Erziehungsheime. Funktionen und Wirkungen

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© ProLitteris, Josef Estermann, Vera Rothamel

Ergebnisse des Forschungsprojekts „Unselbständigkeit, abweichendes Verhalten und Integrationschancen jugendlicher Heimentlassener“ (Mitarbeit: Rolf-Dieter Hepp, Rita Sabine Kergel, Vera Rothamel, Hilke Rebenstorf, Josef Estermann)

Mitteilungen aus dem Schwerpunktbereich Methodenlehre, Freie Universität Berlin, Institut für Soziologie, peer reviewed

Inhalt
Einleitung
Abschnitt 1 Öffentliche und private Sozialisation – Heime als totale Institution?
Abschnitt 2 Heimeinweisung, Heimaufenthalt und Entlassung
Abschnitt 3 Fallbeispiele
Abschnitt 4 Konsequenzen der Heimsozialisation
Literatur

Einleitung

In der Literatur und in offiziellen Stellungnahmen wird oft davon ausgegangen, dass sozialpädagogische Betreuungsmassnahmen sich an der Handlungskompetenz des Personals bemessen. Dabei wird vernachlässigt, dass diese Massnahmen in die kommunikativen Rahmenbedingungen institutioneller Sozialisation eingebunden sind.

Ein wesentlicher Faktor der Rahmenbedingungen der Heimsozialisation ist die Form der Devianz – als subjektives Verhalten und auch als gesellschaftlich vermittelte Art der psychischen Disposition der Heiminsassen -, die als Objekt pädagogischer Eingriffe mehr als nur die Kulisse für Betreuungsmassnahmen bilden. In West-Berlin hat sich das Alter der Heimeinweisungen verstärkt auf pubertierende Jugendliche im Alter von fünfzehn bis achtzehn Jahren verschoben. Hieraus resultiert eine veränderte Strategie der pädagogischen Vereinnahmung, da diese Klientel unter anderen psychischen und sozialen Defiziten leidet als die Acht- bis Zehnjährigen, die früher einen Grossteil der neu Eingewiesenen stellten. Die Bedeutung dieser Rahmenbedingungen für den von der Heimerziehung betroffenen Personenkreis beschreiben wir in der vorliegenden Arbeit.

Im ersten Abschnitt wird die Institution Heimerziehung theoretisch auf der Grundlage der Erkenntnisse von Goffman und Foucault dargestellt. Der zweite Abschnitt beschreibt Heimeinweisung, Heimaufenthalt und Heimentlassung in ihren Funktionen und Wirkungen. Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit Einzelfällen, die im Rahmen unseres Projektes betreut wurden. Der Stellenwert der Heimerziehung für deren Sozialisation sowie der Verlauf ihrer Integrationsprozesse in gesellschaftliche Lebensbereiche ausserhalb des Heims stand dabei im Mittelpunkt unseres Interesses. Dieser Abschnitt ist der empirische Teil unserer Arbeit. Zum Schluss zeigt der vierte Abschnitt die Konsequenzen der Heimsozialisation und das Problemfeld „Heimerziehung“ analytisch auf.

Abschnitt 1 Öffentliche und private Sozialisation – Heime als totale Institution?

Die Ausrichtung der Betreuungs- und Therapiemassnahmen auf die Durchsetzung von Ordnungsmustern bezieht sich im Falle der Heimerziehung auf die Konflikte im Umgang mit einem schwierigen Insassenkreis, der sich dem Massnahmenkatalog tendenziell verweigert. Dies wird aus den Mustern der Auffälligkeit geschlossen, die zur Heimeinweisung führten. Sie gelten als Indiz für die Notwendigkeit, die Verlaufsformen devianten Verhaltens aufzubrechen. Die gesellschaftliche Einschätzung der Heimaufenthalte führt dazu, dass sie als Form der Bestrafung Minderjähriger begriffen werden: „Erstaunlich ist, dass der bestrafende Charakter der Heimerziehung von Sozialarbeitern, Jugendamtleiterinnen und Richterinnen mit Offenheit angegeben wird. Auch wenn sie die Bestrafung als eine Erziehungsmassnahme konstatieren. Die Heimerziehung kommt nicht plötzlich. Sie wird angedroht. Zeigt die Drohung nicht die erhoffte Wirkung, wird Heimerziehung angeordnet.“ (Aich, Da weitere Verwahrlosung droht …, S. 308). Die negative soziale Einschätzung des Charakters der Heimerziehung führt unter anderem dazu, dass das Verhalten der Zöglinge auch vom pädagogischen Personal negativ eingeschätzt wird.

Ein zentrales Spannungsfeld erstreckt sich zwischen öffentlichen und privaten Sozialisationsstrukturen. Dadurch dass einerseits eine gesellschaftliche Integration das normative Ziel des pädagogischen Prozesses der Heimerziehung sein soll, andererseits aber eine Integration in einer abgeschlossenen Institution forciert wird, zeigt sich eine Art vergesellschafteter double-bind-Prozess, der zwischen den Polen Verselbständigung und Anpassung an die Heimrealität angesiedelt ist. Da das Modell der Sozialisation in der Familie Vorbild für eine gelungene Sozialisation ist, hat die Heimerziehung eine Substitutionsfunktion, die sie an einem gerade auch an den Normen des Familienzusammenhangs gescheiterten Betroffenenkreises ausführt.

Adäquate Sozialisationsmassnahmen müssten sich aber durch eine Berücksichtigung der Motive und Artikulationsformen abweichender Verhaltensmuster auszeichnen. Angesichts der Anforderungen der sozialen Wirklichkeit müssen in den Betreuungsmassnahmen die verschiedenen Gestalten der individuellen Verdrängungs- und Delegationsformen der Betroffenen berücksichtigt werden, da Angstmotive und daraus resultierende Artikulationsformen deren Handlungsspielraum stark prägen.

Die subkulturellen Bewusstseinsformen, die sich in den Heimen finden, bedingen eine potentielle Beziehungslosigkeit und produzieren Muster psychischer Verelendung. Innerhalb der Werteskala und des Normgefüges der Zöglinge entwickeln sich Handlungsintentionen, die in ihrer Durchführung sowohl von der Aussenwelt verurteilt werden, wie auch eine Verstärkung der individuellen Konflikte und Versagensängste hervorrufen. Desintegrationsprozesse werden dadurch beschleunigt, dass in der interpersonalen Interaktion Verluste sprachlicher und symbolischer Verselbständigungsprozesse stattfinden.

Die Heimerziehung versucht diesem Prozess entgegenzuwirken, indem sie einerseits die Mechansimen gesellschaftlicher Sozialisation als Bedingungen gelungener Integration und persönlicher Identität übernimmt. Andererseits ist sie durch die Ausgliederung des gesellschaftlichen Teilbereichs Heimerziehung und der daraus resultierenden Trennung der Insassen von der Sozialisation in der Familie gezwungen, ihre Tätigkeit in einem ausgegliederten Randbereich jenseits alltäglicher gesellschaftlicher Erfahrung zu institutionalisieren.

Foucault stellt diese Abgrenzung eines „Internierungsraumes“ als eine neue Qualität historischer Erfahrung dar, die sich im Rahmen des Industrialisierungsprozesses herausgebildet hatte. Die Einschliessung sollte die Internalisierung spezifischer Sozialisationsanforderungen unterstützen beziehungsweise leisten: „In einer vielschichtigen Einheit schafft sie (die Abgrenzung des Internierungsraumes, d.V.) eine neue Sensibilität gegenüber wirtschaftlichen Problemen wie Arbeitslosigkeit und Müssiggang, eine neue Arbeitsmoral und zudem den Traum einer Stadt, in der durch die autoritären Formen des Zwanges die moralische Verpflichtung mit dem bürgerlichen Recht zusammenfiele. Dunkel sind diese Thesen beim Bau der Internierungsstätten und ihrer Organisation präsent und geben diesem Ritual den Sinn.“ (Foucault, Wahnsinn und Gesellschaft, S. 80) Wir werden prüfen, ob diese Ausführungen von Foucault auch für unseren Untersuchungsgegenstand, nämlich Heime für Kinder und Jugendliche, im Sinne einer strukturellen Homogenität zutreffen.

Die historisch gewachsene Abgrenzung und Aussiedlung eines Internierungsraumes aus dem regulären gesellschaftlichen Interaktionsprozess führte dazu, dass sich noch heute die meisten Heime an den Peripherien der Städte oder auf dem Lande befinden. Die Kinder und Jugendlichen werden von dem Ort ihres „devianten Verhaltens“ getrennt. „Heimerziehung will Distanz zum Gewesenen setzen. Solche Distanz wir Leere, wenn Heime oft weitab auf dem Lande liegen, keine attraktiven, dem Selbstverständnis und den legitimen Forderungen der Jugendlichen entsprechenden Lernfelder anbieten …“ (Thiersch, Institution Heimerziehung, S. 61). Diese räumliche Trennung von ihrem sozialen Umfeld eröffnet ein therapeutisches Feld, dem die Kinder und Jugendlichen mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert sind, da ihr bisher erlerntes soziales Wissen und Verhalten weitgehend entwertet wird. Die Abgrenzung von den alltäglichen Lebensbedingungen kann als eine Form von Macht begriffen werden, in der „das Prinzip der räumlichen Verschachtelung hierarchisierter Überwachung, das Prinzip der ‚Einlagerung'“ (Foucault, Überwachen und Strafen, S. 222) zu einer Ausgrenzung der Insassen aus ihren bisherigen Lebensräumen führt. Eine Eingliederung in die spezifische Form und Wirkungsweise und in das Normen- und Wertgefüge der Heime wird vorangetrieben, um die Insassen den Anforderungen dieses Sozialisationsprozesses zu unterwerfen. Die Insassen werden in einen sozialen Erfahrungsraum überführt, in dem sie sich den vorgegebenen Kriterien der Insassen aus ihren bisherigen Lebensräumen führt. Eine Eingliederung in die spezifische Form und Wirkungsweise und in das Normen- und Wertgefüge der Heime wird vorangetrieben, um die Insassen den Anforderungen dieses Sozialisationsprozesses zu unterwerfen. Die Insassen werden in einen sozialen Erfahrungsraum überführt, in dem sie sich den vorgegebenen Kriterien einer sozialen Institution zu beugen haben. Durch die äussere Abgrenzung gegen die Umgebung (z.B. Zäune) sowie die innere Eingrenzung (z.B. Anlage der Räume; in vielen Heimen müssen die Zöglinge, um ihre Zimmer betreten oder verlassen zu können, am Raum der Erzieher vorbeigehen, so dass eine Kontrolle der Ausgangszeiten sowie des Besuchs usw. gewährleistet ist), werden ihre Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt, um sie einer Ordnung des Lebensraumes qua „architektonischer“ Disziplinierung als Einordnung in das soziale Muster einer abgekapselten sozialen Institution zu unterwerfen. Hierin sieht Foucault eine neue soziale Dimension, die die Architektur der Herrschaft des Bürgertums entscheidend kennzeichnet, da sie die Symbole der Macht von aussen nach innen wendet.

„Damit entwickelt sich auch die Problematik einer Architektur, die nicht mehr bloss wie der Prunk der Paläste dem Gesehenwerden oder die Geometrie der Festungen der Überwachung des äusseren Raumes dient, sondern der inneren, gegliederten und detaillierten Kontrolle und Sichtbarmachung ihrer Insassen. Noch allgemeiner geht es um eine Architektur, die ein Instrument zur Transformation der Individuen ist: die auf diejenigen, welche sie verwahrt, einwirkt, ihr Verhalten beeinflussbar macht, die Wirkungen der Macht bis zu ihnen vordringen lässt, sie einer Erkenntnis aussetzt und sie verändert. Die Steine können sehr wohl gelehrig und erkennbar machen.“ (Foucault, Überwachen und Strafen, S. 222)

In den architektonischen und organisationsbedingten Strukturen der Heimerziehung als Form öffentlicher gesellschaftlicher Sozialisation reflektieren sich nicht nur historisch die Kriterien normativer Macht- und Ordnungsmuster, sondern auch die Funktionsmomente gesellschaftlicher Verhaltensanweisungen, die im Akt therapeutischer Verankerung ihr Klientel von dem gesellschaftlichen Erfahrungsraum trennt. Die äussere Abgrenzung der Heime gegenüber ihrer Umwelt weist auf ihre soziale Abgrenzung hin, da sie als Fremdkörper innerhalb ihrer Umgebung angesehen werden müssen.

Erfreulicherweise gibt es auch alternative Modelle. Wir möchten hier zum Beispiel auf das Hamburger Sternschanzen-Modell hinweisen, in dem das Heim in das soziale Umfeld integriert ist und von Jugendlichen bewohnt wird, die selbst aus dem Quartier stammen, in dem das Heim steht. Auch in Berlin-Kreuzberg existieren Jugend-Wohngemeinschaften, die den Vorteil haben, in den Bezirk integriert zu sein.

In den Heimen selbst bestehen für die Insassen Schwierigkeiten, sich Freiräume zu schaffen, da sie auf das Misstrauen des Personals stossen, das in diesen Orten Devianz vermutet. In privaten Freiräumen bestünde die Gefahr, dass sonst unterdrückte Aggressionen ausgelebt würden. Ausserdem böten sie die Möglichkeit, autonome und unkontrollierte Organisations- und Kommunikationsformen zu installieren, die den Machtanspruch und das Sozialisationsprogramm der Institutionen stören könnten.

In dem Rahmen einer abgetrennten ‚totalen Institution‘ (Goffman) wird die Differenz zwischen Privatheit und Öffentlichkeit aufgelöst. Der Erfahrungsraum der Kinder und Jugendlichen ist auf den eigengesetzlichen Rahmen des Heimes begrenzt, der innerhalb seines Machtbereichs ein Subsystem von Werten und Normen entwickelt, die sich in einer Art ‚Gegenrecht‘ niederschlagen, das durch die Heimordnung institutionalisiert ist.

Thiersch macht einschränkend darauf aufmerksam, dass die Einschätzung der Heime als totale Institutionen zu pauschal ist: „Die verschiedenen Formen der totalen Institution sind also voneinander zu unterscheiden nach den unterschiedlichen Bedfürfnissen der Insassen und der daraus resultierenden unterschiedlichen Funktion der Abgeschlossenheit. Die Formalisierung der totalen Institution und die Abstraktion von Bedürfnis und Funktion, im konkreten Fall der Heimerziehung also von der fehlenden Selbstkompetenz und der Notwendigkeit der Entlastung, machen das Modell der totalen Institution problematisch für die Analyse der Heimerziehung.“ (Thiersch, Institution Heimerziehung, S. 60)

Wenn aber Klöster, Gefängnisse und Konzentrationslager trotz ihres grundverschiedenen Charakters aufgrund spezifischer Indices legitim unter dieselbe analytische Kategorie „totale Institution“ subsumiert werden können, erscheint es uns als gerechtfertigt, die Heime als totale Institution zu betrachten. Allerdings sind sie als eine Sonderform anzusehen, deren Problematik sich über die Verobjektivierung der Erziehungsinhalte in einem abgesonderten Raum und seiner Trennung von den sonstigen gesellschaftlichen Bereichen erschliessen lässt.


Abschnitt 2 Heimeinweisung, Heimaufenthalt und Entlassung

Die Prozedur der Heimeinweisung zielt darauf ab, den Bruch zwischen der alten, familiären Lebenswelt und der neuen Realität des Heimlebens symbolisch und materiell darzustellen und im Individuum zu verankern. Sie umfasst eine Reihe von Interaktionen, die dem Zögling die Entscheidungsfreiheit entziehen. Die differenzierten Maßnahmen, die die Heimeinweisung begleiten, bewirken in ihrer Verschränkung ein Gefühl des Ausgeliefertseins, das den Verlust der Selbstbestimmung demonstriert. Eine Öffnung des Zöglings gegenüber der Institution wird durch diese Maßnahmen angestrebt, die ihm im Akt der Heimeinweisung den Verlust seiner sozialen Bindungen sowie der familiären Bezüge und des in der Regel an diese gekoppelten Schutzraumes vor Augen führen. Solche Interaktionen können in der Anweisung, die Heimordnung zu unterschreiben, der vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchung, den Gesprächen mit Heimleitung und Sozialarbeitern oder der Einfügung in die Gruppe bestimmter Mitzöglinge bestehen. Alle diese Akte schränken den Handlungsspielraum des neu Eingewiesenen außerhalb der Muster der Heimrealität ein. Es gibt für ihn keine andere Möglichkeit, seine Situation zu verbessern, als so zu handeln, wie es ihm vorgeschrieben wird. Die Maßnahmen stehen für den neu Eingewiesenen nicht zur Disposition, er ist nicht Vertragspartner, sondern Unterworfener. Diese Maßnahmen werden nicht als pädagogische Akte begriffen, sondern legitimieren sich über ihren funktional-formalen Charakter. Zum Beispiel haben ärztliche Untersuchungen bei der Einweisung einen durchaus zu akzeptierenden gesundheitspolitischen Zweck, wirken aber in der Gesamtsituation häufig wie Akte der Disziplinierung.

„In aller Regel bringt der Stab gewisse Aufnahmeprozeduren zur Anwendung, wie die Aufnahme des Lebenslaufes, Fotografieren, Wiegen und Messen … Diese Aufnahmeprozeduren sind eher als ein ‚Trimmen‘ oder eine ‚Programmierung‘ zu bezeichnen, denn durch diese Form der Isolierung wird es möglich, den Neuankömmling zu einem Objekt zu formen, das in die Verwaltungsmaschinerie der Anstalt eingefüttert und reibungslos durch Routinemassnahmen gehandhabt werden kann. Die meisten dieser Prozeduren beruhen auf Attributen wie dem Gewicht oder dem Fingerabdruck, die das Individuum lediglich insofern aufweist, als es ein Mitglied der größten und abstraktesten sozialen Kategorie, nämlich der Menschheit ist. Eine Behandlung aufgrund solcher Attribute lässt weitgehend die Grundlagen einer früheren Selbstidentifikation außer acht.“ (Goffman, Asyle, S. 27)

Der Initiationsritus der Neuaufnahme suggeriert den Charakter der Unterwerfung, dem der Insasse dann im Heimalltag begegnet. Obwohl die Aufnahmeprozedur sich formal legitimiert und im Falle der Heimeinweisung nicht alle von Goffman aufgezählten Indices beinhaltet, stellt sie doch gerade in ihrer Formalität eine pädagogische Massnahme dar, indem sie den Zöglingen die ersten Zurichtungsmechanismen für die Heimsozialisation eindrucksvoll begreifbar macht. Sie scheint außerhalb des pädagogischen Geschehens angesiedelt zu sein.

Die Eigendynamik der Heimstruktur entfaltet spezifische, ihr immanente Verwaltungs- und Ordnungsmuster. Die eingewiesenen Kinder und Jugendlichen stoßen im Heim auf ihren familiaren Sozialisationsmustern konträre Interaktionsbedingungen. Der Zwang zur Anpassung an die vorgegebene Struktur fordert von ihnen eine Negierung erlernter Sozialisationsmuster. Dadurch sollen Ausdrucksformen devianten Verhaltens abgefangen werden. Die Heime entwickeln sich zu abgeschlossenen ‚Gegenräumen‘, in denen Ordnungsmuster und Anpassungsrituale trainiert werden, die ihren organisatorischen Rückhalt in einer auf Ausschluß ausgerichteten Form der Vergesellschaftung hat, in der „das Recht in sein Gegenteil umschlägt, indem es sich zu einer bloßen Form veräußert, deren tatsächlicher und institutionalisierter Inhalt das Gegenrecht wird.“ (Foucault, Uberwachen und Strafen, S. 287)

Durch die Heimordnung werden die Maßnahmen, die durch die Fremdunterbringung erreicht werden sollen, präzisiert. Sie schaffen eine Welt von Ordnungsmustern, die den einzelnen in Vorschriften einbindet, die ihn zum Objekt von Vollstreckungsmaßnahmen des pädagogischen Personals werden lassen. Die Rechtlosigkeit des Abhängigen wird zum Funktionsmodus einer Administration, in der die Lebensäußerungen der Insassen jederzeit unter einem Modell der Abweichung interpretiert werden können. Abhängigkeit und Unterwerfung werden damit institutionell verankert.

Während in den Familien Verhaltensregeln in erster Linie kommunikativ zur Disposition stehen und über gegenseitige Ansprüche verhandelt wird, steht in Heimen die gesetzte, nicht dispositive Norm im Vordergrund. Meistens muß eine Heim- oder Hausordnung unterzeichnet werden. Dort finden sich Regeln wie: „Während Deines Aufenthaltes wirst Du im Eichenhof arbeiten und am Schulunterricht teilnehmen, wenn du schulpflichtig bist. Die Art und Weise Deiner Beschäftigung wird vom Eichenhof entschieden. … Anweisungen: – daß Schmöker, Kofferradios und alkoholische Getränke nicht in den Eichenhof mitgebracht werden, … – daß Du Dein Geld nicht verleihst und auch Deine Sachen nicht verborgst, mit anderen Mädchen tauschst oder an andere Madchen verkaufst. … Du wirst Urlaub erhalten. In der Regel jeden zweiten Sonntag wenn Du Dich im Eichenhof eingelebt und gut geführt hast und Deine Eltern und das Jugendamt einverstanden sind.“ (zitiert nach Homes, Heimerziehung, S. 38) „Den Kindern ist der Aufenthalt während der Pausen in den Familiengruppen nicht erlaubt; sie sollen sich auf dem Schulhof aufhalten. Über das Fehlverhalten der Kinder in der Schule sollen die entsprechenden Gruppen informiert werden.“ (Regelkatalog des Kinderheims Haus Buckow vom März 1982) Verhaltensanweisungen sind schriftlich fixiert und oft sind Vorschriften so einschränkend, daß Übertretungen mit dem besten Willen nicht zu vermeiden sind. Sie sind meistens kaum geeignet, Selbstverantwortlichkeit und Selbstwertgefühl zu sozialisieren.

Die Produktion des „Gegenrechts“ (Foucault) legitimiert sich durch den Aufbau von Ordnungsmustern, die die Funktion des Devianzabbaus und des Erhalts der Eigendynamik der Heime hat. Im Grunde genommen ist abweichendes Verhalten die Basiskategorie der Funktionen dieser institutionellen Strukturen. Die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Heime selbst, sowie die Heimkarriere des Einzelnen legitimieren sich über Abweichung. Durch deviantes Verhalten beweist der Insasse die Notwendigkeit seines Heimaufenthalts und reproduziert damit wiederum die Notwendigkeit des Heimes. Das Heim als institutioneller Faktor wird so legitimiert und stabilisiert sich in seiner Eigendynamik.

Es wird eine Dialektik von Unselbständigkeit und Anpassung an Fremdbestimmung aufgebaut, die den sozialen Normen des familiaren Bezugskreises und den ihm zugehörigen Alltagserfahrungen widerspricht. Unterwerfung unter das gesellschaftlich funktionale Wertesystem endet im Bannkreis therapeutischer Kontrolle devianten Verhaltens.

Der Bruch der Identität und der erlernten Lebensmuster mündet in eine Kontrolle über die Kinder und Jugendlichen, die zu einer Selbstaufgabe zugunsten der Anpassung an die vorgegebenen Ordnungsmuster führt. Die Unselbständigkeit, die als Einordnung in die Heimstruktur auftritt, wird den Jugendlichen bis zum Tage ihrer Entlassung abverlangt. Dies geschieht selbst dort, wo sich neue Formen wie beispielsweise betreutes Einzelwohnen, therapeutische Wohngemeinschaften und ähnliches herausgebildet haben, da auch in diesem Falle auf Grund der rechtlichen Situation die Betreuungsmaßnahmen im Moment der Heimentlassung ausgeschöpft sind. „Es scheint, daß lange Heimaufenthalte sowohl eine totale Entfremdung vom Herkunftsmilieu verursachen, als auch die Fahigkeit und das Interesse, mit anderen – seien es Partner oder Freunde – zusammen zu wohnen und zu leben, reduzieren. Offenbar wird durch einen kürzeren Heimaufenthalt die Entfremdung vom Herkunftsmilieu vermieden. Doch ist auch anzunehmen, daß ein größeres Interesse am Kind oder Jugendlichen die Eltern eher auf eine Rückkehr nach Hause drängen läßt, so daß wohl eine Wechselbeziehung zwischen Dauer des Heimaufenthalts und Entfremdung vom Herkunftamilieu besteht.“ (Bieback-Diehl u.a., Heimerziehung, S. 157)

Das Interesse der Eltern oder bisher Erziehenden an ihren Kindern als Moment des Herkunftsmilieus kann somit als „Einmischung der bisher Erziehungsberechtigten“ für die Institution einen Störfaktor der sozialen Kontrolle darstellen, da die Bindung der Insassen an ihre familiaren Strukturen – die Heimeinweisung hat ja gerade erwiesen, daß diese nicht normgemäß beziehungsweise disfunktional waren – den therapeutischen Effekt mindern konnte. Nur wenn sich die Familie selbst der therapeutischen Kontrolle öffnet und damit zur Integration des Kindes in die Heimstruktur beiträgt, wird sie als Stabilisierungsfaktor im Sozialisationsprozeß betrachtet.

Die Mitarbeit an der therapeutischen Kontrolle über das Individuum und die Öffnung gegenüber diesen öffentlichen Eingriffen stellen für die Familie oft die einzige Möglichkeit dar, das Kind beziehungsweise den Jugendlichen wieder zurückzugewinnen. „Die angedrohte oder tatsächliche vorübergehende oder endgültige Einbehaltung des Kindes dient als Waffe, mit deren Hilfe der Staat und die Wohltätigkeitsgesellschaften ihre Moralvorstellungen durchsetzen.“ (Mayer, Das Kind und die Staatsraison, S. 51f)

Durch diesen möglichen Einsatz von Zwangsmitteln werden die Familien dazu gebracht, sich im Rahmen der Erziehungsnormen und -werte den gesellschaftlichen Ansprüchen zu unterwerfen. Wenn das Kind auffällig wird, bedroht dies die Familie in ihrer Existenz, da jederzeit die Gefahr besteht, daß das Kind in die öffentliche Erziehung überführt wird. „Die bürgerliche Familie legt um das Kind einen sanitären Sicherheitsgürtel, der sein Ausdehnungsfeld begrenzt: im Inneren dieser Umfriedung wird die Entwicklung seines Körpers und seines Geistes durch alle Hilfsmittel der Psychopädagogik gefördert und durch eine diskrete Uberwachung kontrolliert. Im anderen Falle ware das pädagogische Modell richtiger als überwachte Freiheit zu bestimmen. Hier liegt das Problem weniger in der Last eigentümlicher Zwänge als im Übermaß an Freiheit und Straßenleben, und die angewandten Techniken gehen dahin, diese Freiheit zu begrenzen, das Kind in Räume stärkerer Uberwachung, Schule oder Elternhaus, zurückzuführen.“ (Donzelot, Die Ordnung der Familie, S. 60)

Aus den Bestimmungen eines Bildes der funktionierenden Familie, wie sie sich in historischer Anpassung unter anderem an die Macht des Staates herauskristallisiert hat, entspringt ein Zwang zur Einbindung der Sozialisationsmechanismen, die die Familienstruktur dem Wert- und Normsystem unterwerfen. Diese Vorgänge verlaufen auf der individuellen beziehungsweise aktuellen Ebene analog zu denjenigen, die Norbert Elias (Über den Prozeß der Zivilisation) als historische Prozesse beschreibt. Die Macht dringt in ihren öffentlichen Strategien unmittelbar in das Privatleben der Familien ein, obwohl sie dieses Privatleben analytisch vom Begriff der Öffentlichkeit abschneidet.

„Hier wird das Kind zum Symptom, zum Vorwand, zur Geisel oder zum Wechselgeld für die Wiederherstellungs- und Erziehungsoperationen der Institutionen. Die Atomisierung der Gesellschaft, ihr 2erfall in Familien entspricht genau der Entwicklung, in deren Verlauf die Kindheit zum Problem wurde, eine ‚unangepaßte Kindheit‘ zum Vorschein kam und mit ihr die Kategorie der ‚unregelmaßigen‘ Kinder, deren Umrisse ganz allmahlich von den Staatsapparaten herausgearbeitet wurden.“ (Mayer, Das Kind und die Staatsraison, S. 59)

In diesen Prozessen der Normierung und des Einpflanzens von Werten in das Individuum setzt sich in den Familien die Herrschaft des Staates durch, der als übergreifender Richter die Opposition von normalem vs. abweichendem Verhalten in sie einschreibt.

„Es handelt sich also um den Übergang von einer Regierung der Familien zu einer Regierung durch die Familie. Die Familie stellt nicht mehr einen ebenbürtigen Gesprächspartner der bestehenden Mächte, eine ihnen gleichrangige Kraft dar. Sie wird zum Relais, zum erzwungenen oder freiwilligen Träger der gesellschaftlichen Imperative, infolge eines Prozesses, der das Familienleben nicht abschafft, sondern im Gegenteil auf die Spitze getrieben hat, der den Familienmitgliedern alle Vorzüge und Nachteile vor Augen geführt hat, um schließlich zwei Kopplungen, eine negative und eine positive, von normativen Erfordernissen und ökonomisch-moralischen Verhaltensweisen vorzunehmen.“ (Donzelot, Die Ordnung der Familie, S. 104)

Mit der Bestimmung der Devianz als eine dem „auffälligen“ Kinde inhärente Eigenschaft, wird dessen Aussonderung aus dem familiaren Bezugsrahmen betrieben. Die Devianz wird unter Schemata subsumiert, die eine Verobjektivierung der Tatbestände ermöglichen. Dadurch sind Kinder einem Anpassungsprozeß unterworfen, in dem ihre Abweichung als Krankheitsbild interpretiert wird, um ihre Sozialisation auf das normale Familienbild auszurichten.

„Es ist bemerkenswert, daß die Krankheit in dem Augenblick zum Thema geregelter wissenschaftlicher Forschung wird, in dem die kalkulierte Produktion von Waren einsetzt. Es bildet sich eine Wissenschaft heraus, welche die Krankheit, die sie erforscht, nachdem sie vom Kranken abgetrennt wurde, als ein Objekt organisiert, an dem man ‚arbeiten‘ oder, besser gesagt, aus dem man ‚Profit ziehen kann. Und so, wie die Klinik den Blick vom kranken Menschen auf die Krankheit umgelenkt hat, so hat die Wohlfahrtsorganisation mit einer entmenschlichten, abgegrenzten, in Raum und Zeit kodifizierten Krankheit zu tun, auf die sie mit Behandlung reagieren muß, der Behandlung freilich eines Objekts, eines Organs, eines Teils eines Korpers, mit dem man sich beschäftigt und um den herum sich ein Betrieb entwickelt, der sich nach den Gesetzen der industriellen Forschung abspielt.“ (Ongaro Basaglia, Gesundheit, Krankheit. Das Elend der Medizin, S. 53)

Die Trennung des Krankheitsbildes vom Normalzustand führt zu einer Loslösung des diagnostizierten Zustandes von der Gesamtpersönlichkeit, die dann leicht in allen ihren Lebensäußerungen unter dem diagnostischen Blickwinkel betrachtet werden kann. Foucault beschreibt diese Isolierung anhand der Psychiatrisierung der perversen Lust.

“ … der sexuelle Instinkt ist als autonomer biologischer und psychischer Instinkt isoliert worden; all seine möglichen Anomalien sind analysiert worden; man hat ihm eine normalisierende und pathologisierende Rolle für das gesamte Verhalten zugeschrieben … “ (Foucault, Sexualität und Wahrheit, S. 86).

Durch die Strategie des Ausschlusses und der Isolierung werden die Formen der Abweichung verstärkt, da das Individuum selbst ein Produkt seiner Devianz wird. Die Opposition von Einschluß vs. Ausschluß setzt Sanktionsmechanismen in Gang, die theoretisch analog dargestellt werden, da der Ausschluß von Wahnsinnigen, Kranken, Delinquenten und auffälligen Kindern homologe, wenn auch differierende Ausschließungsmechanismen hervorruft (vgl. Foucault, Geburt der Klinik, Wahnsinn und Gesellschaft, Sexualität und Wahrheit, Überwachen und Strafen).

„Während die gewöhnliche Erziehung mit dem Relais der familiaren Sozialisation auskommt, verlangt der tiefergehende Bruch, der im Wahnsinn zutage tritt, die Vermehrung und Intensivierung der padagogischen Wirklichkeit; Herausnahme aus dem sozialen und familiaren Rahmen, Versetzung in ein gpezifisches Milieu, Maximierung der Disziplinartechniken.“ (Castel, Die psychiatrische Ordnung, S. 257)

Dadurch, daß den Symptomen der Abweichung pathogene Krankheitsbilder zugeordnet werden, können ihnen soziale Maßnahmen als Gegenmittel verordnet werden. Durch Therapien, Einübung sozialer Fähigkeiten etc. soll eine soziale Basis für Anpassungsprozesse geschaffen werden. Zu diesen Maßnahmen zählt die Ausschließung aus der Gesellschaft, die bei Erwachsenen durch das Gefängnis erreicht werden soll, für strafunmündige Kinder und für Jugendliche wird diese Ausschließung aus dem gesellschaftlichen und öffentlichen Leben durch die Heimeinweisung geleistet. Das Einfinden in die neue soziale Struktur und die Eigendynamik der Gruppenprozesse sowie der vorgelagerten Ordnungsstruktur, die in den Heimen anzutreffen ist, bedeuten einen doppelten Bruch mit erlernten Sozialisationstypen und Verhaltensmustern: Während auf der einen Seite die Gruppenstrukturen stark durch die Devianz der Kinder und Jugendlichen geprägt sind und somit ein subversives Eigenleben entfalten, werden auf der anderen Seite durch das pädagogische Personal Normen und Ordnungskriterien gesetzt, die auf eine Negation der bisherigen Identitätsmuster hinzielen. Dadurch wird bei Neuankömmlingen eine erhöhte Mortifikationsangst produziert, da der frischgebackene Zögling mit seinen Verhaltensmustern auf Widerstände stößt, die diese Verunsicherung verstärken. Hinzu kommt, daß die Gruppenstrukturen in Heimen meist in sich sehr instabil sind, so daß Neuankömmlinge immer eine Bedrohung des Gruppengleichgewichts bedeuten.

Durch den spezifischen Charakter institutionalisierter Heimerziehung wird eine Form von Öffentlichkeit hergestellt, die die gesellschaftliche Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit im Rahmen einer abgeschlossenen Institution aufhebt. Jede Lebensäußerung der Zöglinge ist tendenziell in dem Sinne öffentlich, daß diese sich den Ebenen der Uberwachung und möglicher Kontrolle nur schwer entziehen können. Damit negiert das Heim als Institution die Sphäre des Privaten, die in der bürgerlichen Gesellschaft ein Konstituens der Entwicklung individueller Identität bildet. Das öffentliche Muster der Heimerziehung jedoch setzt die Sphäre des Privaten dem öffentlichen Zugriff aus.

Indem Regelverstöße, auch wenn sie nicht direkt durch das pädagogische Personal kontrolliert werden, diesem fast immer durch Gruppenmitglieder zugetragen werden, wird das Wissen über die Devianz des Einzelnen durch die Institution erweitert. Auch der baulich abgeschlossene Charakter und die Mehrfachbelegung eines Zimmers fordern dieses Moment des öffentlichen Zugriffs. Durch die Anordnung der räumlichen Gegebenheiten kann somit Regelverstößen, die als auffallend gekennzeichnet worden sind, vorgebeugt werden. Um gleichgeschlechtliche körperliche Beziehungen zu unterbinden, hat zum Beispiel das Landesjugendamt Niedersachsen die Richtlinie aufgestellt, daß der Bettenabstand mindestens 60 cm betragen muß (vgl. Roth, Heimkinder, S. 65).

Durch diese institutionalisierte Form der Öffentlichkeit wird die Gruppe vom einzelnen Kind oder Jugendlichen als Bedrohung aufgefaßt. Das Mißtrauen gegenüber anderen wird subjektiv verwurzelt, wåhrend die Vereinzelung eine spezifische Form der Vereinsamung hervorbringt.

„Neben der Vereinzelung muß der Jugendliche seinen eigenen Willen, sein Selbstbewußtsein, seine eigenen Normen und Werte verlieren, er muß ganz klein gemacht werden, sein ganzer Widerstand muß gebrochen werden, erst dann können neue Normen und Werte eingetrichtert werden.“ (Brosch, Fürsorgeerziehung, S. 74)

Dies geschieht, indem den Kindern und Jugendlichen durch die institutionell bestimmte Lebensführung jegliche Form von Privatheit und Intimität verweigert wird. Während in der familiaren Sozialisation durch den privaten Charakter des Familienlebens nicht alle Formen von „Fehlverhalten“ und Devianz nach außen dringen, wird in der Heimerziehung jede Regelverletzung öffentlich. Sie wird in die Muster der Devianz integriert und erweitert das Wissen um die Devianz des Einzelnen. Um eine bessere Beobachtung partieller Regelverstöße leisten zu können, war schon in den Anstalten der frühbürgerlichen Gesellschaft eine familienähnliche Klassifizierung intendiert, wie sie heute noch in den familienanalogen Gruppen praktiziert wird.

„Wie in der Gesellschaft, so soll auch in der Anstalt eine Basis der Erziehung die Familie sein. Zu diesem Zweck werden künstliche Familien eingeteilt. Sie sind schon deshalb nützlich, weil durch sie eine intensivere Beobachtung ermöglicht wird. Sie wird vor allem begründet mit dem Kampf gegen die Masturbation.“ (Dreßen, Die pädagogische Maschine, S. 157)

Einen zusätzlichen Stabilisationseffekt bilden Regelverstöße, die noch einmal Sinn und Notwendigkeit der Heimerziehung legitimieren. Das Fehlverhalten beweist eindeutig, daß die Heimeinweisung berechtigt ist. Die erzieherische Funktion wird durch den Eingriff gestärkt, den der Regelverstoß provoziert hat. Eine Klassifizierung und Einordnung des Fehlverhaltens weist auf die Devianz hin, die durch die Maßnahme abgefangen werden soll. Durch Kanalisierung und Ausrichtung des Verhaltens auf die Normen und Werte des Heimalltags wird die pädagogische Funktion des Heimes gestärkt.

Durch die totale Vereinnahmung der Insassen werden immer wieder Regelverstöße provoziert, da alle ihre Lebensäusserungen für die Institution offen liegen. „In der totalen Institution … gelten die Regeln rigid und immer; die dauernd kontrollierbare Ordnung ist unentrinnbar. Der Heranwachsende ist damit überanstrengt, immer erzogen zu werden. … Vorallem aber lebt der Heranwachsende in dauernder Angst, die Regeln zu brechen. … Diese Angst – das massivste Mittel der Depersonalisation – wird gestärkt durch ein spezifisches System von Sanktionen und Privilegien. Bei grobem Fehlverhalten droht Einzelhaft, Gruppen- und Heimverlegung. Selbstverständlichkeiten, die jedem zustehen, Ausgang, Fernsehen usw., gelten nur auf Probe.“ (Thiersch, Institution Heimerziehung, S. 62)

Die Produktion von Vereinsamung und Mißtrauen stabilisiert die Unselbständigkeit der Insassen, die in den Mechanismen der Heimsozialisation selbst angelegt ist. Nach außen gerichtet führt dies zu einer Aufgabe von Identität und Selbstbestimmungn zugunsten eines schematisch automatisierten Gehorsams, der bei Wegfall des äußeren Zwangs leicht hinfällig wird. Therapien, die eine Einstellungsveränderung bezwecken, sollen diesem Prozeß entgegenwirken. Hierbei ist allerdings zu bedenken, daß die Verhaltensanforderungen der Therapeuten auf einem anderen Niveau liegen und mit anderen Zielvorgaben ausgestattet sind als die der Erzieher. Während der Erzieher aufgrund seiner Praxis vordringlich sich am Verhalten der Gruppe orientiert, stellt das psychologische Personal das Individuum in den Mittelpunkt seines Interesses. Hierin sieht Thiersch einen weiteren Aspekt der Angstproduktion im Heimmilieu. “ … die verschiedenen mit Sanktionsgewalt bevollmächtigten Autoritäten, z.B. Erzieher, Psychologen, Meister, Küchenfrauen usw. beziehen sich nicht auf die gleichen Ordnungskriterien. Indem sie sich unterschiedlich, ja gegensätzlich verhalten, erleben die Heranwachsenden in der Strenge des Systems ein desorientierendes Gegeneinander, also Willkür.“ (Thiersch, a.a.O., S. 62) Die Folgen dieses innerinstitutionellen Konflikts werden dem Insassen als dem Objekt differierender Verhaltensanweisungen angelastet. Eine subjektive Einsicht in den Sinn der Maßnahmen findet regelmäßig nicht statt. Bewußtlose Unterwerfung unter Autoritäten laßt sich als Produkt dieser unterschiedlichen Verhaltensanforderungen darstellen. Durch räumliche Auslagerung der Heime aus dem unmittelbaren Lebensraum und Erfahrungsfeld der Kinder und Jugendlichen soll die Trennung von den bisherigen Lebensbedingungen, die letztlich zur Devianz führten, untermauert werden. Das bisherige soziale Wissen des Kindes oder Jugendlichen über seine Umwelt wird entwertet.

Schutzlos ist es den Anforderungen der Anstalt ausgeliefert, repressiv wird eine Integration in den bestehenden Sozialisationsrahmen der Heime vorangetrieben. Auch die Erschwerung des Kontaktes zu den Familien ist als eine Maßnahme zu sehen, die den Widerstand des betroffenen Individuums bricht und dieses für die Heimmaßnahmen zugänglich macht. Die Mortifikationsangst des Einzelnen bei der Integration in neue soziale Bereiche wird überdimensional gesteigert und trägt zur Vernichtung der bisherigen sozialen Identität bei. Insofern ist in der Ansiedelung der Heime an den Peripherien der Städte und auf dem Lande auch eine pädagogische Maßnahme zu sehen.

Die räumliche Trennung der Individuen von ihrem bisherigen sozialen Umfeld dient der Internalisierung des Normen- und Wertesystems der Gesellschaft, um den Formen der Verwahrlosung durch sanktionierte Formen der Macht entgegen zu wirken. Allein durch die institutionell vorgegebene Form der Heimerziehung sowie deren Ordnungsmuster, die eine neue Identität schaffen sollen, wird ein Entmündigungsprozeß vorangetrieben, der die Formen der Sozialtechnologie erst repressiv verankert.

„Der relative Grad der Repressivität eines Rollensystems bemißt sich an dem institutionell festgelegten Verhåltnis der hergestellten Komplementaritåt der Erwartungen zur erlaubten Reziprozität der Befriedigungen. Der relative Grad der Rigidität eines Rollensystems bemißt sich an dem institutionellen Spielraum gewährter bzw. geforderter Interpretation. Und die Art der Verhaltenskontrolle, die ein Rollensystem auferlegt, bemißt sich am Grad der erreichten Internalisierung.“ (Habermas, Thesen zur Theorie der Sozialisation, S. 11)

Da dieser Spielraum in den Heimen sehr stark eingegrenzt ist, und die Einordnungs- und Unterwerfungskriterien unter die institutionell vorgegebenen Bedingungen im Mittelpunkt der Sozialisationsmaßnahmen der Heime steht, führt die institutionell verwurzelte Repressivität bei längeren Heimaufenthalten zu einer Selbstaufgabe des Individuums, das sich letztendlich der Delegation von Verantwortung und Selbstbestimmung unterworfen hat. Bei der Entlassung, also in dem Moment, in dem der Jugendliche beziehungsweise der junge Erwachsene ein Leben gemäß den gesellschaftlich geforderten Normen außerhalb der Institution führen muß, bricht der Konflikt aus, der in dem Unterschied von Heimerziehung als öffentlicher, abgeschirmter Sozialisation und Familienerziehung als gesellschaftlich normale und bestimmende angelegt ist. Hier kann sich die Situation eines double-bind Effektes bei den Betroffenen ergeben, da die Dialektik von Unselbständigkeit und Eigenverantwortung durch die Struktur der Heime negiert und einseitig auf die notwendige Durchsetzung unbegriffener Anpassungsnormen und deren Verinnerlichung verschoben ist. Gründe des Scheiterns entlassener Heimjugendlicher an den Lebensbedingungen der Außenwelt werden im Rahmen des Individualschuld-Theorems entweder der Resistenz beziehungsweise der persönlichen Unfähigkeit, oder aber dem pädagogischen Versagen zugeschrieben. In Wahrheit aber bestimmt die gesellschaftliche Strukturierung psychischer Konditionierungsleistungen als pädagogisches Erziehungsziel die inhaltlichen Richtlinien des Sozialisationsprozesses in der Fremdunterbringung.

Die Verschiebung gesellschaftlichen Konfliktpotentials in eine qualitativ andere Dimension des Sozialisationsprozesses bedeutet wiederum eine Ausgrenzung oder Aussiedlung des Konfliktes auf die Ebene der „eingeschlossenen Sozialisation“ in der herrschenden Form der Fremdunterbringung. Da bei längeren Heimaufenthalten ein Anpassungsprozeß an die qualitativ anderen Formen der Interaktion stattfindet, besteht die Gefahr, daß im Zuge der Interventionen sich die Selbstaufgabe des Individuums mit dessen stillschweigendem Einverständnis vollzieht. Da im Kontext des Diskurses über das Soziale die Anpassung im Vordergrund steht, können Heimaufenthalte zu einer Form der Unmündigkeit führen.

Während des Heimaufenthaltes findet durch soziale Kontrolle auch eine Entlastung der Heimkinder und Heimjugendlichen statt, da deren soziale Pflichten und Bedürfnisse durch das pädagogische Personal gesteuert werden. Diese Delegation sozialer Handlungsstränge beinhaltet zum einen Potenzierung von Unselbständigkeit und Unmündigkeit. Zum andern wird davon ausgegangen, daß Probleme, die aus sozialen Handlungen resultieren, abgefangen und in Bahnen gelenkt werden, die dem sozialen Muster öffentlicher Heimerziehung entsprechen. So findet eine Verdichtung und Verstärkung sozialer Insuffizienz statt, die durch den spezifischen Charakter der Heime als sozialer Institution geprägt ist.

Der Konflikt zwischen Selbstbestimmung und Anpassung, der spätestens bei der Heimentlassung ausbricht, birgt die Tendenz in sich, die Unselbständigkeit als integrativen Faktor der öffentlichen Sozialisation der Heimerziehung in den Individuen zu verankern. Soziale Integrationsprozesse werden gefährdet, da Überanpassung dann aufbricht, wenn soziale Konflikte nicht mehr aufgefangen werden. Dies ist nach unserer Meinung ein zentrales Element gesellschaftlicher Produktion von „Stammgästen geschlossener Institutionen“. Heimaufenthalte erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer späteren kriminellen Karriere (vgl. Estermann, Die Bedeutung von Erziehungsheim- und Erziehungsanstaltsaufenthalten für kriminelle Karrieren, S. 30ff).

Die Entlassung ist offensichtlich genauso problematisch wie der Aufenthalt selber. „Während der Ablösungsprozeß von Jugendlichen aus ihrer Herkunftsfamilie allmählich sich vollzieht, überwiegend vom individuellen Reifezustand abhängig ist, oder durch praktische Gründe wie Übersiedlung an den Ausbildungsort eingeleitet wird, bestimmen administrative oder gesetzliche Regelungen wie z.B. die Aufhebung der Maßnahme oder die Volljährigkeit des Zöglings den Zeitpunkt der Heimentlassung. Da die Heimentlassung aufgrund einer administrativen Maßnahme erfolgt, kollidiert sie häufig mit besonders belastenden Situationen der jungen Menschen – seien es Arbeitssuche und der Beginn einer neuen Tatigkeit, seien es die Aufnahme einer Berufstätigkeit nach Abschluß der Lehre oder die Fortsetzung einer Berufsausbildung. Im Vergleich zu den in der Familie aufgewachsenen jungen Menschen fehlt den Heimentlassenen ein familiales Auffangnetz, das sie in belastenden Situationen berät.“ (Bieback-Diel, Heimerziehung und was dann?, S. 89f)

Die Situation der Entlassung bedeutet einen radikalen Bruch in den Lebensbeziehungen und Lebenserfahrungen des Heimjugendlichen. Die bisher geltenden sozialen Normen und Orientierungsmuster werden entwertet. Die sozialen Beziehungen des Jugendlichen, die sich aufgrund der abgeschlossenen Struktur der Heime sehr stark an anderen Heimjugendlichen orientieren, werden in ihrer Intensität und Qualität zwangsläufig erheblich beeinträchtigt. Die Affinität der Jugendlichen zum Heim zeigt sich auch darin, daß viele sich in dessen Nähe eine Wohnung oder ein Zimmer suchen, um durch eine geringere räumliche Entfernung die entstandene Distanz zum bisherigen Lebensbereich zu verringern.

Empirische Untersuchungen zeigen, daß ein ganz erheblicher Prozentsatz (ca. 1/3) derjenigen, die vor der Unterbringung in der letzten Einrichtung nicht im Nahbereich der Einrichtung gelebt haben, nach der Entlassung in der Nähe des letzten Heimes verbleibt (vgl. z.B. Elger, Die Situation Heimentlassener Jugendlicher und junger Erwachsener). Dies macht deutlich, daß die Heime infolge der entstandenen Bindungen eine nicht unerhebliche Verantwortung auch für die weitere Lebensgeschichte der Betroffenen tragen müßten. Es sind überwiegend die herkunftsfern Untergebrachten, von denen häufig über die Hälfte nach der Entlassung nicht an den Herkunftsort zurückkehren. Die Nähe des Heimes setzt offenbar Maßstäbe bei der sozialen Orientierung der ehemaligen Insassen. Dafür werden allerdings auch Stigmatisierungen in Kauf genommen, da der soziale Kontakt zum näheren Umfeld des Heimes so stark ist, daß das Stigma (Goffman) „Heimzögling“ mit größerer Sicherheit haften bleibt.

Eine zusätzliche Belastung entsteht dadurch, daß dem Heimjugendlichen durchaus bewußt ist, daß seine Beziehungen zum pädagogischen Personal Arbeitsbeziehungen sind und also mit der Entlassung aus dem Heim auch die emotionale Zuwendung des Personals entfällt. Dem Heimjugendlichen fehlt in der Regel im Gegensatz zu einem „Familienkind“ der Rückhalt und das Sicherheitsgefühl, die zur sozialen Stabilitåt beitragen.

Die Heimentlassung wird von den Jugendlichen als ein Bruch zwischen eingeübten Verhaltensmustern und Selbständigkeit gesehen, aus der Orientierungslosigkeit resultiert. Probleme und Fehlverhalten ehemaliger Heimjugendlicher dienen oft als Negativbeispiele für die Heiminsassen. Obwohl die Heimentlassung die Befreiung von den durch die Heime durchgesetzten Mustern der Unmündigkeit und der Selbstaufgabe bedeutet und auch als Verwirklichung der Freiheit an sich herbeigesehnt wird, ist sie andererseits von starken Ängsten und Insuffizienzgefühlen begleitet.


Abschnitt 3 Fallbeispiele

Wir haben oben dargestellt, daß das Heim durch seine Abgrenzungskriterien gegenüber der Gesellschaft als Modell geschlossener Unterbringung Verselbständigungsbemühungen zugunsten einer Anpassungsstrategie restringiert und so soziale Eingliederungsschwierigkeiten verstärkt. Die Probleme können beispielsweise in Rückzügen aus sozialen Kontakten, Vereinsamung, Alkoholismus, Geldschwierigkeiten, Kriminalisierung etc. bestehen. Deshalb sieht sich das pädagogische Personal oft aus eigenem Verantwortungsgefühl heraus gezwungen, in der Freizeit eine unbezahlte Nachbetreuung zu leisten, um die soziale Funktion der Heime als Sozialisationsinstanz herstellen zu können. Da dies nur in relativ wenigen Fällen erreicht werden kann, und da Erzieher und Sozialarbeiter keine den Erfordernissen adäquate Nachbetreuung liefern können (obwohl natürlich eine Kontrolle durch Jugendamt bzw. Staatsanwaltschaft und Polizei bestehen bleibt), hat sich im Anschluß an die Heimkampagne (vgl. Ahlheim u.a., Gefesselte Jugend) und im Zuge der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters das Problembewußtsein für das Dilemma der sozialen Folgen geschärft, die aus der Heimentlassung resultieren. Durch die Bildung von Wohngemeinschaften und durch das Anmieten von Wohnungen für die Insassen versuchen die Heime möglichen negativen Folgeerscheinungen der Heimsozialisation zu begegnen. Da auch Maßnahmen wie betreutes Einzelwohnen als Probehandlung sozialer Mündigkeit nur für einen ganz geringen Teil der Heimjugendlichen angeboten werden können und diese gezwungen sind, sich im Zuge der Heimentlassung relativ kurzfristig neue Wohnungen zu suchen, ist die Effektivität dieser Maßnahme äußerst begrenzt. Als ein Ergebnis der Fallstudien läßt sich festhalten, daß auch Einzelpersonen, die in Jugendgruppen betreut wurden, sowie Jugendliche, denen betreutes Einzelwohnen angeboten wurde, trotz dieser Hilfestellung beträchtliche Probleme hatten, da die Maßnahmen mit der Heimentlassung auslaufen.

Gebremst wird der Erfolg von eventuellen Nachbetreuungsmassnahmen zudem noch durch die Autoritätsprobleme, die oft als Resultat der Heimerziehung das Verhältnis von Nachbetreuer und Zöglingen belasten. Die in den Heimen bestehenden Herrschaftsstrukturen und die Anpassung an sie rufen die Gefahr der Übernahme von Interaktionsmustern hervor, die der neuen Situation nicht mehr angemessen sind. Ausserdem sind Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für pädagogische Mitarbeiter in diesem Bereich sehr begrenzt.

Da die Heimentlassenen nicht mehr dem Bereich der Heimerziehung zuzuordnen sind und da nach der Entlassung die Sozialarbeiter des Bezirks, in dem ihre Wohnung liegt, zuständig werden, braucht das Heim als Institution in seinem Selbstverständnis das weitere Schicksal der ehemaligen Zöglinge nicht zu verantworten. Entsprechend sind Gründe für eine Nachbetreuung durch das Heim in der Legitimitat beziehungsweise Legitimierung der Heimerziehung zu finden, die sich auch in der Arbeitszufriedenheit des pädagogischen Personals niederschlägt.

Beziehungsdefizite, die sich während des Heimaufenthalts in der Regel herausgebildet haben, erschwerten den untersuchtenn Jugendlichen die Integrationsmöglichkeiten in eine selbstbestimmte Existenz. Isolationsverstärkend wirkten sich die passiven Rezeptionsgewohnheiten der Heimjugendlichen aus. Ihr Verhalten nach außen war stark gepragt durch Ängste und Isolation gegenüber anderen Individuen. Durch die Gruppenkonstellationen in den Heimen kristallisierte sich bei den von uns untersuchten Jugendlichen ein schwer zu durchbrechendes Misstrauen gegenüber der Umwelt heraus. Ein Jugendlicher versteckte aus Angst vor Besuchern, die aus demselben Sozialisationsrahmen kamen wie er, sein Geld in dem Duschablauf. Als er dann duschte, spülte er sein Geld in die Kanalisation. Obwohl dieses Einzelverhalten überdimensionale Ängste signalisiert, ließen sich Tendenzen der Abschließung und Isolation in der Regel auch bei anderen Fallbeispielen feststellen. Ein Jugendlicher, der nach fünfjährigem Heimaufenthalt wieder zu seiner Mutter zog, isolierte sich total, indem er sich zu Hause verbarrikadierte und seinen Kontakt zur Außenwelt auf das Fernsehprogramm reduzierte, das er sich durchgängig ansah. Diese freiwillige Einsperrung, die aus seiner Heimerfahrung resultierte, führte zu einer kaum durchdringbaren Abkapselung von der Umwelt. Auch wenn Überreaktionen sich zum Teil aus der psychischen Disposition und der spezifischen sozialen Lage des Einzelnen ergaben, so läßt sich doch feststellen, daß alle von uns untersuchten Jugendlichen dazu neigten, sich selbst zu isolieren. Obwohl Kontakte zwischen Heimjugendlichen bestehen und sie so über den Verbleib ihrer Mitinsassen informiert sind, versuchen sie sich gerade beim Auftreten von Problemen auch von diesen losen Kontakten abzusetzen, da sie für die Beteiligten eine Form sozialer Kontrolle darstellen.

Angst vor Kontakten führt zu Barrieren im Umgang mit offiziellen Stellen, die von den ehemaligen Heiminsassen in der Regel emotional negativ besetzt werden. Sozialarbeiter sind für die Heimeinweisung zuständig gewesen, aus der der Leidensdruck während der Heimerziehung folgte. Dies führt dazu, daß die Stellen, die laut gesetzlichem Auftrag die Nachbetreuung regeln sollen, von den Jugendlichen ungern aufgesucht werden, da sie von ihnen Restriktionen befürchten.

Entscheidend aber ist die Insuffizieng im Bereich des sozialen Handelns, die im Umgang mit Bürokratien dazu führt, daß die jungen Erwachsenen durch ein nichtangemessenes Verhalten im Nachteil sind. Da sie sich durchweg nicht mit den Anforderungen eines bürokratischen Amtsweges auskennen und meist nicht in der Lage sind, die erforderlichen Bescheinigungen beizubringen, fallen sie aus den Mustern bürokratischer Sachkompetenz heraus. Überdies mußten sie sich meist noch mit den Heimen in Verbindung setzen, um notwendige Bescheinigungen zu bekommen. Haufig fuhlt sich da aber kaum jemand fur die entlassenen Jugendlichen verantwortlich. Eine von uns betreute Person mußte mehrmals in das Heim fahren, um die Sperrkarte für ihr Sparguthaben zu bekommen. Solche Situationen führen dazu, daß die Jugendlichen dann lieber auf ihre Ansprüche verzichten, als daß sie „hinter den Erziehern herlaufen“.

In einem anderen Fall hat sich ein Jugendlicher beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. Da er vom Hauswirt keinen Schlüssel für den Briefkasten bekommen hatte (was von diesem auf Nachfrage bestätigt wurde), verlor er seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und -hilfe. Er meldete sich namlich nicht auf entsprechende Aufforderung beim Arbeitsamt, da er die Post nicht erhalten hatte. Bei der Reintegration dieses Jugendlichen machte sich dieser Sachverhalt erschwerend bemerkbar. Als er kein Geld mehr besaß, sich aber eine neue Arbeit gesucht hatte, mußte er beim Sozialant Übergangsgeld beantragen. Dieses wurde ihm verweigert mit der Begründung, daß er Anrecht auf den Lohn habe, den er verdiene. Durch Intervention von Seiten des Projektes und da sich der zuständige Sozialarbeiter auch für ihn einsetzte, wurde ihm dann das Übergangsgeld gewährt. Diese doppelte Intervention gegenüber dem Sozialamt war offensichtlich notwendig, um die Zahlung zu erreichen. Allerdings überwies ihm das Sozialamt den Betrag nicht auf sein Konto. Stattdessen bestellte ihn der Sachbearbeiter mehrmals zur Auszahlung zu sich. Da dies nur während der Arbeitszeit möglich war und sich der Jugendliche in der Probezeit befand, war durch diesen Umstand auch eine Bedrohung der Reintegration gegeben.

Als eine besonders gravierende und sich verhangnisvoll auswirkende Tendenz erwies sich, daß der größte Teil der Jugendlichen Anforderungen und Probleme ignorierte, die aus ihrem Handeln resultierten. Ein von uns betreuter junger Erwachsener zog, nachdem sein Strom gesperrt worden war, zu seinem Bruder, ebenfalls einem ehemaligen Heimzögling. In der Folge zahlte er keine Miete mehr und nahm auch die Räumung seiner Wohnung nicht wahr. Zu dieser Zeit arbeitete er in einem Gartenbaubetrieb. Allerdings konnte er keine Lohnsteuerkarte abgeben, da er nirgendwo mehr gemeldet war. Seinem Arbeitgeber sagte er mehrmals auf dessen Anfragen hin zu, daß er seine Lohnsteuerkarte nachreichen würde, obwohl er nicht wußte, wie er sie beibringen sollte. Nachdem von unserer Seite im Spätsommer mit dem Arbeitgeber Kontakt aufgenommen worden war, wurden wir auf das Problem aufmerksam. Sein Arbeitgeber argumentierte, daß er dem jungen Erwachsenen fur den Rest des Jahres kaum noch Geld auszahlen könne, da er ihn in die höchste Lohnsteuergruppe einordnen müsse, wenn keine Lohnsteuerkarte vorliege. Daß dem ehemaligen Heimzögling überhaupt die ganze Zeit noch sein Lohn ausbezahlt wurde, lag daran, daß er in einem Kleinbetrieb arbeitete, in dem ein patriachalisches Arbeitsverhältnis herrschte und in dem wenigstens zeitweise diese Form der Devianz abgefangen werden konnte. Durch unsere Intervention gelang es, den jungen Erwachsenen dazu zu ermutigen, sich anzumelden und gleichzeitig eine Lohnsteuerkarte zu besorgen.

Ein anderer Jugendlicher, der umzog, war nur schwer dazu zu bewegen, seine Wohnung zu räumen, nachdem er die Sachen, die er noch weiterhin benutzte, in seine neue Wohnung transportiert hatte. Obwohl darauf insistiert wurde, daß die Wohnung von dem Vermieter erst weitervermietet werden könne, nachdem sie vollständig geräumt und gesäubert sei, brauchte der Jugendliche über einen Monat dafür. Für die Zeit mußte er noch weiterhin Miete bezahlen. Für ihn war es nur schwer einsichtig, daß er seine alte Wohnung noch alleine und selbständig räumen sollte, nachdem er nicht mehr in ihr wohnte.

Diese Form von Eigeninteresse resultiert unseres Erachtens auch aus einer Form von Heimerziehung, in der sich der Einzelne von den sozialen Bezugspunkten distanziert und die Verantwortung für sein Handeln auf das pädagogische Personal übertragt. Eine Verantwortlichkeit kann erst dann erreicht werden, wenn sie ihm unmittelbar übertragen wird und der Jugendliche selbst einsieht, daß niemand anderes bereit ist, für die Konsequenzen aufzukommen, die sich aus seinem Handeln ergeben. Durch defizitäre Handlungskompetenz produzieren die Jugendlichen oft Situationen, in denen sie ihre eigene Desintegration beschleunigen, da sie sich nicht gemäß den Normen und Werten ihrer Umwelt verhalten.

In unseren Fallbeispielen und Interviews konnten wir feststellen, daß Sozialisationsleistungen, die die Jugendlichen im Heim unter Zwang erfüllten, ihnen äußerlich blieben. Dies betrifft besonders die Bereiche Hygiene und Arbeitsmotivation. In einigen Fällen konnten wir feststellen, daß mit dem Fehlen eines Sexualpartners die Hygienebereitschaft fast vollständig nachließ. So schaffte sich ein Jugendlicher, nachdem ihn sein Partner verlassen hatte, eine zweite Katze als Ergänzung zum schon vorhandenen Kater an. Nach dem zweiten Wurf stieg die Zahl der Tiere auf sieben. Er konnte nun nicht mehr verhindern, daß die Katzen die Wohnung in einen Zustand versetzten, der einen weiteren Aufenthalt für Menschen fast verunmöglichte. Durch die Bereitstellung einer billigeren Wohnung beugten wir der Kündigung vor, die drohte, nachdem sich der Mieter in dem darunterliegenden Stockwerk über einen Wasserrohrbruch beklagte, der allerdings nicht stattgefunden hatte. Vielmehr waren die Katzen für die „Wasserflecke“ in der Wohnung des Nachbarn verantwortlich. Mit dem Umzug konnte dann auch die Zahl der Katzen mit Hilfe der Sendung „Tiermarkt“ des Senders Freies Berlin – es sei ihm hier gedankt – auf zwei männliche Exemplare verringert werden.

Ein Jugendlicher suchte sich erst Arbeit, nachdem der Druck durch die Entziehung der materiellen Reproduktionsgrundlage so stark geworden war, daß er sonst nicht mehr hätte überleben können. In vielen Fällen war auch Langeweile eine entscheidende Motivation bei der Eingliederung in den Arbeitsprozeß. Zum Teil konnten wir mithin eine erstaunliche Bereitschaft zu Überstunden feststellen. Dies mag daran liegen, daß soziale Bindungen im engeren Bereich nicht vorhanden oder aber nicht tragfahig waren. Bei einem Fall stand und fiel die Motivation zur Arbeitsleistung mit der Verfügbarkeit eines Sexualpartners. In einem anderen Fall war die Unterwerfungsbereitschaft unter die Anforderungen des Arbeitsprozesses allzu gering. Nach der Entlassung fing der Jugendliche mit einer Lehre an. Schon nach vier Wochen erhielt er die Kündigung, da er nach einer Auseinandersetzung mit dem Meister nur noch ganz selten am Arbeitsplatz erschien. Dafür machte er den Meister verantwortlich, da dieser zu wenig auf ihn eingegangen sei. Inzwischen konnte ein Lehrvertrag in einem Sonderprojekt geschlossen werden. In diesem Ausbildungsverhältnis ist eine intensive Betreuung des Lehrlings durch den Meister gewährleistet. Es stellt sich allerdings die Frage, ob eine Bewährung in einem normalen Arbeitsverhältnis, zum Beispiel in der Industrie, möglich sein wird. Dies wird davon abhängen, ob der weitere Sozialisationsprozeß die Mängel der Heimerziehung in Gestalt der Verankerung intrinsischer Motivationen auffangen kann.

Ein anderer Jugendlicher sollte gekündigt werden, da er fast regelmäßig zu spät an seiner Arbeitsstelle erschien. Als wir das Problem mit ihm durchsprachen, verwies er darauf, daß er den Wecker morgens immer abstelle, danach aber regelmäßig wieder einschlafe. Nachdem wir ihm empfahlen, den Wecker an das andere Ende des Raumes zu stellen, so daß er aufstehen müsse, um ihn abzuschalten, kam er nicht mehr zu spät.

Dies mag als kleines Beispiel für Insuffizienzen dienen, die in der Heimsozialisation nicht kompensiert werden konnten, wenn sie nicht sogar Spezifika derselben darstellen. Der Problemhorizont bei unterschiedlichen Fällen verweist auf die durchgängige Sozialisation von Insuffizienz, die sich im Rahmen des Heimaufenthaltes herauskristallisiert hat. Da wir diesen Umstand allerdings nur an einer begrenzten Anzahl von Einzelpersonen festmachen konnten, läßt sich vorläufig nur eine hypothetische Annahme dieser Spezifika rechtfertigen.

Obwohl die Jugendlichen sich häufig in räumlicher Nähe des Heimes ansiedeln, wird der Kontakt zum Heim nur gesucht, wenn das anstehende Problempotential nicht übermäßig hoch ist. Insofern stehen die Jugendlichen unter einem subjektiven Erfolgsdruck, da sie durch die Ausgrenzungskriterien der Gesellschaft deren negatives Zerrbild von sich übernehmen, das sie in Versagenssituationen subjektiv auf diese zurückprojizieren. Die dadurch hervorgerufenen Ängste können schon während der Heimerziehung sehr leicht zu Disziplinierungsmitteln werden; der Konflikt ist latent in den Mustern der Heimerziehung angelegt. Insuffizienz im sozialen Bereich führt auch zu einer Potenzierung der Integrationsschwierigkeiten, sobald die Jugendlichen auf die Hilfe des Arbeitsamtes oder des Sozialamtes etc. angewiesen sind, wo Sprachbarrieren und mangelnde Handlungskompetenz die Ausgrenzungsmechansimen verschärfen, zumal die Jugendlichen zum größten Teil über ein niedriges Frustrationspotential verfügen.

Ein weiteres zentrales Problem besteht in der Tendenz zur Vereinsamung der ehemaligen Zöglinge, da im Heim jederzeit soziale Kontakte herstellbar sind und die Heimjugendlichen kaum Gelegenheit hatten, außerhalb der Institution die Aufnahme und Aufrechterhaltung von Kontakten unter „normalen“ Bedingungen zu üben. Dies liegt mit daran, daß diese seltenen externen Kontakte häufig mit Stigmatisierungseffekten verbunden sind. Eine von uns interviewte ehemalige Heiminsassin beschrieb dieses Problem mit dem Hinweis darauf, daß sie während des Heimaufenthaltes nicht in der Lage gewesen wäre, dauerhafte Kontakte nach außen aufzunehmen. Dies sei ihr erst gelungen, nachdem sie sich in ihren Kontakten nicht mehr mit dem Odium der Heimerziehung belastet fühlte. Die Tendenz zur Diskriminierung und Stigmatisierung von Heimjugendlichen ist für Außenkontakte wie Schulbesuche und Lehre, soweit sie nicht in geschützten Räumen (Lehrwerkstätten, Heimschulen etc.) stattfinden, für die Sozialisation der Jugendlichen problematisch. Ein Jugendlicher klagte darüber, daß er während seiner Lehre in der Berufsschule seinen Mitschulern verheimlichen mußte, daß er „aus dem Heim kam“, da er befurchtete, sonst geschnitten zu werden. Er habe schon öfter erfahren, daß Kontakte abgebrochen worden seien, nachdem bekannt wurde, woher er kam. Die Äußerungen der Mitschüler über Heimjugendliche waren so niederschmetternd, daß sein Individuationsprozeß schweren Schaden nahm. Ein anderer von uns betreuter Jugendlicher arbeitete Vereinsamungstendenzen nach der Entlassung entgegen, indem er haufig eine Gaststätte besuchte, wo er monatlich tausend Mark ausgab. Der hohe Betrag kam dadurch zu Stande, daß er Leute einlud, um „normale“ Beziehungen aufzubauen. Die damit verbundene Tendenz zum Alkoholismus ließ immer dann nach, wenn er eine feste Partnerin hatte.

Bei „gelungenen“ Sozialisationen stellten wir eine starke Fixierung nicht nur auf den Partner selbst, sondern auch auf dessen Familie fest. So beklagte der zukünftige Schwiegervater die Vereinnahmung durch einen ehemaligen Heimjugendlichen, der mit seiner Tochter im selben Haus wohnte wie er, da dieser ihn sechs bis acht mal am Tag besuchte, ohne irgend einen konkreten Anlaß zu haben. Nach einigen Monaten und massiven Interventionen stellten sich allerdings Verselbständigungsprozesse ein, die dieses Spannungsverhältnis beseitigten. Das gesamte Freizeitverhalten einer anderen Insassin konzentrierte sich auf Aktivitäten mit der Familie des Partners, was nach einiger Zeit die Stabilität des Verhältnisses massiv gefährdete. Eine Lösung zeichnete sich erst ab, nachdem die Frau schwanger wurde und sich in der Folge um sich selber und ihre eigenen Ansprüche und Lebenswelten kümmerte. Die hohe Heiratsmotivation bei ehemaligen Heiminsassinnen resultiert aus der Suche nach Bindungen, die dazu dienen können, aus den eigenen Problemkonstellationen herauszufinden und nach außen die Solidität eines funktionierenden Familienzusammenhangs zu dokumentieren. Diese Motivationsstruktur führt zu zum Teil sehr frühen Schwangerschaften mit den korrespondierenden sozialen Problemen, die sich in der Regel erst Jahre später bemerkbar machen. Andererseits ist diese Motivationsstruktur bei Frauen als ein wesentlicher Grund für Abbruch beziehungsweise Unterlassen einer kriminellen Karriere und den mit dieser einhergehenden Gefährdungen durch Alkoholismus, Drogensucht und Prostitution anzusehen.

Als wesentlicher Problemkomplex ist weiterhin die ökonomische Situation der Heimentlassenen im Zusammenhang mit ihrer defizitären Verselbständigung zu benennen. Gerade in der ersten Zeit nach der Heimentlassung zeigt sich in der Regel eine Unfähigkeit zu finanziellen Dispositionen in den Bereichen Haushaltsführung und Anschaffung von höherwertigen Konsumgütern, die wegen eines verständlichen Nachholbedarfs subjektiv einen enormen Stellenwert haben. So kaufte sich ein Jugendlicher, der 1300 DM verdiente, für 1200 DM einen Mikrocomputer, den er nach 10 Tagen für 200 DM wieder verkaufen mußte, da er sich absolut keine Lebensmittel mehr leisten konnte. Auch Autos haben gerade für die Heimjugendlichen einen besonders hohen Stellenwert, da sie Freiheit und Mobilität symbolisieren. Ein extremer Verschuldungsgrad wird deshalb gerade für dieses Konsumgut in Kauf genommen, nicht zuletzt weil der Besitz eines Autos für die Jugendlichen Solidität und Erfolg darstellt. So nahm ein Jugendlicher, nachdem er sich ein Auto gekauft hatte, wieder Kontakt mit dem Heim auf, um seinen Erfolg zu demonstrieren. Als er sein Auto verkaufen mußte, ließ er sich bis zum Kauf eines neuen im Heim nicht mehr sehen. Eine andere ehemalige Heimjugendliche, die es geschafft hat, ein Studium aufzunehmen, arbeitete während des Semesters in einer Imbißbude, um einen Kredit für den Kauf eines Autos von 15000 DM abzahlen zu können. Ein Jugendlicher schaffte sich innerhalb eines halben Jahres vier Autos an und unterschrieb für jedes einen Versicherungsvertrag jeweils bei einer anderen Versicherung. Er war nicht in der Lage, die daraus resultierenden Schulden zu begleichen und mußte in der Folge alle Fahrzeuge mit Verlust wieder verkaufen, sofern sie nicht verschrottet werden mußten. Unter Umständen führen solche Problemlagen zu Kriminalisierungen beziehungsweise hohen langfristigen finanziellen Verpflichtungen. Strafrechtliche Verfahren konnten durch unsere Intervention im Hinblick auf Schaffung von vertraglichen Abzahlungsmodalitaten verhindert werden. Auch Unterschlagungen, die zu Anzeigen geführt hatten, konnten wir abfangen. So lieh sich ein Jugendlicher mehrere Videokassetten aus und gab sie nicht mehr zurück. Wir konnten den Besitzer der Videothek zur Zurücknahme einer Anzeige bewegen, indem wir einen Ratenrückzahlungsvertrag vereinbarten. In anderen Fällen konnten Anklagen wegen Betrugs oder Unterschlagung nicht verhindert werden. Interviews mit ehmaligen Heiminsassen, die eine Gefängniskarriere beschritten hatten, bestätigten, daß diese Delikte häufig zur ersten strafrechtlichen Verurteilung führten (vgl. auch Estermann, Kriminelle Karrieren, S. 67ff). Massive Verschuldung, die hoffnungslose Situationen provozierte, bestimmte bei vielen Gefangenen den Weg in die kriminelle Karriere.


Abschnitt 4 Konsequenzen der Heimsozialisation

Die Ausgrenzungskriterien, die sich über die sozialen Folgen entmündigender Heimsozialisation herauskristallisieren, sind tendenziell in den Kriterien der Heimerziehung und -einweisung unmittelbar angelegt. Die Distanz zwischen den Sozialarbeitern beim Jugendant einerseits, die für die Maßnahme einer geschlossenen Unterbringung mit zuståndig sind und den Heimen andererseits sowie die im allgemeinen mangelhafte Kenntnis von der konkreten Erziehungsstrategie der Heime bzw. der Heimgruppen beim Jugendamt führen dazu, daß in der Regel der Heimplatz zufällig gewählt wird und weder die Bedürfnisse noch die spezifisch soziale Devianz des Einzuweisenden ausschlaggebend sind: Vielmehr wird nach organisatorischer Funktionalität, bürokratischen Eigeninteressen oder einfach nach momentanem Platzangebot entschieden.

„Die Heimplatzsuche erfolgt in der Regel von Sozialarbeitern oder Verwaltungsangestellten, deren Arbeitssituation stark von verwaltenden, aktenführenden Tätigkeiten geprägt ist. Sie erledigen ihren Auftrag in der Regel ohne persönliche Kenntnis der Situation und der Schwierigkeiten des unterzubringenden Kindes und Jugendlichen. Sie wirken auch nicht mit an der Feststellung oder Festlegung der Art der Erziehung, die imHeim erfolgen soll.“ (Manfred Rabatsch, Die Zustände in Heimen werden mehr verschwiegen als verändert, Jahrbuch der Sozialarbeit 3, S. 255)

Das Zusammentreffen mehrerer objektiv angelegter Funktionen zwingt die Heime, die Problemkonstellation selbständiger Lebensführung zu negieren. Ihre Effizienz ist eher in der zeitweiligen Einschließung abweichender Kinder und Jugendlicher zu sehen als in der Effektivität einer sozialpädagogischen Maßnahme, die zu einer gelungenen Sozialisation beitragen soll. Die Eigendynaaik der spezifischen Muster einer geschlossenen Unterbringung negiert tendenziell pädagogische Massnahmen durch eine Form der Funktionalität, in der Aufbewahrung und Verwaltung dominieren.

Soziales Lernen orientiert sich an den spezifischen Rollenmustern, die den Anpassungsnormen der Heimsozialisation und den ihr eigenen adäquaten Interaktionsformen gehorchen. Institutionell werden diese spezifischen Orientierungsmuster durch eine juristische Fixierung des Sorgerechtsentzuges gehandhabt. Auch wenn heute gerade in Berliner Heimen die freiwillige Einweisung überwiegt, die die Eltern mit ihrer Unterschrift bestätigen, so ist diese doch in den meisten Fallen durch Druck von Seiten der Sozialarbeiter oder anderer Instanzen sozialer Kontrolle zustandegekommen, so daß auch die formale Freiwilligkeit dieser Maßnahme faktisch während des Heimaufenthaltes zu denselben Entmündigungsprozessen führt. Daß die Eltern dazu gebracht werden, in diese freiwillige Maßnahme einzuwilligen, bedeutet für die Sozialbürokratie erhebliche Zeitersparnis. Das besondere Rechtsverhältnis, das sich auch in den Heimen als Durchsetzung des Rechts in den institutionalisierten Inhalten eines „Gegenrechts“ (vgl. Foucault, Uberwachen und Strafen, S. 287f) manifestiert, ist in einem „besonderen Gewaltverhältnis“ begründet. In diesem Punkt besteht unter anderem die strukturelle Übereinstimmung von Gefängnis, Jugend- und Kinderheim, Psychiatrie und heilpädagogischen Einrichtungen: „Die besondere Gewalt meint, daß hier keine Gesetze das Hausregiment regeln, sondern daß eine Art rechtsfreie Zone die Insassen umschließt und der Institution sehr weitgehende Verfügungsrechte über sie (die Insassen, d.V.) einräumt – ursprünglich bis zu groben Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit. Die besondere Gewalt hat manche Züge des Elternrechts. Diese rechtsverdünnte Exterritorialität kennzeichnet auch die heilpädagogischen Einrichtungen, sofern ihre Zöglinge entmündigt oder gerichtlich der elterlichen Gewalt entzogen sind.“ (Herzog, Heilpädagogik – Aussonderung mit und ohne Wissenschaft, in: Homes, Heimerziehung, S. 122)

Auf Grund des „Verfügungsrechts“ über das Wohl der Insassen und der daraus resultierenden weitgefaßten Eingriffsmöglichkeiten des institutionalisierten „Gegenrechts“ als „Eigenrecht“ der Institution, entwickelt sich eine Eigendynamik der Disziplinarstruktur der Heime, die die Perspektive auf ein eigenständiges Leben hinter den Ordnungsfunktionen und der Aufrechterhaltung der funktionalen Struktur der Heime verschwinden läßt. Diese Determination der inhaltlich pädagogischen Arbeit durch die bürokratischen Erfordernisses und Anliegen beschreiben Struck und Thone anhand eines psychagogischen Kinderheimes: „Neben Therapie und pädagogischer Leitung waren dann noch die Verwaltung und die mit ihr eng verzahnte Hauswirtschaftsleitung dem Erzieher vorgesetzt. Sie definierten Probleme, Mißstände, Schlampigkeiten gemäß ihrer Logik und setzten Lösungen durch, die ihrer Verwaltungsrationalität als die einzig denkbaren erschienen. Daß die damit einhergehende Kontrollbesessenheit aber in vielen Fällen pädagogischen Erfordernissen zuwiderlief, davon gab es lange kein Bewußtsein. Es gab so gut wie keine von den Gruppen selbstverwaltete Etats und die Beantragungsprozeduren verhinderten oft sinnvolles, spontanes Engagement.“ (Struck/Thöne, in: Brockmann u.a. (Hg.), Jahrbuch der Sozialarbeit 3, S. 264)

Von bürokratischen und verwaltungstechnischen Übergewichten bestimmte durchorganisierten Strukturen bewirken, daß die pädagogische Zielsetzung zum zweitrangigen Moment der Heimsozialisation wird. Die Aufgaben des pädagogischen Personals werden sekundär, da sie auch in ihrer praktisch-erzieherischen Tätigkeit den vorgelagerten „Organisationsbelangen“ unterworfen sind. Sie treten in den Heimen in erster Linie als Disziplinierungsagenten auf. Daraus läßt sich eine Tendenz zur Trennung und Distanzierung vom Klientel ableiten, da die Durchsetzung der Disziplinar- und Ordnungsmuster an die bürokratische Struktur des Heimes rückgekoppelt ist.

Diese Vorherrschaft des Autoritätsprinzips wird von Struck und Thöne anhand der alltaglichen Erziehungsarbeit folgendermaßen skizziert: „Das Klima des Heimes wurde allerdings am stärksten durch eine besondere pädagogische Variante bestimmt: Die Forderung nach Distanz des Erziehers gegenüber den Kindern. Diese von Angst vor Autoritätsverlust gespeiste Forderung wurde aus einem völlig verhohnepiepelten Begriff von ‚Übertragung‘ abgeleitet und war eine absurde Karikatur der analytischen Neutralitätsforderung.“ (Struck/Thöne, ebenda, S. 264)

Die pädagogischen Arbeiten werden durch diesen objektiv konstituierten Problemkomplex – sofern sie nicht von vornherein auf eine blinde Durchsetzung der Heimordnungen ausgerichtet sind – erschwert. Akten der Unselbständigkeit kann in diesem Rahmen kaum entgegengesteuert werden, da sie integraler Bestandteil der Heimerziehung sind. Die Rahmenbedingungen pädagogischer Arbeit sind in ein offenes Konfliktfeld eingebunden, sobald in der Praxis Verselbständigungsprobleme auftauchen. Es wird zwar einerseits ein Verhaltensmodus gefordert und institutionell unterstützt, der die Integration in soziale Lebenszusammenhänge durch Schule, Ausbildung, Lehre und berufsbildende Kurse ermöglichen soll, andererseits kann dies innerhalb der herkömmlichen Heimstrukturen nur auf Kosten einer auf Selbständigkeit beruhenden Handlungskompetenz erreicht werden.

Bei längeren Heimaufenthalten laufen die Interaktionsmuster der Insassen darauf hinaus, daß sie die Verantwortlichkeit für ihr Handeln letztendlich an die Instanzen der pädagogischen und sozialen Betreuung im Heim delegieren.

Eine Überanpassung und Unterwerfung unter die Sozialisationsmuster als Moment der Selbstaufgabe kann als Ergebnis dieser Sozialisationsmuster betrachtet werden. Die Probleme, die dann erst im Falle der Heimentlassung auftauchen, zeigen, daß diese Unterwerfung unter die Disziplinarmacht der Heime zum Teil als äußerliches, aufgesetztes Sozialisationsmuster im Grunde nicht angenommen wurde.

Die Kriterien der Heimerziehung bleiben den Zöglingen eigentlich äußerlich. Als prägende Muster des Sozialisationsprozesses werden sie nur angenommen, solange sie durch den Zwang des alltäglichen Lebens vermittelt sind. Greifen diese Mechanismen der unmittelbaren Kontrolle und Sanktionierung nicht mehr, besteht die Gefahr, daß die Erfahrungsmuster der Heimsozialisation abgelehnt werden, zumal ihre Insuffizienz sich in der Übertragung auf die gesellschaftlich-normalen Lebensbedingungen erweist. So tritt eine Orientierungslosigkeit ein, die durch die fehlenden Auffangmöglichkeiten verstärkt wird, so daß zumindest in einer meist mehrjährigen Übergangszeit Devianz wahrscheinlicher wird. Eine repräsentative Population von Strafgefangenen besteht zu ungefähr 30% aus ehemaligen Heiminsassen (vgl. Estermann, Strafgefangene, S. 63).

Schon während der Heimerziehung werden die Erfahrungen mit den individuell prägenden Lebensbedingungen von einem großen Teil der Jugendlichen in den Berührungen mit anderen sozialen Bezugsfeldern und ihren sozialen Normen und Werten als Stigma reflektiert und verarbeitet.

„Der Terminus Stigma und seine Synonyme verbergen eine doppelte Perspektive: Nimmt das stigmatisierte Individuum an, daß man über sein Anderssein schon Bescheid weiß, oder daß es unmittelbar evident ist, oder nimmt es an, daß es weder den Anwesenden bekannt ist noch von ihnen unmittelbar wahrnehmbar? Im ersten Falle hat man es mit der Misere des Diskreditierten zu tun, im zweiten mit der des Diskreditierbaren. Das ist ein wichtiger Unterschied, obgleich ein stigmatisiertes Individuum wahrscheinlich mit beiden Situationen Erfahrung haben wird.“ (Goffman, Stigma, S. 12)

Die Differenz zwischen individueller Verarbeitung einer als Stigma erfahrenen Sozialisation und Lebenserfahrung einerseits und der objektiven Situation der sozialen Diskreditierung der Heimerziehung andererseits führt zu einer sozialen Situation, die nicht nur durch die persönliche Identitat des Betroffenen geprägt ist, sondern auch zu seiner sozialen Identität wird. Die objektive soziale Isolierung der Heimerziehung, die über eine generelle Abwertung der Heiminsassen im öffentlichen Bewußtsein vermittelt ist, verstärkt die Isolation der Betroffenen und fördert ihren Rückzug in das soziale Umfeld einer abgeschlossenen Erziehungsstruktur.

„Diese Depravierung der Heimerziehung ist ( … ) Ausdruck der beschädigten Normalität unserer Gesellschaft. Man will nicht irritiert oder belästigt werden, zumal nicht von Jugendlichen, und verdrängt deshalb die Dissozialen ins Abseits isolierender Institutionen. Diese Verdrängung geht einher mit jenem Strafbedürfnis, das, komplex, aus Unsicherheit, Ungeduld, Mißverständnis, aber auch aus Abwehr und Neid entstehen kann. Mit der Härte der Strafe beweist man sich selbst die eigene Normalität und, daß der Auffällige in seiner Auffälligkeit Schuld hat und nicht man selbst. Die einengend strafenden Momente der Heimerziehung demonstrieren und exekutieren diesen Strafwunsch an den Insassen.“ (Thiersch, Institution Heimerziehung, S. 66)

Die Stigmatisierung wird von den Kindern und Jugendlichen gerade im Umgang mit der Außenwelt erfahren. In der Schule oder in der Ausbildung stellen diese Muster sozialer Ausgrenzung eine zusätzliche Belastung für die Heiminsassen dar. Es findeteine soziale Schuldzuweisung statt, die das Individuum a priori trifft: Soziale Interaktions- und Kommunikationsformen werden durch das Stigma vermittelt, Deklassierungsängste sozialisiert, die Heiminsassen auf das soziale Bezugsfeld der geschlossenen Institution zurückverwiesen und ihr gesellschaftlicher Rückzug verstärkt.

„All die anderen Kategorien und Gruppen, zu denen das Individuum notwendig auch gehört, werden implizit als seine nicht-realen gesehen; das Individuum ist demnach das Aggregat von Personen, die wohl die gleichen Privationen erleiden müssen wie es selbst, weil sie das gleiche Stigma haben; seine reelle ‚Gruppe‘ ist in der Tat eine Kategorie, die zu seiner Diskreditierung dienen kann.“ (Goffman, Stigma, S. 140f)

Die Stigmatisierung der Heimjugendlichen im Verkehr mit anderen sozialen Gruppen sowie das Herkunftsmilieu (vgl. die Bedeutung von sozio-ökonomischen Variablen bei Estermann, Kriminelle Karrieren, S. 40ff und S. 90ff) potenziert die Probleme der Insassen außerhalb des Heimes und verweist ihre Bedürfnisse und ihre sozialen Kontakte wieder auf das Heim zurück. So stabilisieren sich diese Formen der öffentlichen Erziehung, da sie die Jugendlichen auf die Ghettosituation des Heimes zurückwerfen. Selbst in den Fällen, in denen Außenkontakte bestehen, sind diese häufig negativ gefärbt.

Der Rückzug auf die eigene Gruppe schneidet die Beziehung zu anderen sozialen Feldern ab. Damit werden für das Heim die Sozialisationsmöglichkeiten (Einflußbereiche) erweitert. Der Jugendliche befindet sich in seiner Freizeit hauptsächlich auf dem Heimgelände oder an Orten, die seiner Gruppe zugehörig sind. Hier sind die Momente der Kontrolle und sozialen Überwachung der Insassen gegeben. Eine starke externe Orientierung der Heiminsassen hingegen beeinträchtigt Überwachung und Kontrolle. Bestimmte Bereiche des Jugendlichen sind dann nicht mehr dem pådagogischen Zugriff unmittelbar ausgesetzt und erschweren mitunter pädagogische und administrative Tätigkeiten. Die Ausschaltung externer Einflüsse durch den Selbstbezug der Heimkinder und -jugendlichen erleichtert zwar den reibungslosen Ablauf des Heimalltags, behindert dann allerdings die Eingliederungsbemühungen nach Ablauf der Heimerziehung. Da die Verantwortung des Heimes quasi mit dem Tag der Entlassung erlischt, liegt dieser Aspekt tendenziell außerhalb seines Bezugsfeldes: Andere soziale Sektoren werden in der Folge für die weitere Betreuung des Klientels zuständig. Damit stehen die Folgeerscheinungen der Heimerziehung außerhalb des Gesichtsfeldes der Sozialisationsstrategien, da der Heimalltag durch die Eigendynamik und die organisatorische Struktur der Heime bestimmt wird.

„Das Konzept Heimerziehung wird also, wo es in Momenten der elenden, primär verwaltenden Erziehung, in einer totalen und stigmatisierenden Institution realisiert wird, zur Phrase über einer die Intention desavouierenden Realität, die bestimmt ist von Vorurteilen, Verdrängungen, Unterprivilegierung und Machtstrukturen einer sich als normal verstehenden, leistungsintensiven Klassengesellschaft. Eine solche Heimerziehung pervertiert den pädagogischen Schonraum, um in ihm jene gesellschaftlichen Bedingungen und Zwänge zu wiederholen, ja zu intensivieren, vor denen sie, ihrer Intention gemäß, die Heranwachsenden zu schützen hätte.“ (Thiersch, Institution Heimerziehung, S. 66)

Es besteht die Gefahr, daß die Verlaufsformen individueller Schicksale durch die Heimsozialisation festgelegt werden. Zum Teil ist mit einer Verstärkung von Problemen in Bezug auf eine soziale Desorientierung und Vereinsamung zu rechnen, die in ihrer Verschachtelung eine Reintegration in die Gesellschaft behindern. Durch die Verstärkung subjektiver Insuffizienzen kann sich die soziale Lage bis hin zu kriminellen Karrieren verschlechtern. Selbst Strategien der Liberalisierung der Heimlandschaft bleiben äußerst beschränkt, wenn sich der institutionelle Rahmen und die gesellschaftliche Einschätzung nicht verändern. Aufgrund der Integrationsprobleme, die wir bei unseren Fallbeispielen – den von uns betreuten Jugendlichen – und in Interviews festgestellt haben, erachten wir gerade Hilfen im Rahmen von Nachbetreuungen außerhalb der Institutionen sozialer Kontrolle als notwendig, mindestens bis sich die Bedingungen öffentlicher Sozialisation in dem von uns beschriebenen Bereich nicht grundlegend verändert haben.



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Hilke Rebenstorf arbeitet zur Zeit am Wissenschaftszentrum Berlin und als Lehrbeauftragte am Institut für Soziologie der Freien Universität Berlin. Sie ist Diplomsoziologin mit den Arbeitsschwerpunkten Industriesoziologie, Medien- und Kommunikationsforschung, Sozialisationstheorie, elektronische Datenverarbeitung und Frauenforschung.

Rita Sabine Kergel ist Diplomsoziologin und arbeitet zur Zeit an ihrer Dissertation. Sie ist als Lehrbeauftragte am Institut für Soziologie der FU Berlin tätig.

Vera Rothamel hat Grafiken und Titel gestaltet.

Rolf-Dieter Hepp hat in Philosophie promoviert und arbeitet zur Heimerziehung.

Josef Estermann ist Rechtssoziologe und hat an der FU Berlin und an der Universität Zürich habilitiert. Er arbeitet bei VICESSE, Wien.