elemente der alten Regu­lierungsform (Wer­te, Normen, Interessen, Kenntnisse etc.) dem entgegenstehen können. Die pro­fessionelle Legitimität der DirektorInnen hängt in Teilen von der Qualität der je­weiligen Regulierungsformen der einzelnen Kollektive ab, welcher damit eine ent­scheidende Rolle zukommt. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass die Profes­sionellen innerhalb komplexer Handlungssysteme die Macht miteinan­der teilen müssen. Auch hat sie verdeutlicht, dass mit der zunehmenden Komple­xität der Arbeitsteilung immer neue Handlungssituationen im Arbeitsalltag der Professio­nellen entstehen. Auf dem Gebiet der krankenhaustechnischen Ausstat­tung be­schreiben die drei Figurationstypen einen weit gefassten Raum an mögli­chen Si­tuationen, in denen die technischen oder juristischen Kompetenzen eines einzi­gen Berufsstands nicht ausreichen, um die auftretenden Probleme zu lösen. Die Realität dieser vielschichtigen Handlungsräume bringt die Professionen ins Wan­ken und macht neue Kompetenzen, insbesondere Schnittstellen- und Teamar­beitskompetenzen, notwendig.

5. Schlussfolgerungen

Die hier dargestellte Analyse schreibt sich in den spezifischen nationalen Kon­text Frankreichs ein, dessen Gesundheitssystem in vielerlei Hinsicht hybrid ist. Die Untersuchung zu den KrankenhausdirektorInnen beleuchtet die Umgestal­tung der gesundheitlichen Arbeit, die mehr und mehr vom Staat aufgefangen und somit dessen Kontrollverfahren unterworfen wird. Ebenso veranschaulicht sie die sowohl zahlenmäßige als auch inhaltliche Diversifizierung der Gesundheits­berufe und zeigt die Einflüsse der technischen Entwicklungen und des Staats in diesem Wandel. Des Weiteren habe ich verdeutlicht, weshalb eher von professio­nellen Umgestaltungen als von Deprofessionalisierung zu sprechen ist. Ohne die Schwierigkeiten zu vernachlässigen, denen zahlreiche Professionelle des Ge­sundheitswesens ausgesetzt sind, oder die Herausforderung zu unterschätzen, die diese Umbrüche der Arbeitsbedingungen, der öffentlichen Anerkennung oder auch des Verhältnisses zum beruflichen Umfeld für sie bedeuten, ist doch festzu­stellen, dass den Gesundheitsprofessionen in Frankreich ihr hoher Bekanntheits­grad und ihre anerkannten Diplome zugute kommen, deren gesellschaftlicher Stel­lenwert dank eines gut geschützten Arbeitsmarkts ungebrochen ist. Die Ärz­teschaft bewahrt hierbei eine unangefochtene politische und ökonomische Ein­flussmacht, während das neue öffentliche Management umstritten ist. Die Unter­suchung der Gesundheitsberufe im Wandel birgt noch viele mögliche Ansätze zur weiteren Forschung; so wäre es etwa aufschlussreich, das Thema ihrer gesell­schaftlichen Glaubwürdigkeit, also ihrer Legitimität (Le Bihanic/Vion 2008), weiter zu vertiefen.

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1 Übersetzung aus dem Französischen durch Sara Iglesias.

2Michel Arliaud (1987) spricht vom Krankenhauszentrismus der MedizinerInnen.

3 Die Verstaatlichung der Krankenhäuser durch die Französische Revolution 1793 war ein Misserfolg. Von 1796 bis 1941 waren die Kommunen mit der Verwaltung der Krankenhäu­ser betraut. In diesem Sinne lässt sich hier von einer Rückkehr des Staates sprechen.

4 Ein für das Departement verantwortlicher Regierungsvertreter.

5 Ihre Funktion reflektiert die entscheidende Rolle, die der Staat im Krankenhausbetrieb spielt.

6 Isabel Burbaud ist eine portugiesische Krankenhausdirektorin, der man 1993 verweigert hat, ihren Beruf in Frankreich auszuüben, und die vor den Europäischen Gerichtshof zog. Ein Urteil von 2003 gab ihr Recht. Sie wurde 2010 zur Krankenhausdirektorin ernannt.

7 BeamtInnen sind in Frankreich entweder im Staatsdienst (Fonction publique d’État, zen­tral) angestellt, im Öffentlichen Dienst auf territorialer Ebene (Fonction publique territoria­le, in den Regionen, Departements und Kommunen) oder im Öffentlichen Dienst im Kran­kenhaus.

8 P. Mossé et al. (2009) führen diese Schlussfolgerung weiter aus. ProLitteris