Weiterlesen © ProLitteris, Josef Estermann
6 Fallbeispiele
6.1 Drogenabhängiger unterstützt eine kriminelle Organisation: Fantasie und Realität
6.1.1 Fallbeschreibung
Der schwer drogenabhängige B betätigte sich als Transporteur und Schmuggler von Kokain im zweistelligen Kilobereich und als Verkäufer von Kokain im einstelligen Kilobereich. Im Januar 1997 wird er verhaftet, aber nicht auf Grund langwieriger Vorfeldermittlungen, sondern wegen eines Telefonanrufes einer Privatperson, die Schüsse gehört hatte. Die Polizei rückte aus und fand B, der gerade mit einem Kollegen ein der Polizei nicht unbekanntes Haus verließ. Die Beamten untersuchten ihn und fanden bei ihm „ein Säcklein weißes Drogenmaterial (enthaltend 17,68 g Kokain) sowie eine kleinkalibrige Waffe“. Sie nahmen B mit auf den Posten, und schon nach zwei Tagen zeigte er sich vollkommen kooperativ. Er gab all die später zur Anklage kommenden Fakten zu und erzählte freimütig von seinen umfangreichen Kontakten in Zürich etc., in der Folge auch von den Transportwegen und arten, wie die Drogen geschmuggelt wurden (sie kamen schlicht und ergreifend per Post), welches seine Lieferanten waren, wo der Stoff gebunkert war und noch einige Geschichten dazu. Dies ist dann in der Anklageschrift wie folgt dargestellt: „Für die Frage, ob im vorliegenden Fall eine kriminelle Organisation gemäß Art. 260ter StGB gegeben ist, ist zuerst auf die Aussagen des Angeschuldigten selbst sowie auf seine schriftlichen Aufzeichnungen abzustellen, in denen er den Aufbau der Organisation sowie den Ablauf des Drogenhandels schildert. B bezeichnet den Komplex als ‚Organisation’, er spricht davon, dass der internationale Drogenhandel von drei ‚Gruppen’, wie er sie nennt, organisiert werde: von der Gruppe Kolumbien, der Gruppe Schweiz und der Gruppe Italien. Diese Gruppen arbeiteten nach seinen Aussagen zusammen, das heißt, das Kokain wurde von Kolumbien in die Schweiz geschickt.“ Ein Teil davon sei nach Italien weitergeschickt worden. In Kolumbien säßen „die Absoluten“, die das Ganze organisieren würden. In der Folge kam es zu einigen Verhaftungen in der Schweiz. Die nächste Lieferung wurde gleich beschlagnahmt, worauf sozusagen am folgenden Tag die schon vorher bekannte Lieferfirma in Kolumbien, die dort tatsächlich ein Ladenlokal betrieb und ihren Firmeninhaber namentlich auswies, ihre Tore schloss und dort alle Beteiligten spurlos verschwanden. Auch P, B’s direkter Kontakt südamerikanischen Ursprungs, der mit Frau, Kind und Kindermädchen in der Schweiz residierte und der die Postadressen der Empfänger organisiert, die Empfänger instruiert und die Rücküberweisungen der Erlöse nach Südamerika besorgt hatte, setzte sich schon vor der Beschlagnahme der auf die Verhaftung von B folgende Drogenlieferung nach Santo Domingo ab. Er ließ sich bis anhin nicht mehr dazu bewegen, in die Schweiz zurückzukehren, seine Frau jedoch blieb erst mal hier und wollte von nichts wissen. Sie wurde später zu 27 Monaten Gefängnis verurteilt, Art. 260ter StGB spielte in diesem Verfahren keine Rolle. Das Kindermädchen wurde ebenfalls verurteilt, Anklage wegen Verletzung des Art. 260ter StGB wurde auch in diesem Fall nicht erhoben. B wurde nach 487 Tagen Untersuchungshaft in den stationären Maßnahmevollzug überwiesen, in der berechtigten Erwartung, dass für den drogenabhängigen B eine stationäre Drogentherapie neben der Freiheitsstrafe ausgesprochen würde.
Die Anklagebehörde beantragt in der erstinstanzlichen Strafverhandlung, welche ziemlich genau zwei Jahre nach der Verhaftung stattfindet, dass B wegen Drogenhandels und Schmuggels und Unterstützung einer kriminellen Organisation zu 5½ Jahren Zuchthaus zu verurteilen sei, unter Anrechnung der Untersuchungshaft und unter Aufschub des Vollzugs der Strafe zugunsten einer stationären Maßnahme. Die Anklage nach Art. 260ter StGB erfolgte allein auf Grund von Aussagen von B selbst, dessen Vertrauen in die Strafverfolgungsinstitutionen stellenweise erstaunt. So die Appellationsschrift der Staatsanwaltschaft: „Obwohl der Angeschuldigte anlässlich der Hauptverhandlung nicht mehr so offensichtlich von einer Organisation sprechen mochte, sagte er dennoch aus, in Zürich habe es mit den Urteilen gegen die beiden Frauen die falschen Beteiligten getroffen. Er sei eigentlich enttäuscht, dass trotz seinen genauen Angaben nicht die Haupttäter erwischt worden seien, sondern nur die kleinen Fische. Mit dieser Aussage bestätigte der Angeschuldigte B seine in der Voruntersuchung gemachten Aussagen und schriftlichen Aufzeichnungen als der Wahrheit entsprechend und keinesfalls nur seiner Phantasie entspringend.“ Offensichtlich erhoffte sich B von seinen umfangreichen, fast schon überschwänglichen Aussagen bei der Polizei kurz nach seiner Verhaftung eine Milderung der Anklage. Die Staatsanwaltschaft dankt ihm seine Kooperation mit der Anklageerhebung auf Grund von Art. 260ter StGB schlecht.
Dem Vorwurf der Unterstützung einer kriminellen Organisation gibt das erstinstanzliche Strafgericht keine Folge: „Gestützt auf das vorliegende Beweismaterial hält das Gericht fest, dass außer den diffusen Behauptungen des Angeschuldigten über eine angebliche Organisation, keine Beweise für das Vorhandensein einer kriminellen Organisation in der Schweiz, in Italien oder in Kolumbien vorliegen. Dasselbe gilt für eine angebliche Struktur einer derartigen Organisation. In den schriftlichen Aufzeichnungen behauptet der Angeschuldigte, dass die verschiedenen Mitglieder verschiedene Aufgaben zu erfüllen hatten und nicht alle auf der gleichen Stufe standen. (…) So bezeichnete der Angeschuldigte gegenüber dem Psychiater PP den Drogenhandel als Spiel. In den speziellen Aufzeichnungen des Angeschuldigten findet der Psychiater kindliche Emotionalität: die ‚Gruppe Schweiz’ war eine Art Familie. (…) Der Psychiater verweist auf die hocheindrückliche Schilderung des Drogenrings und der darin auftretenden Akteure. (…) [Es] handelt (…) sich eigentlich um die märchenhafte Darstellung einer Art Götter-Sage, mit teils mythologischer, teils kindlicher Namensgebung.“
B wird wegen gewerbsmäßigem und bandenmäßigen Drogenhandel, mehrfach begangen und qualifiziert bezüglich der Menge, zu 4 Jahren Zuchthaus abzüglich 487 Tagen Untersuchungshaft mit vorzeitigem Maßnahmeantritt, unter Aufschub des Strafvollzugs und Einweisung in eine Anstalt für Rauschgiftsüchtige verurteilt.
Trotz der ausführlichen Begründung appelliert die Staatsanwaltschaft und will eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen Art. 260ter StGB und eine Erhöhung des Strafmaßes durchsetzen.
Das Obergericht weist die staatsanwaltschaftliche Appellation ab und bestätigt das Urteil der Vorinstanz vollumfänglich:
„Tatsächlich fällt auf, dass die Anschuldigung der Widerhandlung gegen Art. 260ter StGB anfänglich mit einem einzigen lapidaren Hinweis‚ (…) [er] leitete das Rauschgift an eine kriminelle Organisation weiter’ und den eigenen Aufzeichnungen des Angeschuldigten ‚begründet’ wurde. Es verwundert darum auch nicht, dass praktisch die gesamte Voruntersuchung einzig unter dem Titel der Widerhandlungen gegen das BetmG gelaufen ist, und der Untersuchungsrichter die Strafverfolgung überhaupt erst Ende November 1997 noch auf den Tatbestand von Art. 260ter StGB ausdehnte. Dass diesem Anklagepunkt allerdings nach wie vor kein besonderer Stellenwert beigemessen wurde, zeigt sich daran, dass B von dieser Ausdehnung in der einzigen noch folgenden Einvernahme anscheinend formell gar nicht zur Kenntnis gegeben wurde.
Effektiv hätte die Vorinstanz die Annahme einer kriminellen Organisation (…) praktisch einzig auf die Angaben des B abstützen können. Just diese vermitteln freilich schon prima vista einen höchst zwiespältigen Eindruck. Diesen Eindruck bestätigt weitgehend das über den Angeschuldigten eingeholte psychiatrische Gutachten und man ist jedenfalls zunächst versucht, von den ‚gesammelten Schriften’ einer persönlichkeitsgestörten und im Realitätsbezug schwer zurückgebliebenen Person zu sprechen und demnach die Schilderungen des B nicht als Report von Fakten anzusehen, sondern bestenfalls als eine mit Fabulierlust vorgetragene Mischung einerseits von einzelnen objektiv zutreffenden Erinnerungen und andererseits von willkürlichen Annahmen und subjektiven Ergänzungen.“
6.1.2 Wertung
Obwohl in diesem Fall das Kerngebiet der Tätigkeit krimineller Organisationen, nämlich der Drogenhandel, betroffen ist, und obwohl die freimütigen Aussagen des Angeschuldigten mitgeholfen haben, eine umfangreiche Kokainlieferung zu konfiszieren, ist hier die Anklagebehörde einer dem Formenkreis der typischen Kokainpathologie entstammenden Phantasmagorie eines Abhängigen aufgesessen. Dies zeigt auch eine Gefahr der Ausweitung der Strafbarkeit durch einen Organisationstatbestand auf: Allzu leicht können Vorfeldermittlungen, Denunziationen und Märchengeschichten, bei denen ein Angeschuldigter oder ein interessierter Denunziant sich vielleicht eine bessere Behandlung durch die Strafverfolgungsbehörden oder eine Strafmilderung verspricht, zu abstrusen Konstruktionen führen und den Organisationstatbestand noch weiter ausdehnen. Das kann nicht der ratio legis des Art. 260ter StGB entsprechen. Dieser Fall war zugleich einer der ersten und gleichzeitig einer der letzten, der in diesem großen Kanton zu einer Anklage nach Art. 260ter StGB geführt hat.
6.2 Eingereister Drogenhändler soll Mitglied einer kriminellen Organisation und Kopf einer lokalen Händlergruppe sein
6.2.1 Fallbeschreibung
Der dreißigjährige Jugoslawe K reist im Herbst 1995 ein und schließt sich einer Gruppe an, die hauptsächlich aus Albanern und Schweizern besteht und sich in einem urbanen Großraum erfolgreich mit der Verteilung von Heroin und Kokain beschäftigt. Gegen K ist schon in den Jahren 1990 und 1992 eine Einreisesperre verhängt worden. Der Vertreter der Anklagebehörde ist der Ansicht, dass K hier die Funktion des Chefs der Gruppe übernahm, die ihrerseits von „führenden Köpfen vom Kosovo aus geführt“ worden sei. Intensive Telefonüberwachungen und Observationen geben gute Hinweise auf seine Beteiligung an Drogengeschäften, und er wird zudem durch geständige Mittäter schwer belastet. Es handelt sich laut Ermittlungsbehörde um qualitativ ziemlich gutes Heroin in der Menge von insgesamt knapp 100 kg reinem Heroin-Hydrochlorid.1 Die Anklageschrift lässt sich auch in diesem Falle nicht über das Funktionieren der supponierten kriminellen Organisation aus. Sie beschreibt nur die einzelnen Akte des Drogenhandels, insbesondere die Übergabe in der Schweiz und den Weiterverarbeitungsprozess für den Markt. Es finden sich auch keine Hinweise auf die Herkunft des Stoffes und die Vertriebsstelle im Ausland. Jedenfalls wird K schon sechs Monate nach seiner Einreise verhaftet. Er streitet alles ab und will sich in der fraglichen Zeit im Ausland aufgehalten haben sein. Sein Verteidiger beantragt Freispruch außer bezüglich des illegalen Aufenthaltes und des gefälschten Passes. Das Urteil stützt sich im wesentlichen auf Aussagen von vier Mittätern und zwei Polizeibeamten. Das Gericht fällt einen klaren Schuldspruch bezüglich des Drogenhandels. Dem Vorwurf der Beteiligung an einer kriminellen Organisation kann es jedoch nichts abgewinnen: „Was den Vorwurf der Beteiligung an einer kriminellen Organisation von der Bezirksanwaltschaft erhobenen Sachverhalt betrifft, bleibt zu bemerken, dass darin nicht dargelegt wird, inwiefern der Angeklagte, F, M, L und D eine – die große Bande übertreffende – kriminelle Organisation bilden sollten. Insbesondere erstaunt, dass in diesem Punkt der Anklageschrift der – für eine Anklage eher unübliche – Konjunktiv zur Verwendung kommt. Aus den Akten lassen sich weiter keine Hinweise entnehmen, welche den Schluss zulassen würden, dass die vorerwähnten Personen aus dem Kosovo geführt worden sind, ist doch den Akten überhaupt kein Hinweis auf die erwähnten ‚führenden Köpfe’ zu entnehmen. Der Sachverhalt ist damit in diesem Anklagepunkt nicht rechtsgenügend erstellt, weshalb der Angeklagte von diesem Vorwurf freizusprechen ist.“
Die rechtliche Würdigung ist um nichts weniger deutlich: „Art. 260ter StGB käme vorliegend aber auch aus rechtlichen Erwägungen nicht zur Anwendung. Nach einhelliger Lehre tritt dieser Straftatbestand gegenüber den Bestimmungen zur Bandenmäßigkeit als subsidiär zurück, wenn dem Täter die von der Organisation verübten Verbrechen selber zur Last gelegt werden können [mit Hinweisen auf Stratenwerth, 1995, Schultz, 1989, Pieth, 1992]. Dies gilt insbesondere im Bereich des Betäubungsmittelgesetzes. Dort tritt, sofern sich die Unterstützung der kriminellen Organisation auf die Beteiligung am unbefugten Drogenhandel beschränkt, der Art. 260ter StGB als subsidiärer Tatbestand – mit milderem Strafrahmen – gegenüber Art. 19 Ziff. 2 lit. b BetmG zurück. Die zentrale Funktion des Art. 260ter StGB besteht nämlich darin, die Mitglieder einer Gruppe, die allgemein verbrecherische Ziele verfolgt, ohne Nachweis der Mitwirkung an konkreten Straftaten schon wegen ihrer Mitgliedschaft zu bestrafen [mit Hinweis auf Arzt, 1993]. Wenn dem Täter, wie vorliegend geschehen, einzelne Taten angelastet werden können und nichts auf die Begehung weiterer Straftaten durch eine Organisation, an der der Täter beteiligt ist, hindeutet, besteht für diesen Straftatbestand also kein Raum mehr. Der Beteiligung an einer kriminellen Organisation im Sinne von Art. 260ter Ziff. 1 StGB ist der Angeklagte demnach nicht schuldig und er ist davon freizusprechen.“
Das Gericht bestraft K mit 14 Jahren Gefängnis, unter Anrechnung von 365 Tagen Untersuchungshaft und 112 Tagen Sicherheitshaft sowie 15 Jahren Landesverweisung. Konfisziert werden konnten lediglich ca. 300.- Fr. Bargeld, ein gefälschter Führerschein und ein gefälschter Reisepass.
6.2.2 Wertung
Der Vergleich mit dem Fall in Abschnitt 6.4 zeigt, dass sich der Strafrahmen bei vergleichbaren Delikten mit oder ohne Schuldspruch bezüglich Art. 260ter StGB gleich bleibt. Die Anklage wegen Verletzung des Art. 260ter StGB ist vollkommen überflüssig und durch den bewiesenen Sachverhalt in keiner Weise begründet. Trotzdem bestünde die Möglichkeit, dass eine wie auch immer geartete kriminelle Organisation hinter dem Drogenimport stecken könnte, aber die Untersuchungsbehörden geben sich nicht die geringste Mühe, diese auszuleuchten. Genauso wahrscheinlich ist, dass es sich nicht um eine streng hierarchische, top bottom strukturierte Organisation handelt, sondern um vernetzte gewerbliche Strukturen. Insbesondere erscheint nirgendwo ein Hinweis auf Gewaltanwendung zur Durchsetzung einer Befehlsstruktur. Allerdings müssen bei einem Vertrieb von 10 kg Heroin Investitionen im Bereich von 100’000.- bis 200’000.- Fr. getätigt werden können (sicher niemals die Summen von einer guten Million Franken, was dem Endverbraucherpreis entsprechen würde). Solche Beträge stehen Personen ohne entsprechenden familiären, eigentumsgestützten Hintergrund oder solchen, die in Netzwerke eingebunden sind, nicht ohne weiteres zur Verfügung.
6.3 Heroin und Kokain in den Nachtclubs: Zustände wie in Chicago?
6.3.1 Fallbeschreibung
Der fünfzigjährige A, Franzose ägyptischen Ursprungs, ist seit den frühen achtziger Jahren erfolgreich als Wirt, Manager sowie Besitzer von Gaststätten und Vergnügungslokalen tätig. In den frühen neunziger Jahren erhielt die Polizei Hinweise auf Gerüchte, A würde sich mit Drogen- und Waffenhandel befassen. Telefonabhörungen und Observationen folgten bis Mitte der neunziger Jahre, jedoch ohne Erfolg. Im Jahre 1996 schließlich belastete ein mehrfach vorbestrafter junger Drogenabhängiger den Wirt und Manager A sowie einige Personen aus seinem Umfeld, nämlich M, K, H, T und F. Mehrere Polizeistellen versuchten in der Folge ein Organigramm der Gruppe zu erstellen. Während dieser Untersuchungen zeigte sich T kooperativ und gab Hinweise auf verschiedene Distributionsnetze von Kokain aus Brasilien via Zürich. 1997 wurden auch diese Untersuchungen wieder eingestellt. Mit ein Grund war ein Personalwechsel bei der Untersuchungsbehörde. Im Jahre 1998 verließ die Ehefrau von A mit ihrem gemeinsamen Kind ihren Gatten „sans laisser d’adresse“. Er fand sie nach einigen Tagen bei ihrer Mutter wieder und suchte sie dort in äußerst unfreundlicher Stimmung auf. An diesem Tag rief die Ehefrau die Polizei und A wurde verhaftet. Die Ehefrau und ihre Mutter erstatteten Anzeige wegen Todesdrohungen. Innerhalb kurzer Zeit fanden sich M, K, H, T und F ebenfalls in Polizeigewahrsam wieder. Nach einigen Monaten zogen die Ehefrau von A und deren Mutter die Strafklage wieder zurück. Sie behaupteten im weiteren Verlauf der Untersuchungen und des Prozesses das Gegenteil, insbesondere dass ihre Verhörprotokolle durch die Polizei manipuliert worden wären. Besonders pikant an diesem Fall ist, dass der drogenabhängige T in der Hauptverhandlung seine Beschuldigungen wegen Drogenhandels wohl deshalb nicht bestätigt hat, weil der Untersuchungsrichter Zusagen, die er ihm gemacht haben soll, nicht eingehalten habe. So fiel dann auch die Anklage wegen Drogenhandels in sich zusammen.
Die ganzen Auseinandersetzungen um Marktanteile im Vergnügungsbereich entwickelten sich in der Folge auch zu einer Polizeiaffäre, in der es zu Anklagen und Prozessen gegen Beamte, zu Schlägereien in den verschiedenen Etablissements, zur Rekrutierung von „Hilfstruppen“, zu Polizeipressionen gegen Zeugen, zu Auseinandersetzungen zwischen Rechtsanwälten und zu engagierter Mitarbeit von Journalisten kam, mit der entsprechenden regen Teilnahme der interessierten Öffentlichkeit. Es zirkulierten auch Schusswaffen. Obwohl die von A geführten Lokale keine großen Einnahmen brachten, pflegte er einen außerordentlich aufwändigen Lebensstil. Das Gericht bemerkt auch, dass A nicht als jemand gelten könne, der im Hintergrund als Drahtzieher und Profiteur von Narko-Dollars handeln könne. Als Besitzer eines außerordentlich teuren und seltenen Lamborghinis würde er eher den Eindruck eines Hochstaplers erwecken. Auch die anderen Angeklagten, zum Teil Sozialhilfe- und Rentenbezüger, setzten angeblich im Glücksspiel regelmäßig Tausende von Franken um.
Obwohl in der Wohnung und an Kleidern von A Spuren von Kokain und Heroin gefunden wurden, reichten die vor Gericht von der Anklagebehörde vorgelegten Beweise nicht aus, um einen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz rechtsgenüglich beweisen zu können. Insbesondere ergaben sich keine Hinweise auf eine konkrete Kauf-, Verkauf-, Schmuggel- oder Konsumhandlung und zwar bei keinem der Angeklagten. Für das Gericht bleibt trotzdem der Eindruck, dass die Angeklagten eine kriminelle Organisation bildeten, die sich mit Glücksspielen, Diebstählen, Revierkämpfen, Waffenhandel und internationalem Drogenhandel beschäftigte. Auch ein versuchter Versicherungsbetrug und Dokumentenfälschung stehen zur Debatte.
A wird wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation, Check- und Kreditkartenmissbrauch und Urkundenfälschung zu 2½ Jahren Gefängnis, unter Anrechnung von 500 Tagen Untersuchungshaft, und zu 5 Jahren Landesverweisung auf Bewährung verurteilt. Verschiedene Waffen (Pistolen, Stellmesser) werden konfisziert.
M wird wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation allein zu 2 Jahren Gefängnis, unter Anrechnung von 457 Tagen Untersuchungshaft, als Zusatzstrafe zu einer Verurteilung aus dem vergangenen Jahr verurteilt.
K wird wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation allein zu 2 Jahren Gefängnis, unter Anrechnung von 466 Tagen Untersuchungshaft, und zu 3 Jahren Landesverweisung auf Bewährung verurteilt.
H wird wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation und Ungehorsam gegen eine amtliche Verfügung zu 18 Monaten Gefängnis, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, unter Anrechnung von 428 Tagen Untersuchungshaft, und zu 3 Jahren Landesverweisung auf Bewährung verurteilt. Er wird aus der Haft entlassen.
R wird wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation und Hehlerei zu 2 Jahren Gefängnis, unter Anrechnung von 470 Tagen Untersuchungshaft, und zu 3 Jahren Landesverweisung auf Bewährung verurteilt.
T und F werden freigesprochen, T bleibt jedoch in Verwahrung, da er zur Zeit eine andere Verurteilung im Zusammenhang mit seinem Drogengebrauch verbüßt.
Gegen das Urteil wurde appelliert, der kantonale Kassationshof bestätigte es jedoch. Ein Gang vor Bundesgericht wurde angekündigt.
6.3.2 Wertung
Hier handelt es sich tatsächlich um einen Fall, auf den Art. 260ter StGB zugeschnitten scheint, also seiner ratio legis entspricht. Die beschuldigten Personen wurden seit langem beobachtet, die konkrete Beweiserhebung erwies sich als schwierig, so dass subsidiär auf einen Organisationstatbestand zurückgegriffen werden musste, um zu einer Verurteilung zu kommen. Ob aber in diesem Fall wirklich Personen getroffen werden, die im Hintergrund arbeiten und als Organisation tatsächlich streng hierarchisch strukturiert sind, insbesondere die Erfordernisse der Auswechselbarkeit der Mitglieder und der Geheimhaltung erfüllt sind, mag dahingestellt bleiben. Das Gericht findet in diesen Fragen keine klare Sprache. Hingegen lehnt es die Konsumptionstheorie, also die Subsidiariät des Art. 260ter StGB ab:
„La participation à une organisation criminelle a été présentée comme une disposition subsidiaire, lorsque la réalisation de crimes précis ne peut être retenue. Non sans raison, cette conception est aujourd’hui critiquée en faveur d’un concours possible d’infractions (v. G. Arzt, Organisiertes Verbrechen, Zurich 1998, p.348). En l’espèce, dès l’instant où la Cour se trouve dans l’impossibilité de déterminer avec le minimum de précision nécessaire à une application de dispositions plus spécifiques, tel l’article 19 LStup, le rôle que chacun a joué dans l’exécution de l’activité de tous. A cet égard, le rapport de synthèse très fouillé dressé par la police (…) qui, avec ses annexes, s’étend sur près de 150 pages, tend à mettre en évidence l’existence d’un très vaste réseau de trafiquants de stupéfiants aux ramifications internationales et sous-tend l’acte d’accusation, apparaît comme une hypothèse de travail, peut-être séduisante et sûrement plausible, mais non démontrée au degré de certitude nécessaire à une condamnation pénale fondée sur l’article 19 LStup. Les ‘centaines de kilogrammes’ de drogue dure dont il est question, sans que l’on sache d’ailleurs comment ils se repartaient entre cocaïne et héroïne alors que les zones de production ne sont pas les mêmes et les canaux de distribution ne se recoupent pas nécessairement, résultent d’évaluations de la police (…) sur la base d’observations approximatives de X., qui parle de paquets de stupéfiants en nombre indéterminé ‘qui avaient plus au moins la grandeur d’un classeur A4 et environ 10 cm d’épaisseur’ ou qui étaient ‘un peu plus épais qu’un annuaire téléphonique’. Or, on ne sait rien de l’origine de ces quintaux de drogue ni de la façon dont ils seraient arrivées en Suisse (le rôle de Y. à ce stade reste une hypothèse) et on ne sait rien non plus de ce qu’ils auraient bien pu devenir, sinon qu’ils se sont pratiquement évanouis dans la nature pour ne plus laisser que des traces infinitésimales dans l’environnement de A., rien n’ayant pu être saisi.“
Die eher kurzen Freiheitsstrafen, die das Gericht ausfällte, sind darauf zurückzuführen, dass der Drogenhandel im dreistelligen Kilobereich nicht bewiesen werden konnte. Wäre dies zu beweisen gewesen, wären nach allgemeiner Praxis in solchen Fällen wohl Gefängnisstrafen im Umfang von gut und gerne 10 Jahren und mehr verhängt worden. Der Art. 260ter StGB findet sich hier in der Rolle eines Auffangstraftatbestandes bei fehlender Beweisbarkeit des Haupttatbestandes, nämlich Drogenhandel.
6.4 Heroinimport und -verkauf durch großes Netzwerk2
6.4.1 Fallbeschreibung
Mitte der achtziger Jahre kam A, ein in Mazedonien geborener türkischer Staatsangehöriger, in die Schweiz. Seine Frau, Mutter von vier Kindern, wohnt ebenfalls in der Schweiz. Vor seiner Verhaftung arbeitete er während sechs Jahren in einem Reinigungsdienst, ununterbrochen und ungekündigt.
Durch umfangreiche Telefonkontrollen durch verschiedene Polizeistellen kam er in den dringenden Verdacht, an größeren Heroinimporten in die Schweiz und nach Deutschland als Organisator beteiligt zu sein. Insgesamt ging es um vier Lieferungen im Bereich zwischen 10 und 300 kg Heroin. Im Jahre 1996 wurde er in flagranti delicto bei der geplanten Übergabe von 14 kg Heroin zusammen mit einem Mittäter verhaftet.
Die Beweislage für den Drogenhandel ist ziemlich klar und die Ermittlungen wurden intensiv und unter Zuhilfenahme aller modernen kriminaltechnischen Mittel geführt.
Die Beteiligung an einer kriminellen Organisation wird wie folgt dargelegt: „Der Beschuldigte beteiligte sich an einer international tätigen kriminellen Organisation, welche in der Lage war, Heroinlieferungen im zwei- bis dreistelligen Kilobereich zu bewerkstelligen. Die weiteren Beteiligten dieser Organisation sind größtenteils namentlich nicht bekannt. Aufgrund der Ermittlungen ist davon auszugehen, dass insbesondere M, N, O, P, Q, R und S auch dazu gehören.“ Dieser Personen konnte man nicht habhaft werden. Hingegen wurden im Zuge der gescheiterten Übergaben mindestens fünf weitere Personen verhaftet, gegen die jedoch keine Anklage wegen Art. 260ter StGB erhoben wurde. Die übrigen Verfahren wurden im Zusammenhang mit Drogenhandel und -schmuggel geführt. Aus den Akten und den rechtlichen Erwägungen geht klar hervor, dass die Qualifikationsmerkmale Bandenmäßigkeit und Gewerbsmäßigkeit gegeben sind. Die strafverschärfende Qualifikation der Bandenmäßigkeit sei jedoch durch den Tatbestand der Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach Art. 260ter StGB im juristischen Sinne konsumiert, also in diesem Artikel inbegriffen. A hätte mit einigen anderen, zum Teil namentlich, zum Teil mit Pseudonymen bezeichneten Personen eine solche kriminelle Organisation gebildet. Hauptargument der Anklage für das Bestehen einer kriminellen Organisation ist ihre Fähigkeit, regelmäßig Heroinlieferungen im zweistelligen Kilobereich zu organisieren. Bezüglich der hierarchischen Struktur der Organisation werden jedoch durch die Untersuchungsbehörden keine Fakten geliefert.
Zwei Monate vor der Hauptverhandlung flüchtet A aus dem Gefängnis und ward bis anhin nicht mehr gesehen. Insofern bestand auch kein Interesse an einer Kassationsbeschwerde. Die Appellation des Anwalts wurde in der Folge vom Obergericht abgeschrieben, das Urteil ist in Rechtskraft.
Das Urteil wegen Drogenhandels und Beteiligung an einer kriminellen Organisation lautet auf 14 Jahre Zuchthaus, unter Anrechnung von 16 Monaten Untersuchungshaft, und 15 Jahre Landesverweisung. Konfisziert werden 14 kg Heroin und etwas weniger als 2000.- Fr. Bargeld. Der Staat erhält gegenüber dem Verurteilten eine (wohl kaum zu realisierende) Ersatzforderung von Fr. 100’000.- aus unrechtmäßigem Vermögensvorteil.
6.4.2 Wertung
Ohne Zweifel handelt es sich hier um Personen, die professionellen Drogenhandel in größerem Umfang betreiben, also einem Gewerbe, das als Hauptgewerbe der organisierten Kriminalität gilt. Der ganze Kontext des Falles weist auf einen standardmäßigen OK-Fall hin. Es könnte sich aber bei den dargestellten Fakten genauso gut um kleingewerbliche Strukturen handeln. A ist kein im Hintergrund tätiger Drahtzieher, sondern ein Frontmann, der sich an Drogenübergaben und Transporten beteiligt. Die dargelegten Beweise beziehen sich denn auch alle auf diese Tätigkeit. Der Strafrahmen wird materiellrechtlich durch die Verurteilung nach Art. 260ter StGB, dessen Anwendung rein apodiktisch begründet wird, nicht erhöht.
6.5 Geldtransport nach Albanien
6.5.1 Fallbeschreibung
Im Rahmen von umfangreichen Vorfeldermittlungen im Drogenbereich stieß die Polizei auf eine Funktelefonnummer, die in diesem Zusammenhang öfter auftauchte. Anhand der Standortbestimmungen durch die Betreiberin des Funktelefonnetzes und der abgehörten Gespräche konnte die Polizei den Benutzer RK identifizieren, seinen Aufenthaltsort und das von ihm benutzte Automobil feststellen. Nach den Abhörprotokollen hatte RK die Aufgabe, Geld einzusammeln und dieses nach Albanien zu schaffen. Bei einer Passkontrolle im Flughafengebäude trug er einen Betrag von über 100’000.- Fr. auf sich. Er gab zu, dass in seinem Gepäck weitere 250’000.- versteckt seien. Das Gepäckstück war schon unterwegs und konnte, wie es sich auf Grund weiterer Telefonabhörungen erschließen ließ, von seinem Bruder LK in Tirana in Empfang genommen werden. Die fortgesetzte Überwachung ergab, dass zwei Monate später ein anderer Verwandter, nämlich SK, eine Geldsendung von 160’000.- Fr. auf den Weg geschickt hatte. Die Polizei konnte die Sendung abfangen und verhaftete kurz darauf SK, LL und CC in ihrer Wohnung und stellte weitere 200’000.- Fr. sicher. Die Ermittlungen ergaben, dass die Beschuldigten einen veritablen Geldwäscherring betrieben, ohne sich allerdings am Drogenhandel selbst oder an anderen deliktischen Handlungen zu beteiligen, abgesehen davon, dass sie sich zum Teil ohne gültiges Visum oder gültige Aufenthaltserlaubnis in der Schweiz befanden. Sie bestritten die Geldwäsche vehement, konnten jedoch keine plausiblen Angaben zum Zweck des Geldverkehrs machen, der immer nur in eine Richtung ging. Das Geld wurde entweder per Luftfracht zusammen mit anderen Waren verschickt oder selbst zum Zielort gebracht. Außerdem betrieben die Brüder K einen regen Handel mit Gebrauchtwagen von der Schweiz nach Albanien. Die Größenordnungen der einzelnen Lieferungen bewegten sich jeweils zwischen 25’000.- und 150’000.- Fr. und die verschobenen Beträge insgesamt erreichten einige Millionen Franken. Mindestens einem Angeschuldigten war klar, dass es sich bei einem großen Teil der transferierten Gelder um Gewinne aus Drogengeschäften handelte.
Die Anklagebehörde sah bei den vier Beschuldigten und weiteren, allerdings nicht genau identifizierten, Personen eine kriminelle Organisation am Werk und wollte die Angeklagten entsprechend bestraft wissen. Sie forderte Freiheitsstrafen von 7 Jahren für die beiden Haupttäter, 5½ Jahre für den dritten und 2½ Jahre für den vierten. Vorgeworfen wurde den beiden Brüdern K auch gute Kontakte zu offiziellen Stellen, so die Appellationsschrift des Staatsanwaltes gegen das erstinstanzliche Urteil: „Dass die beiden Albaner hier bei uns direkt auf die Dienstleistungen ihrer Botschaft in Bern greifen durften (Fahrten in einem Dienstfahrzeug – einschliesslich Chauffeur […]) und sich der albanische Botschafter in der Schweiz persönlich nach RK erkundigte – und zwar sowohl bei der Polizei wie beim Untersuchungsrichter, mit anschliessender Benachrichtigung der Familie in Albanien, führt unweigerlich zum Schluss, dass die Organisation sehr gute Beziehung zu staatlichen Stellen unterhalten hat, die offensichtlich dafür gesorgt haben, dass die beiden ‚Jungs’ in Albanien in das Diplomatenkorps eingeschleust werden konnten. Es ist insofern nicht weiter erstaunlich, dass SK LK in Tirana einmal die Anweisung gegeben hat, SP, es ist dies der Leiter einer Spezialeinheit der albanischen Polizei, Fr. 1000.- zu bezahlen. (…) Es handelt sich hier nach den Angaben des Übersetzers um eine Spezialeinheit, die in Albanien einen bedeutenden Machtfaktor darstellt.“
Trotz alledem verurteilte das erstinstanzliche Gericht die Angeklagten nicht wegen Zugehörigkeit zu einer kriminellen Organisation, sondern „nur“ wegen bandenmäßiger und gewerbsmäßiger Geldwäsche. Die Staatsanwaltschaft appellierte gegen den Freispruch vom Vorwurf der Beteiligung an einer kriminellen Organisation. Das Obergericht bestätigte das Urteil der Vorinstanz vollumfänglich:
„Es bestehen Anhaltspunkte, dass die Angeschuldigten gute Beziehungen zu staatlichen Stellen unterhielten. [Es] wurde (…) beobachtet, wie sich SK mit zwei Albanern getroffen hatte. Gemäß Aussagen von SK ging es um die Befreiung von RK aus dem Gefängnis, wobei er nicht gewusst haben will, auf welchem Wege diese geschehen soll. Polizeiliche Beobachtungen haben ergeben, dass die beiden Personen, mit welchen er sich getroffen hatte, gute Beziehungen zur albanischen Botschaft unterhielten. So wurden sie beispielsweise in einem Dienstfahrzeug der albanischen Botschaft herumchauffiert. Anlässlich einer Passkontrolle konnte die Zürcher Kantonspolizei die Identität des einen feststellen; es handelte sich um einen albanischen Diplomaten namens AA. Des weiteren ist aktenkundig, dass sich der albanische Botschafter nach dem Befinden von RK erkundigt hat. Wenn von der Verteidigung ausgeführt wird, dies entspreche einer originären Aufgabe des Botschafters, so muss dem entgegengehalten werden, dass der betreffende Botschafter, im Lichte der herrschenden Verhältnisse, über einen recht chargierten Terminkalender verfügen dürfte, wenn er allen Landsleuten den gleichen Service entgegenbringen möchte.
Obwohl Ansätze einer Organisation, wie die Vernetzung zu Leuten mit politischem Gewicht, die arbeitsteilige Vorgehensweise der Beteiligten und der hohe Organisationsgrad unter den Mitgliedern zu bejahen sind, muss das Bestehen einer kriminellen Organisation verneint werden, da es bereits am Tatbestandsmerkmal der Geheimhaltung fehlt. Das Bild, welches sich das Gericht im Laufe des Verfahrens vom ‚K Clan’ machen konnte, entspricht nicht demjenigen einer hochgradig arbeitsteiligen, stark abgeschotteten Organisation, wie sie das Gesetz fordert: Die Mitwirkenden waren alle untereinander bekannt, von einer internen Geheimhaltung kann keine Rede sein. Auch gegen außen verhielt sich die Gruppe nicht bedeckt, im Gegenteil, man war auf eine Publizität in gewissen einschlägigen Kreisen angewiesen. Dies bezeugt bereits die Tatsache, bei wie vielen Personen die italienische Natelnummer gefunden wurde.
Mit Blick auf das Ziel des Gesetzgebers, nämlich die Schaffung eines Instrumentariums zur Bekämpfung mafiöser Gruppierungen, muss die kriminelle Organisation restriktiv definiert werden und über die ‚bloße’ Bandenmäßigkeit hinausgehen. Der Tatsache, dass die Angeschuldigten sicher eine gut organisierte Bande waren, ist bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen.
Das Kreisgericht erachtet daher den Tatbestand sowohl der Beteiligung als auch der Unterstützung an resp. einer kriminellen Organisation mangels Bestand einer solchen als nicht erfüllt, weshalb hier Freisprüche auszufällen sind.“
Es blieb bei einer Verurteilung wegen qualifizierter Geldwäsche und Verstößen gegen das ANAG. RK erhielt 4 Jahre Zuchthaus, abzüglich 679 Tagen Untersuchungshaft, 12 Jahre Landesverweisung und 50’000.- Fr. Buße; SK 3½ Jahre Zuchthaus, abzüglich 625 Tagen Untersuchungshaft, 10 Jahre Landesverweisung und 30’000.- Fr. Buße; LL 3 Jahre Zuchthaus, abzüglich 625 Tagen Untersuchungshaft, 8 Jahre Landesverweisung und 20’000.- Fr. Buße; CC 18 Monate Gefängnis, abzüglich 99 Tagen Untersuchungshaft, bedingt mit einer Probezeit von 2 Jahren, 5 Jahre Landesverweisung und eine Buße von 5’000.- Fr. Ein Betrag von 360’000.- Fr. wurde nach Art. 59 StGB konfisziert.
6.5.2 Wertung
Der Geldwäschefall wurde im Zusammenhang mit Vorfeldermittlungen im Drogenbereich aufgedeckt, also in einem der zentralen Deliktsbereichen der organisierten Kriminalität. Bei den Beteiligten handelte es sich aber sozusagen um ein spezialisiertes Familienunternehmen, welches in der Schweiz Geld einsammelte, nach Albanien brachte und dort an verschiedene Empfänger verteilen ließ, als Alternativbank quasi. Die Qualifikation der Geldwäsche als banden- und gewerbsmäßige reicht für eine harte Verurteilung vollkommen aus. Die Staatsanwaltschaft scheitert beim Versuch, eine kriminelle Organisation zu konstruieren.
6.6 Die gescheiterte Konfiskation
6.6.1 Fallbeschreibung
Am 31. Juli 1995 verfügt die Staatsanwaltschaft die Konfiskation von 6,2 Millionen US$ von einem Bankkonto, welches auf K lautete und bereits im Jahre 1992 gesperrt und unter die Verfügungsgewalt der Strafverfolgungsbehörde gestellt wurde. Die Staatsanwaltschaft beruft sich rechtlich auf Art. 59 Ziffer 3 StGB und tatbestandsmäßig auf „allgemein Bekanntes“ (de notoriété publique), insbesondere Presseveröffentlichungen, einem ordentlich verlegten und erschienenen Buch von M, einem Bericht von S, seines Zeichens Agent der DEA (Drug Enforcement Agency, der US-amerikanischen Drogenverfolgungsbehörde), einem deutschen Polizeirapport, einem Protokoll einer internationalen Konferenz von Polizeidiensten, einem weiteren nicht näher bezeichneten Polizeirapport: „(…) la partie requérante fonde l’essentiel de ses accusations sur des faits qu’elle qualifie de notoires, soit tirés d’articles de presse et de l’ouvrage de Manfred Morstein. … qui n’ont été confirmés par aucun témoin ni document.“ „En outre, et d’une matière générale, il y a lieu de souligner qu’il est étonnant qu’une personne dont les activités seraient très gravement illicites aux termes de la requête et qui serait membre d’une organisation criminelle, ait utilisé pour celles-ci un compte bancaire ouvert à son propre nom et à celui de son épouse. Force est dès lors de constater que la réalité des nombreuses activités criminelles reprochées au cité, n’a pas été établie par la partie requérante [die Staatsanwaltschaft].“ K wurde einige Male in verschiedenen Ländern Europas und Nordafrikas verurteilt, 1972 wegen Autodiebstahls, 1974 und 1977 wegen Haschischhandels, 1985 wegen Drogen- und Waffenhandels und Passfälschung. In der Schweiz war er bis anhin noch nicht aufgefallen. 1992 wurde K in Spanien verhaftet und des Mordversuchs, des Mordes, der Zugehörigkeit zu einer bewaffneten Bande, des fortgesetzten Diebstahls, verschiedener Fälschungsdelikte und der Piraterie angeklagt. Über eine eventuelle Verurteilung ist jedoch nichts zu erfahren. Im selben Jahr erhebt auch die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Geldwäsche und Fälschungsdelikten und verfügt eine vorläufige Beschlagnahme seiner Vermögenswerte. Drei Jahre später folgt der Konfiskationsbeschluss, ohne dass es in der Zwischenzeit zu einem ordentlichen Strafverfahren gekommen wäre. Er wird nun damit begründet, dass A Angehöriger einer kriminellen Organisation sei und aus diesem Grunde die Beweislastumkehr nach Art. 59 StGB gegeben sei, dass also A die legale Herkunft dieser 6 Millionen US-Dollar beweisen müsse. Außerdem wird A nun auch Waffenhandel vorgeworfen. Im Jahre 1996 entscheiden das Geschworenengericht und 1997 der Strafgerichtshof, dass die Konfiskation nicht rechtens sei, hauptsächlich weil Art. 59 StGB, der erst im August 1994 in Kraft trat, nicht rückwirkend anzuwenden ist. Umstritten war auch, ob die Schweiz durch die Straftaten des A überhaupt berührt sei, insbesondere wegen eines Waffenhandels, den er im Auftrag einer arabischen Regierung für Kroatien und Bosnien abwickelte. Der Kassationshof weist im Jahre 1998 den Beschluss der Vorinstanz aus dem Jahre 1997, der die Konfiskation bereits als nicht rechtens bezeichnete, mit der Auflage zurück, es seien ausländisches Recht, weitere Fakten bezüglich des Waffenhandels und die doppelte Strafbarkeit zu prüfen.
6.6.2 Wertung
Hier geht es in erster Linie um die Erleichterung der Konfiskation von Vermögenswerten durch die Beweislastumkehr. A wurde in der Schweiz nicht verurteilt. Die Strafverfolgungsbehörde war nicht in der Lage, gegen A eine Verurteilung zu erwirken, möchte aber sein konfisziertes Vermögen zu Gunsten des Staates behalten. Zu diesem Zweck wurde auch die Konfiskation in Anknüpfung an die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation oder Vereinigung neu geregelt. Mindestens dieser Nachweis, wenn auch nicht die Beteiligung an irgend einer konkreten anderen Straftat, muss durch die Strafverfolgungsbehörden immerhin noch erbracht werden. Nach wie vor sind die Gerichte nicht bereit, auf bloße Behauptungen hin, Gelder von Verdächtigen zu Gunsten des Staates einkassieren zu lassen. In diesem Verfahren scheint es der Staatsanwaltschaft auch nicht so sehr um die strafrechtliche Verurteilung des A gegangen zu sein, sondern in erster Linie um die Konfiskation des Geldes.
6.7 Die gelungene Konfiskation
6.7.1 Fallbeschreibung
Im Jahre 1990 suchen die italienischen und englischen Strafverfolgungsbehörden den in Tunesien geborenen Franzosen M und sein Vermögen. Bezüglich des Vermögens werden sie in der Schweiz fündig. Auf Grund der Vorwürfe eröffnen die Schweizer Behörden im Jahre 1991 ein Strafverfahren wegen Drogenhandels und Geldwäsche. Auf verschiedenen Nummernkonten befanden sich insgesamt 250’000 US$, 110’000 US$ konnten blockiert werden. Schon im Jahre 1990 wurde M in Rom in letzter Instanz wegen bandenmäßigen Drogenhandels verurteilt und im Jahre 1991 wurde in Florenz ein Strafverfahren wegen Kokainhandels und Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung eröffnet. Eine formelle Anklage erfolgte in Florenz im Jahre 1993, bis 1995 war den Schweizer Behörden auch nach mehreren Anfragen in Italien in diesem Fall kein Urteil bekannt gegeben worden. Im Juni 1995 beschloss das Geschworenengericht auf Antrag des Staatsanwaltes die Konfiskation der Vermögenswerte, unter Anwendung von Art. 260ter StGB und der Beweislastumkehrregel von Art. 59 Ziffer 3 StGB. M behauptete vergeblich, mit geringer Überzeugungskraft und ohne handfeste Beweise, das mit Beschlag belegte Geld stamme aus Spielgewinnen bzw. aus einem Darlehen und er sei keineswegs Mitglied einer kriminellen Organisation. Eine Verurteilung von M wurde durch den Staatsanwalt nicht beantragt, bloß die Konfiskation der beschlagnahmten Vermögenswerte. Im Mai 1996 bestätigte der kantonale Kassationshof das Urteil und im August 1996 auch das Bundesgericht.
6.7.2 Wertung
In diesem Verfahren ging es einzig darum, Vermögenswerte, die aller Wahrscheinlichkeit nach illegaler Herkunft sind, also Gewinne aus dem Drogenhandel darstellen, der Verfügungsgewalt der Drogenhändler zu entziehen. Durch die Beweislastumkehr nach Art. 59 StGB in Verbindung mit Art. 260ter StGB kann auch gegenüber Ausländern, die das Delikt im Ausland begangen haben, ohne größeren Ermittlungsaufwand eine Konfiskation erfolgen.
Der Kassationshof des Bundesgerichts hat in diesem Urteil erstmals die Bedingungen für eine Strafbarkeit nach Art. 260ter StGB beschrieben. Das Urteil wurde jedoch nicht in der Sammlung der Bundesgerichtsentscheide veröffentlicht. Es ging auch nicht um die Anwendung von Art. 260ter StGB in einem Strafurteil, sondern nur um die Anwendung von Art. 59 Ziff. 3 StGB, also um die Konfiskation. Insbesondere äußert sich das Gericht nicht zur Subsidiarität des Art. 260ter StGB, wendet ihn aber in Verbindung mit Art. 59 StGB an, ohne dass eine Verurteilung wegen 260ter StGB erfolgt ist. Es ist durchaus möglich, dass in einem späteren Bundesgerichtsentscheid eine engere Auslegung erfolgen könnte. Die entscheidenden Stellen dieses Bundesgerichtsurteils sind im folgenden wiedergegeben:
b) Selon l’art. 59 ch. 3 CP, le juge prononcera la confiscation de toutes les valeurs sur lesquelles une organisation criminelle exerce un pouvoir de disposition (1ère phrase); les valeurs appartenant à une personne qui a participé ou apporté son soutien à une organisation criminelle (art. 260ter) sont présumées soumises, jusqu’à preuve du contraire, au pouvoir de disposition de l’organisation (2ème phrase).
La confiscation de valeurs patrimoniales appartenant à une personne suppose donc que cette personne ait participé ou apporté son soutien à une organisation criminelle au sens de l’art. 260ter CP; la référence à cette dernière disposition indique clairement que la confiscation n’implique pas la preuve d’un lien avec l’infraction antérieure, mais suppose néanmoins un comportement antérieur punissable de la personne concernée (Message du Conseil fédéral du 30 juin 1993, FF 1993 III 269 ss, 310). Lorsqu’une personne est punissable en vertu de l’art. 260ter CP, le pouvoir de disposition de l’organisation criminelle que présuppose la confiscation de ses valeurs patrimoniales est présumé par la loi; la personne concernée peut toutefois détruire cette présomption; il lui appartient alors de prouver l’inexistence du pouvoir de disposition de l’organisation criminelle sur les valeurs patrimoniales, c’est-à-dire l’absence de possibilité ou de volonté de maîtrise de la part de l’organisation sur ces valeurs; elle peut, par exemple, prouver qu’elle a acquis légalement les valeurs patrimoniales ou que l’organisation ne pourrait avoir accès à celles-ci qu’en commettant de nouvelles infractions (FF 1993 111 310 et 311).
Est punissable en vertu de l’art. 260ter CP ‘celui qui aura participé à une organisation qui tient sa structure et son effectif secrets et qui poursuit le but de commettre des actes de violence criminels ou de se procurer des revenus par des moyens criminels’ ainsi que ‘celui qui aura soutenu une telle organisation dans son activité criminelle’.
Cette infraction suppose d’abord l’existence d’une organisation criminelle. Il s’agit d’une notion plus étroite que celle de groupe, de groupement au sens de l’art. 275ter CP ou de bande au sens des art. 139 ch. 3 al. 2 et 140 ch. 3 al. 1 CP; – elle implique l’existence d’un groupe structuré de trois personnes au minimum, généralement plus, conçu pour durer indépendamment d’une modification de la composition de ses effectifs et se caractérisant, notamment, par la soumission à des règles, une répartition des tâches, l’absence de transparence ainsi que le professionnalisme qui prévaut aux différents stades de son activité criminelle; on peut notamment songer aux groupes qui caractérisent le crime organisé, aux groupements terroristes, etc. (FF 1993 111 269 ss, 289 et 290; Stratenwerth, BT II, 4ème éd. Berne 1995, p. 183, no 21; Rehberg, Strafrecht IV, 2ème éd. Zurich 1996, p. 170).
Il faut ensuite que cette organisation tienne sa structure et son effectif secrets. La discrétion généralement associée aux comportements délictueux ne suffit pas; il doit s’agir d’une dissimulation qualifiée et systématique, qui ne doit pas nécessairement porter sur l’existence de l’organisation elle-même mais sur la structure interne de celle-ci et le cercle de ses membres et auxiliaires (FF 1993 111 290/291; Stratenwerth, op.cit. p. 184 no 23; Rehberg, op. cit., p. 170).
Il faut en outre que l’organisation poursuive le but de commettre des actes de violence criminels ou de se procurer des revenus par des moyens criminels. Le but criminel doit être le but propre de l’organisation, dont l’activité doit concerner pour l’essentiel – mais non pas exclusivement – la commission de crimes, c’est-à-dire en tout cas d’infractions que le droit suisse qualifie de crimes (cf. art. 9 CP). Par crimes violents, il faut entendre ceux dont la commission implique ou se caractérise par la violence au sens pénal du terme, par exemple le meurtre, l’assassinat, les lésions corporelles graves, le brigandage, l’extorsion, la séquestration, l’enlèvement, etc. Quant à l’enrichissement par des moyens criminels, il suppose que l’organisation s’efforce de se procurer des avantages patrimoniaux illégaux en commettant des crimes; sont notamment visés les infractions constitutives de crimes contre le patrimoine et les crimes prévus par la loi fédérale sur les stupéfiants (FF 1993 111 291/292; Stratenwerth, op. cit. p. 183 no. 22; Rehberg, op. cit., p. 171).
Il faut encore que l’auteur de l’infraction ait participé à l’organisation ou soutenu celle-ci dans son activité. Participe à une organisation criminelle celui qui s’y intègre et y déploie une activité concourant à la poursuite du but criminel de l’organisation. La variante du soutien à l’activité d’une organisation criminelle vise le comportement de celui qui contribue, notamment comme intermédiaire, à cette activité, encourage ou favorise celle-ci ou fournit une aide servant directement le but criminel de l’organisation; le soutien se distingue de la complicité en cela qu’un rapport de causalité entre le comportement de l’auteur et la commission d’une infraction déterminée n’est pas nécessaire; à titre d’exemple on peut citer le cas de celui qui, bien que conscient des liens existant entre sa prestation et le but poursuivi par l’organisation, fournit à cette dernière des armes qui seront retrouvées ultérieurement à l’occasion d’attentats ou encore de celui qui administre des fonds en sachant pertinemment que sa prestation de service profite à l’organisation criminelle (FF 1993 111 291 293; Stratenwerth, op. cit. p. 184/185, no 24 26; Rehberg, op. cit., p. 171 ss).
Enfin, sur le plan subjectif, il faut que l’auteur ait agi intentionnellement; conformément aux règles générales, l’intention doit porter sur l’ensemble des éléments constitutifs objectifs (FF 1993 111 294; Stratenwerth, op. cit. p. 185, no 27; Rehberg, op. cit., p. 173).
c) Selon l’arrêt attaqué, par jugement définitif du 12 novembre 1990, le recourant a été condamné par les tribunaux romains à une peine de 6 ans de réclusion et à une amende de 20 millions de lires pour s’être livré, en 1987, en coactivité avec quatre autres personnes, dont G.B., à un important trafic de cocaïne dans le cadre d’un réseau de trafiquants auquel il appartenait; il a par ailleurs été renvoyé en jugement, en août 1993, devant les tribunaux florentins, en raison de son appartenance à un important réseau de trafiquants de drogue, dans lequel plus de dix personnes sont impliquées – dont G.B., également condamné par les tribunaux romains –, notamment pour avoir importé en Europe, en 1989/1990, plusieurs dizaines de kilos de cocaïne. Il en résulte clairement que le recourant a participé ou en tout cas apporté son soutien, au sens défini ci-dessus (cf. supra, let. b), à un réseau de trafiquants de drogue, se livrant à un important trafic de stupéfiants, et qu’il a en outre été renvoyé en jugement pour des faits similaires.
6.8 Kreditkartenbetrüger bilden eine kriminelle Organisation3
6.8.1 Fallbeschreibung
Im Juli 1996 eröffnete ein Instruktionsrichter eines französischsprachigen Kantons der Schweiz gegen den fünfzigjährigen, staatenlosen, in der Ukraine geborenen, in Deutschland wohnhaften Ingenieur G und seine Partnerin L ein Verfahren wegen Betrugs, Urkundenfälschung etc. und wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Ende 1994 reiste G während gut zwei Monaten in der Schweiz herum und kaufte mit Kreditkarten deliktischer Herkunft ein. An diesem Treiben beteiligten sich noch sechs weitere Personen, alle aus dem osteuropäischen Raum. Die lukrativste und häufigste Vorgehensweise der Gruppe bestand darin, mit Hilfe der Kreditkarten Bahnbillette zu kaufen und diese dann durch eine andere Person der „Organisation“ ungebraucht wieder rückerstatten zu lassen.
G wurde Mitte Februar 1995 verhaftet, zusammen mit seiner Gehilfin I. Die Ingenieurin L fiel der Polizei einen Monat nach G in die Hände und verhielt sich den Untersuchungsbehörden gegenüber kooperativ.
In der Anklageschrift werden die Schäden minutiös aufgelistet. Sie betragen für die ganze Bande 107’204.10 Fr. für Einkäufe und Dienstleistungen wie Übernachtungen und Restauration, 52’429.70 Fr. für Bahnbillette und Fr. 300.- Fr. für einen Kreditkarten-Barbezug. Dazu kommen noch gut tausend Franken an missglückten Einkäufen, da in diesen Fällen die Kreditkarten kontrolliert wurden. Erwähnt wird auch, dass der Mittäter P, der nicht verhaftet und angeklagt werden konnte, in Darmstadt „probablement utilisée cette carte de crédit pour téléphoner (coût de la communication: fr. 2.75)“ und dass die vierzigjährige L für 50 US-Dollar in Polen einen falschen polnischen Pass erworben und benützt habe. Die Untersuchung gegen eine weitere Person, auf deren Namen eine der missbrauchten Kreditkarten ausgestellt war, wurde eingestellt.
Die Recherchen des Instruktionsrichters ergaben, dass G zehn Jahre früher in Deutschland wegen Steuerdelikten zu 140 Tagen Gefängnis verurteilt wurde und drei Jahre früher ebenfalls in Deutschland zu achtzehn Monaten Gefängnis auf Bewährung wegen Betrugs und Urkundenfälschung sowie in Amsterdam wegen kleinerer Delikte zu einem Monat Gefängnis. In der Schweiz lag keine Verurteilung vor.
Zur Verhandlung vor Strafgericht kam es erst im Herbst 1997, also über 2½ Jahre nach der Verhaftung. Das Urteil in contumatiam erging am 27. September 1997. Die Verhandlung fand summarisch unter Abwesenheit der Angeklagten statt, da diese alle bereits entlassen, ausgeliefert oder ausgeschafft waren.
G wurde zu drei Jahren Gefängnis, unter Anrechnung von 315 Tagen Sicherheitshaft, und einer Landesverweisung von 15 Jahren verurteilt.
L wurde zu zwei Jahren Gefängnis, unter Anrechnung von 229 Tagen Sicherheitshaft, und ebenfalls 15 Jahren Landesverweisung verurteilt.
I spielte eine untergeordnete Rolle und wurde nicht wegen Verletzung des Art. 260ter StGB angeklagt, also auch nicht wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation. Sie ist ausgebildete Schneiderin und besuchte eine Mannequin-Schule. Vorstrafen konnten keine ermittelt werden. Ihre Strafe betrug 8 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung von 29 Tagen Sicherheitshaft, und 10 Jahren Landesverweisung.
Neben einigen Wertsachen wurden knapp 3000.- Fr. konfisziert.
6.8.2 Wertung
Hier handelt es sich um einen typischen Fall von bandenmäßig und gewerbsmäßig betriebenen Kreditkartenbetrug, begangen von Personen, die sich wohl ausschließlich zu diesem Zweck in der Schweiz aufgehalten und kräftig eingekauft haben. Weder im Urteil noch in der Anklageschrift wird die Existenz einer kriminellen Organisation qualifiziert dargelegt, begründet oder rechtlich beurteilt. Trotzdem erfolgen zwei Schuldsprüche nach Art. 260ter StGB. Immerhin sind das ein Fünftel der bis anhin bekannten Verurteilungen nach Art. 260ter StGB seit dessen Inkrafttreten in der ganzen Schweiz. Zur Begründung des Strafrahmens hätten auch die Qualifikationsmerkmale Bandenmäßigkeit und Gewerbsmäßigkeit bei weitem ausgereicht. Sinn und Zweck der Anwendung von Art. 260ter StGB lässt sich nicht ohne weiteres erschließen. Da zur Zeit des Urteils keiner der Verurteilten mehr im Lande war und beinahe selbstverständlich, trotz Vorladung auf dem Wege des Edikts, auch keiner erschien, bestand auch kein Interesse, gegen das Urteil zu appellieren. Es erscheint durchaus möglich, sogar höchstwahrscheinlich, dass das Urteil von einer höheren Instanz bezüglich des Anklagepunktes Art. 260ter StGB kassiert worden wäre. Eine Bande von Checkbetrügern, die einmal für zwei Monate in der Schweiz auftaucht und ihr Unwesen treibt, ist nicht gerade das, was man sich unter einer kriminellen Organisation gemeinhin vorstellt.
6.9 Bargeld im Motorraum: Eine kriminelle Organisation?
6.9.1 Fallbeschreibung
Im Oktober 1994 kontrollieren Grenzbeamte im Kanton Genf den fünfzigjährigen Chilenen F und den fünfundzwanzigjährigen Ecuadorianer M in einem kleinen, in Italien zugelassenen Fiat bei der Einreise in die Schweiz. Im Motorraum entdecken sie einen Karton mit spanischen Peseten im Gegenwert von ca. 50’000.- Fr. In den Geldbeuteln der beiden finden sich auch noch italienische Lire im Gegenwert von ca. 3’000.- Fr. F weist sich mit einem gefälschten Pass aus. Die beiden geben an, das Geld wären die Ersparnisse einer Gruppe von Südamerikanern, die in Italien mit Handwerkserzeugnissen handeln würden. Sie kämen in die Schweiz, weil die Überweisung von Geld nach Ecuador in Italien nicht möglich sei. Das Geld hätten sie im Motorraum versteckt, damit es nicht gestohlen würde. Außerdem fand die Polizei eine Visitenkarte eines Mannes, wohnhaft in Calí, in Europa wohlbekannt als Hauptort des gleichnamigen „Kokainkartells“. Die beiden verblieben in Sicherheitshaft. Zehn Tage nach der Verhaftung meldete INTERPOL, F sei vor 8 Jahren in Italien wegen Besitzes von 739 g Haschisch verurteilt worden. F und M wurden in der Folge vom Instruktionsrichter wegen Geldwäsche verurteilt, F zusätzlich wegen Verstoßes gegen das ANAG. M wird aus der Sicherheitshaft entlassen, verlässt das Land und ist froh, sich um die Sache nicht mehr weiter kümmern zu müssen. Im Januar, mehr als hundert Tage nach der Verhaftung, verurteilt der procureur général de la république et du canton de Genève den Chilenen F unter Anwendung von Art. 260ter StGB, Art. 305bis StGB und Art. 23 ANAG zu fünf Monaten Gefängnis, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, ohne Bezugnahme auf die Sicherheitshaft, sowie zu 5’000.- Fr. Buße und 5 Jahren Landesverweisung. Das ganze Geld wurde auf Grundlage von Art. 59 Ziff. 3 StGB zu Gunsten des Staates eingezogen. Der procureur général schloss auf eine kriminelle Organisation mit hierarchischem Aufbau, weil der Angeklagte M den Angeklagten F mit Don anredete. M gab beim Verhör durch die Polizei zu Protokoll, dass sich diese Höflichkeitsform auf den Altersunterschied zwischen den beiden beziehe. Tatsächlich könnte F M’s Vater sein. F rekurriert gegen dieses Urteil, wohl nicht zuletzt des konfiszierten Geldes wegen.
Das Polizeigericht bestätigt den Entscheid des procureur général im August 1995 und hält fest, dass Art. 260ter StGB extensiv ausgelegt werden müsse, um das organisierte Verbrechen effizient bekämpfen zu können und dass das Erfordernis einer hierarchischen Struktur ganz klar vorliege, da M ja F als Don bezeichne und dieser vor einigen Jahren im Ausland delinquiert habe. Auch gegen dieses Urteil geht F in Berufung. Der Cour de Justice zieht dann im Oktober 1995 ganz andere Schlüsse als die Vorinstanzen. Er rügt, dass es für eine kriminelle Organisation mehr als zwei Personen bräuchte. Schon aus diesem Grunde sei der Angeklagte bezüglich Art. 260ter StGB freizusprechen. Weiter rügt er, dass der kriminelle Ursprung des Geldes durch die Anklagebehörde nachgewiesen oder mindestens dargelegt werden muss, was hier nicht der Fall sei: „Das Polizeigericht hat den Text des Strafbefehls bezüglich der Geldwäsche Wort für Wort abgeschrieben. So haben es die Richter unterlassen, die Argumentation des Staatsanwalts zu analysieren und auf jegliche Prüfung der Anwendbarkeit des Art. 305bis verzichtet.“ (Übersetzung des Autors) Das Gericht rügt auch, dass die Untersuchungsbehörde alle normalerweise durchzuführenden kriminalistischen Untersuchungen unterlassen hat, insbesondere weder Fingerabdrücke genommen noch eine Recherche der Bankkonten veranlasst hat. Deshalb erfolgt auch ein Freispruch vom Vorwurf der Verletzung des Art. 305bis StGB. Was übrigbleibt, ist die von keiner Seite bestrittene illegale Einreise. Deswegen verurteilt das Gericht F wegen Verletzung des Art. 23 ANAG zu zwei Monaten Gefängnis, bedingt auf zwei Jahre, unter Anrechnung der Präventivhaft von 32 Tagen und zu 5 Jahren Landesverweisung. Die Konfiskation des Geldes wird aufgehoben und dieses dem Verurteilten zurückerstattet. Der procureur général verzichtet auf eine Kassationsbeschwerde beim Bundesgericht, da diese nach menschlichem Ermessen wohl keine Aussicht auf Erfolg hätte.
6.9.2 Wertung
Hier handelt es sich um den überrissenen Versuch der Untersuchungsbehörde, kurz nach dessen Einführung den Art. 260ter StGB so weit auszulegen, dass eine Konfiskation nicht mehr weiter begründet werden muss, die Vorteile der Beweislastumkehr des Art. 59 Ziff. 3 StGB4 bei der Einziehung von Vermögenswerten unbeschränkt genossen werden können und an den Tatnachweis nicht mehr so hohe Anforderungen gestellt werden müssen. Das erleichtert natürlich die Arbeit der Polizei, führt aber die Erfordernis des Tatnachweises ad absurdum. Das Genfer Kriminalgericht hat sich zu dieser Vorgehensweise klar geäußert und sie zu Recht zurückgewiesen.
An dieser Stelle erscheint ein Hinweis auf den sozioökonomischen Interpretationszusammenhang des Art. 260ter und des Art. 305bis StGB notwendig: Die Umstände der Einreise der beiden Südamerikaner und ihr sozialer Status sind in diesem Falle bedeutsam. Sie kontrastieren auf das Schärfste mit wohlhabenden Europäern, die ihr Geld in der Schweiz anlegen, Finanztransaktionen vornehmen und allenfalls Steuervorteile wahrnehmen möchten.
6.10 Das Opfer wird zum Täter: Eine Prostituierte soll eine kriminelle Organisation unterstützt haben5
6.10.1 Fallbeschreibung
Die 34-jährige U reiste im Juni 1995 aus Polen in die Schweiz ein, um nach eigenen Angaben hier als Prostituierte zu arbeiten. Als alleinverdienende Mutter befand sich die Polin, Absolventin eines chemischen Technikums, in finanziellen Schwierigkeiten. Sie meldete sich auf ein Inserat in einer polnischen Lokalzeitung, in dem Frauen für eine Agentur in der Schweiz gesucht wurden. In einem Vorgespräch informierte sie sich über ihre zukünftige Tätigkeit in der Schweiz und erhielt das Angebot eines Verdienstes von 3000.- Fr. monatlich. Ein Agentenpaar holte sie an ihrem polnischen Wohnort ab und lieferte sie in der Schweiz sofort beim Zuhälter DA in seinem Etablissement in einem suburbanen Gebiet nahe des Kantons Zürich ab. Dort arbeitete sie einen Monat und wollte dann wieder in ihre Heimat zurück. Dies wurde ihr von DA vorerst verweigert und durch die Wegnahme des Passes verunmöglicht, da DA dem Schlepper eine Vermittlungsprovision für drei Monate bezahlt habe. Schließlich durfte sie unter Drohungen und Lohnrückbehalt zur Verlängerung des Passes in ihre Heimat fahren. Nach einigen Wochen kam sie wieder in die Schweiz zurück und nahm ihre Arbeit wieder auf.
Sie berichtete den Untersuchungsbehörden, sie sei, obwohl sie nicht zur Prostitution gezwungen worden wäre, von Anbeginn ihrer Tätigkeit unter Drohungen und moralischem Druck von DA gestanden. Sie sei jeweils von einem Chauffeur zu den Kunden gefahren worden und habe diesem ihre Einnahmen abliefern müssen.
Knapp drei Monate nach ihrer ersten Einreise wird sie bei einer Razzia verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Die Untersuchungsbehörde bezichtigt sie der Unterstützung einer kriminellen Organisation. Nach mehreren Vernehmungen und 20 Tagen Haft wird sie der Ausländerpolizei überstellt und ausgeschafft. Am Tage der Überstellung an die Ausländerpolizei stellt sie laut Akten den Antrag, nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen zu müssen. Die Untersuchungsbehörde erhebt Anklage und das Gericht entscheidet in der Folge allein auf Grund der Vernehmungsprotokolle. Sie wird wegen Verletzung ausländerrechtlicher Bestimmungen zu 7 Tagen Haft auf Bewährung verurteilt, unter Anrechnung der zwanzigtägigen Untersuchungshaft. Von der Beteiligung oder Unterstützung einer kriminellen Organisation wird sie freigesprochen. Das Gericht bringt diesem Anklagepunkt kein Verständnis entgegen und findet recht deutliche Worte: „Und gar widersinnig wird dieser in der Anklage erhobene Vorwurf bezüglich der Angeklagten, die ein Opfer dieses kriminellen Organisationszwecks geworden ist. Von einer strafbaren Beteiligung bzw. Unterstützung im Sinne von Art. 260ter StGB hätte allenfalls dann ausgegangen werden können, wenn die Angeklagte nicht nur als Prostituierte gearbeitet hätte, was – wie gesagt – nichts Illegales ist, sondern darüber hinaus vorsätzlich den verbrecherischen Zweck der Organisation durch zusätzliche Handlungen – wie z.B. das Anwerben von anderen Frauen zwecks Prostitution im Rahmen der Organisation, die Hilfe bei entsprechenden Transporten in die Schweiz, die Druckausübung auf andere Prostituierte, der Transport zu Freiern, der Einzug von Geldern und dgl. – gefördert hätte. Davon spricht indessen auch die Anklage nicht. Die Angeklagte ist in diesem Anklagepunkt daher freizusprechen“.
6.10.2 Wertung
Bei diesem Fall kann von einem offensichtlichen Missbrauch des Art. 260ter StGB durch die Untersuchungs- und Anklagebehörde gesprochen werden. Art. 260ter StGB diente der ungerechtfertigten Verlängerung der Untersuchungshaft zur Erpressung belastender Aussagen gegen den Zuhälter, der als Chef einer kriminellen Organisation verdächtigt wird. Da Prostitution nicht strafbar ist, hätten nur wenige Tage Ausschaffungshaft angeordnet werden können und auch dies nur unter beträchtlichem Begründungsnotstand. Die Anklagebehörde gibt sich nicht die geringste Mühe, in der Anklageschrift die Existenz dieser vermuteten kriminellen Organisation zu beweisen. Zur Druckausübung münzt sie einfach das Opfer, die Prostituierte, zur Täterin um. In diesem Fall kommt noch dazu, dass erst nach über fünf Jahren gegen den verdächtigten Zuhälter und Menschenhändler ein rechtskräftiges Urteil erfolgt ist (siehe Abschnitt 5.3.6.3). Im April 2001 verurteilte das Obergericht DA wegen Verstoßes gegen Art. 195 StGB, Förderung der Prostitution. Alle anderen Anklagepunkte wurden fallengelassen oder waren verjährt. Die Strafverfolgungsbehörden hatten das Verfahren in der späteren Phase nicht mit dem nötigen Elan verfolgt, ganz im Gegensatz zu dem überbordenden Enthusiasmus, den sie zu Beginn gegenüber den Nebenfiguren oder Opfern zeigten.
6.11 Die Auslieferung an die USA
6.11.1 Fallbeschreibung
Am 14. Juni 1995 verlangt die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika die Auslieferung des ägyptisch-amerikanischen Doppelbürgers K. Fünf Tage später wird K in der französischen Schweiz verhaftet und in Auslieferungshaft genommen. Grundlage des Auslieferungsgesuchs war ein amerikanischer Haftbefehl vom 9. Juni 1995 aufgrund folgender Anklagepunkte: Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zwecke des Betrugs mittels Telekommunikation, Falschaussagen, Betrug mittels Briefverkehrs, Betrug mittels Telekommunikation, Transport betrügerisch erlangter Güter, Geldwäsche und Urkundenfälschung. Der Hintergrund war die Beschaffung von Medikamenten und anderen medizinischen Gütern zu billigen Konditionen unter dem Vorwand, diese zu humanitären Zwecken nach Ägypten und nach Osteuropa zu exportieren. In Wahrheit wurden die Güter umgelenkt und auf dem amerikanischen Markt verkauft. K habe durch diese betrügerischen Tätigkeiten einen Gewinn von 19 Millionen US$ erlangt. Davon seien 5,5 Millionen auf Schweizer Bankkonten deponiert worden. Am 30. Juni 1995 verlangen die Vereinigten Staaten die Beschlagnahme dieses Betrags und die Bundesanwaltschaft handelt am 4. Juli nach ihrem Begehren. K widersetzt sich der Auslieferung. Er verlangt die Freigabe des beschlagnahmten Geldes mit der Begründung, die vorgeworfenen Handlungen wären nicht strafbar, wenn diese in der Schweiz begangen worden wären. Die Bundesanwaltschaft beharrt auf ihrem Auslieferungsentscheid auf Grund der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung, wegen falschen Zeugnisses, wegen Betrugs und wegen Geldwäsche. Das Bundesgericht stellt fest, dass die doppelte Strafbarkeit bezüglich gewerbsmäßig und bandenmäßig begangenen Betrugs, falschem Zeugnis und Geldwäsche gegeben sei und prüft die Anwendbarkeit von Art. 260ter StGB nicht. K wird ausgeliefert und das beschlagnahmte Geld wird nicht freigegeben.
6.11.2 Wertung
In diesem Fall genügte die Beschuldigung des gewerbsmäßig und bandenmäßig begangenen Betrugs neben anderen Tatvorwürfen, um eine Auslieferung zu rechtfertigen. Der Versuch der Bundesanwaltschaft, eine kriminelle Vereinigung zu konstruieren, erscheint überflüssig.
1Das Bundesgericht verlangt eine Umrechnung des „Gassenheroins“, welches Reinheitsgrade zwischen 10 und 80 % ausweist. Die wissenschaftlich korrekte Bezeichnung für den reinen Stoff ist Diacetylmorphin-Hydrochlorid. Die „bedeutende Menge“, die zu einer Strafschärfung führt, ist allerdings schon mit hundert Gramm bei weitem erreicht.
2Es handelt sich um den im Lagebericht 2000, „Szene Schweiz“ des BAP, a.a.O., dargestellten Fall Nr. 3.
3 Es handelt sich um den im Lagebericht 2000, „Szene Schweiz“ des BAP, a.a.O., dargestellten Fall Nr. 1.
4Art. 59 StGB, Einziehung von Vermögenswerten, Fassung gemäß Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Aug. 1994 (AS 1994 1614 1618; BBl 1993 III 277).
1. Der Richter verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine strafbare Handlung erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine strafbare Handlung zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes ausgehändigt werden.
Die Einziehung ist ausgeschlossen, wenn ein Dritter die Vermögenswerte in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben hat und soweit er für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat oder die Einziehung ihm gegenüber sonst eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde.
Das Recht zur Einziehung verjährt nach fünf Jahren; ist jedoch die Verfolgung der strafbaren Handlung einer längeren Verjährungsfrist unterworfen, so findet diese Frist auch auf die Einziehung Anwendung.
Die Einziehung ist amtlich bekanntzumachen. Die Ansprüche Verletzter oder Dritter erlöschen fünf Jahre nach der amtlichen Bekanntmachung.
2. Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt der Richter auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Ziffer 1 Absatz 2 ausgeschlossen ist.
Der Richter kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde.
Die Untersuchungsbehörde kann im Hinblick auf die Durchsetzung der Ersatzforderung Vermögenswerte des Betroffenen mit Beschlag belegen. Die Beschlagnahme begründet bei der Zwangsvollstreckung der Ersatzforderung kein Vorzugsrecht zugunsten des Staates.
3. Der Richter verfügt die Einziehung aller Vermögenswerte, welche der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen. Bei Vermögenswerten einer Person, die sich an einer kriminellen Organisation beteiligt oder sie unterstützt hat (Art. 260ter), wird die Verfügungsmacht der Organisation bis zum Beweis des Gegenteils vermutet.
4. Lässt sich der Umfang der einzuziehenden Vermögenswerte nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermitteln, so kann der Richter ihn schätzen.
5 Vgl. Abschnitt 5.3.6.3. Es handelt sich um den selben Fallkomplex (DA). ProLitteris