Organisierte Kriminalität Phänomenologie

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5 Phänomenologie: Die Tätigkeitsgebiete der organisierten Kri­minalität im Blick der Strafverfolgung

5.1 Drogenhandel

Im 20. Jahrhundert stellte der Drogenhandel den zentralen, ersten und genuinsten Tätigkeitsbereich dar, welcher dem organisierten Verbrechen zugeschrieben wurde. Der Handel mit Alkohol zur Zeit der Prohibition nach dem ersten Weltkrieg in den USA galt als Ursprung des organisierten Verbrechens. Im neuen Jahrtausend ist keine Änderung dieser Ansichten abzusehen.

5.1.1 Rechtliche Grundlagen

Drogengebrauch und -handel sind in der Schweiz erst in neuerer Zeit strafbar gewor­den. Die erste Regelung aus dem Jahre 1951, die den Handel mit Opiaten, Cannabis etc. einschränkt, wurde bis heute dauernd verschärft.1 Erst in jüngster Zeit wird min­destens beim Konsum und bei der Weitergabe von Cannabis eine begrenzte Liberali­sierung diskutiert.2 Bevor das BetmG in Kraft gesetzt wurde, war in der Schweiz auch nicht von organisierter Kriminalität die Rede, höchstens von Bandenkriminali­tät, Schwarzmarkt oder Mafia.

5.1.2 Polizeiliche Kriminalstatistik

Die Verfolgung des Drogenkonsums, des Drogenhandels und des Drogenschmuggels war der erste Bereich strafbaren Handelns überhaupt, welcher durch eine moderne polizeiliche Kriminalstatistik auf Bundesebene angegangen wurde. Seit 1974 beste­hen ununterbrochene und vergleichbare Zeitreihen zu den polizeilichen Anzeigen (Verzeigungen) wegen Verstößen gegen das BetmG.3 Die Zahl der Anzeigen wuchs kontinuierlich von knapp 5’000 bis knapp 20’000 im Jahre 1990. Sie schließt aller­dings wiederholte Anzeigen der selben Person ein. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre explodiert diese Zahl förmlich. Im Jahre 1994 erreicht sie 40’000, im Jahre 1997 45’000 und stagniert seither. Für die achtziger Jahre ist die Zahl der betroffe­nen Personen nicht publiziert. 1990 betrafen die Anzeigen 15’000 Personen, 1993 bereits mehr als 25’000, 1997 waren es knapp 29’000. Die Inflation der Strafverfol­gung im Bereich der Betäubungsmittel erfolgte synchron mit der Diskussion um die verstärkte Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Nur betraf diese Inflation nicht in erster Linie die Händler und Schmuggler, sondern die Konsumierenden. Der Anteil der Anzeigen gegen Konsumierende erreichte im Jahr 2000 mit 83,5 % (knapp 38’000 Anzeigen) ein Allzeithöchst.

Tabelle: Entwicklung der Verzeigungen wegen Konsums, Handels und Schmug­gels, 1981-2000 4

JahrKonsumGemischte FälleHandelSchmuggelandere, ungeklärtTotal5

Anzahl%Anzahl%Anzahl%Anzahl%AnzahlAnzahl











19816 30165,02 82029,12923,01601,61269 699
19827 71764,63 58030,03973,31771,58011 951
19839 43271,62 94422,44603,52201,711213 168
19849 78571,53 04522,25133,71691,217713 689
198511 30473,63 00519,66664,32061,318015 361
198610 38365,74 37427,75993,83021,915715 815
198711 31065,85 02529,36463,81981,2017 179
198812 65267,55 01126,76863,71680,922218 739
198913 06569,64 66824,97063,81991,114218 780
199012 93668,54 72025,07674,12291,222818 880
199116 73271,35 23322,31 0984,72281,017923 470
199222 99974,55 30817,21 6245,32210,770830 860
199328 71675,26 26116,42 2645,91900,577538 206
199432 03279,35 46013,52 4656,11870,523440 378
199533 92180,85 38212,82 1715,22050,532242 001
199633 93479,65 57913,12 5155,92010,539942 628
199736 33180,64 82710,73 2537,22870,639545 093
199837 11081,24 3219,43 7348,22820,627945 726
199935 32179,74 2609,63 7158,42670,678044 343
200037 71683,54 2129,33 0216,72150,51 39446 558











insges.419 69776,990 03516,531 5925,84 3110,86 889552 524

Die Angaben zu den Betäubungsmitteldelikten der Zürcher KRISTA und des Bun­desamtes für Polizei decken sich nicht. Gründe sind unterschiedliche Zuordnungs­kriterien und unterschiedliche Auswertungsstrategien.

Die Zeitreihen zeigen eine bedeutende Zunahme der Fälle, mit einer explosiven Ver­doppelung in den Jahren 1991-1994 und eine starke relative Abnahme der Fälle, die sich nicht nur auf Konsum beziehen (Handel, Schmuggel, gemischte Fälle: 33,7 % im Jahr 1981; 16,5 % im Jahr 2000). Eine Fokussierung der Drogenrepression auf die organisierte Kriminalität ist jedenfalls keineswegs festzustellen.

Tabelle: Verzeigungen wegen Konsums, Handels und Schmuggels im Kanton Zürich, Vergleich KRISTA und Betäubungsmittelstatistik des Bundes

Betäubungsmitteldelikte19981999Aufkl.quote 1999

KRISTABetäubungsmitteldelikte16922149190,980
Erfasste Straftatendarunter Handel259324230,970

darunter Einfuhr1541920,945

darunter Konsum14119122370,982

KRISTABetäubungsmitteldelikte10456
Tatverdächtigedarunter Handel2114

darunter Einfuhr159

darunter Konsum9275

Schweizer Betäu-Betäubungsmitteldelikte10669
bungsmittelstatistik,darunter Handel1144
Angaben für dendarunter Schmuggel101
Kanton Zürichdarunter gemischte Fälle867

darunter Konsum8394

Von der stattlichen Zahl von 15’000 im Jahre 1999 erfassten und in der KRISTA aufgenommenen Straftaten und gut 10’000 ermittelten Tatverdächtigen verbleiben in der Bundesstatistik noch knapp 1300 reine Handels- und Schmuggeldelikte, die al­lenfalls das Reservoir für die Tätigkeit krimi­neller Organisationen bilden könnten. Überwiegend wird der Kon­sum verfolgt. Ein nicht unbedeutender Teil der Inflation der Zahlen gründet jedoch auf Mehrfachverzeigungen der selben Person im selben Jahr und der mehrfachen Aufnahme des selben Vorgangs in die verschiedenen Kate­gorien, wenn beispiels­weise ein Tatverdächtiger sowohl konsumiert wie auch etwas verkauft und etwas über die Landesgrenze mitgenommen haben soll. Die Verschär­fung der Repression in den neunziger Jahren bleibt trotzdem offensichtlich.

Zur statistischen Analyse der sozialen Merkmale genügen vorerst die Anzeigen eines Jahres. Bei den Anzeigen wegen Drogenhandels und Einfuhr sind Ausländer signifi­kant übervertreten, beim Schmuggel spielen auch Ausländerinnen eine Rolle. Bei den Schweizerinnen und Schweizern wird vor allem der Konsum verfolgt, wobei Schweizerinnen im Vergleich zu den Schweizern beim Handel eine nicht unbedeu­tende Rolle zu spielen scheinen. Ausländerinnen hingegen werden signifikant selte­ner wegen Konsums verfolgt. Wird der Drogenhandel und -schmuggel allenfalls mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht, sind in erster Linie Männer aus­ländischer Nationalität im Blickfeld der Polizei.

Tabelle: Soziale Merkmale der wegen Betäubungsmitteldelikten verzeigten Personen im Kanton Zürich im Jahre 1999 (KRISTA)

Betm-insge-SchweizerinnenSchweizerAusländerinnenAusländer
deliktesamtAnzahl%Anzahl%Anzahl%Anzahl%










Handel21142030,0966050,2861110,05311950,565
Einfuhr15990,057230,145270,1701000,629
Konsum927512860,13950910,5492920,03126060,281










insgesamt1154814980,13057190,4954300,03739010,338

5.1.3 Zusammenhang mit kriminellen Organisationen

In der Kriminalstatistik des Kantons Zürich wird auch die Information aufgenom­men, ob eine Straftat nach Kenntnis der Polizei im Zusammenhang mit kriminellen Organisationen stehe oder nicht.

Tabelle: Aufgenommene und geklärte Straftaten im Kanton Zürich, die nach Polizeiangaben einen Bezug zu organisierter Kriminalität aufweisen, 1995-1999 (KRISTA)

Jahraufgenom- mene Straftatendavon BetmGgeklärte Straftatendavon BetmGAufklärungs- quote insgesamt %Aufklärungs- quote BetmG %







199510529912987100
19966018451875100
199747142189100
19987513601380100
199971754776100







insgesamt358682926882100
%1001910023

Der Anteil der Drogendelikte an den Delikten mit Bezug zur organisierten Krimina­lität ist mit ca. 20 % niedriger als erwartet. Sämtliche Drogendelikte, die im Zusam­menhang mit organisierter Kriminalität stehen, sind als geklärt gemeldet. Die Auf­klärungsquote für alle Delikte im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität ist mit 82 % ebenfalls beachtlich hoch und kontrastiert mit der geringen Zahl von Ver­urteilungen nach Art. 260ter StGB. Bei keiner dieser 292 in Zürich geklärten Straf­taten kam es zu einer Verurteilung wegen Beteiligung an oder Unterstützung einer kriminellen Organisation.

Tabelle: Aufgenommene und geklärte Straftaten im Kanton Zürich, die nach Polizeiangaben einen Bezug zu organisierter Kriminalität aufweisen, 1995-1999 (KRISTA)

Jahraufgenom­mene Straftatendavon BetmGgeklärte Straftatendavon BetmGAufklärungs­quote insgesamt %Aufklärungs­quote BetmG %







199510529912987100
19966018451875100
199747142189100
19987513601380100
199971754776100







insgesamt358682926882100
%1001910023

5.1.4 Verurteilungen aufgrund des BetmG

Die Zahl der Verurteilungen steigt seit 1968 kontinuierlich an. Sie verdreifacht sich zwischen 1970 und 1980 und verdoppelt sich jeweils in den folgenden beiden Deka­den. Im Jahre 1990 beträgt die Relation Verurteilungen/angezeigte Personen 45 %, die Relation Verurteilungen/Anzeigen 35 % (1974 noch 50 %).6 Bis zum Jahr 1999 reduzieren sich diese Relationen auf 26 % respektive 18 %.7

Tabelle: Zeitreihen zu Verurteilungen, Anzeigen und nach BetmG angezeigten Personen sowie Verhältniszahlen, 1953-2000

JahrAnzahl AnzeigenAnzahl an­gezeigter PersonenAngezeigte Personen / AnzeigenAnzahl Verur-teilungenVerurteilungen / angezeigte PersonenVerurtei-lungen / Anzeigen
1953


18

1954


20

1955


6

1956


20

1957


13

1958


13

1959


10

1960


11

1961


17

1962


10

1963


16

1964


27

1965


9

1966


16

1967


51

1968


80

1969


332

1970


1 158

1971


1 791

1972


2 373

1973


2 448

19744 704

2 367
0,503
19755 725

2 587
0,452
19765 546

2 328
0,420
19775 820

2 658
0,457
19786 299

2 707
0,430
19797 045

3 239
0,460
19808 224

3 387
0,412
19819 699

3 839
0,396
198211 951

4 090
0,342
198313 168

4 533
0,344
198413 689

5 383
0,393
198515 361

5 127
0,334
198615 815

6 043
0,382
198717 179

6 297
0,367
198818 739

6 751
0,360
198918 780

6 658
0,355
199018 88014 7680,7826 7110,4540,355
199123 47017 5750,7497 9410,4520,338
199230 86021 2520,6897 8540,3700,255
199338 20625 3640,6649 0730,3580,237
199440 37826 3210,6529 4620,3590,234
199542 00127 1900,6478 1580,3000,194
199642 62827 7730,6518 3660,3010,196
199745 09328 6200,6358 8320,3090,196
199845 72629 8360,6528 5650,2870,187
199944 34330 8550,6968 0350,2600,181
200046 55832 3920,696


Der Anteil von Anzeigen wegen bloßen Konsums beträgt anfangs der achtziger Jahre noch 65 %, 1990/91 bereits 70 % und 2000 schon stattliche 83 %. Die orga­nisierte Kriminalität spielt jedoch nur beim Handel und Schmuggel eine Rolle. Aus Zürich stammen 23 % der Verurteilungen.

Handel und Schmuggel ohne gleichzeitigen Konsum betreffen 30 % der BetmG-Verurteilungen in den Jahren 1995-1999. Diese 2000 bis 3000 Fälle jährlich wären potenziell dem Tätigkeitsbereich der organisierten Kriminalität zuzuordnen. Die Zahl der Fälle, bei denen die Strafverfolgungsbehörden Anklage wegen Verletzung des Art. 260ter StGB erheben, ist dagegen äußerst klein. Da schon auf der Ebene der polizeilichen Strafverfolgung der Anteil der Fälle, bei denen organisierte Kriminali­tät thematisiert wird, nach der polizeilichen Kriminalstatistik des Kantons Zürich weniger als ein Prozent beträgt, ist dieser Umstand nicht weiter verwunderlich. Die­ses Faktum kontrastiert mit der in der Öffentlichkeit verbreiteten Meinung, dass Drogenhandel und -schmuggel fest im Griff der organisierten Kriminalität sei.

Tabelle: Verurteilungen aufgrund des BetmG wegen Drogenhandels und  schmuggels, 1995-1999

Jahrinsgesamtbloßer Konsumbloßer HandelSchmuggel8gemischte Fälle


AnzahlAnteilAnzahlAnteilAnzahlAnteilAnzahlAnteil










19958 1582 7410,3361 7460,2143850,0473 2860,403
19968 3663 0350,3631 7930,2143910,0473 1470,376
19978 8323 0570,3462 0060,2274310,0493 3380,378
19988 5653 1940,3732 3530,2754500,0532 5680,300
19998 0352 8680,3572 3960,2984690,0582 3020,286










insgesamt41 95614 8950,35510 2940,2452 1260,05114 6410,349

5.1.5 Analysierte Fälle

Im Verhältnis zu dem enormen Aufkommen von Anzeigen ist der Anteil der Fälle, die in Zusammenhang mit organisierter Kriminalität gebracht werden können, ver­schwindend klein. Von den gesichteten Urteilen beziehen sich aber die meisten auf Drogenkriminalität. Auch die Interviewpartner aus dem Strafverfolgungsbereich sehen Drogenhandel und -schmuggel als wichtigstes Aktivitätsfeld der organisierten Kriminalität.

Drogendelinquenz spielt bei 62 % der analysierten Fälle eine Rolle und ist damit die bedeutendste Deliktsgruppe bei der Strafverfolgung der organisierten Kriminalität. Von diesen 23 Fällen stammen 5 aus dem Kanton Bern, je 4 Fälle stammen aus Solothurn und Genf, je 3 aus Luzern und Zürich, 2 aus dem Tessin und je einer aus Neuchâtel und Basel-Land.

Die Drogenmengen variieren von einigen hundert Gramm bis einigen hundert Kilo, die Art der Fälle ist also ziemlich unterschiedlich. In einem Punkt sind sie jedoch alle gleich: Alle Fälle haben einen Auslandbezug und nur ein einziger Angeklagter ist nicht Ausländer. Kommt es zur Verurteilung, sind die Strafen empfindlich und rei­chen von 17 Monaten bis 14 Jahre Freiheitsentzug. Einige Fälle sind im Abschnitt 6 ausführlich dargestellt.

5.2 Geldwäsche

Die Geldwäsche gilt als „Königsdisziplin“ und Angelpunkt der organisierten Krimi­nalität. Die Botschaft des Bundesrates9 zur Einführung der Bestimmungen zur Geldwä­sche geht davon aus, dass das organisierte Verbrechen mit der strengen Ver­folgung der Geldwäsche durch die Blockade der Rückführung des verbrecherischen Gewinns in Verbindung mit den Bestimmungen über die Konfiskation von Vermö­genswerten niederzuzwingen sei, da der Profit den Lebensnerv der organisierten Kriminalität darstelle.

5.2.1 Rechtliche Grundlagen

Der Art. 305bis StGB10 ist seit dem 1. August 1990 in Kraft. Eine Revision erfolgte im Jahre 1994. Die Marginale des Artikels lautet Geldwäscherei. Korrekte deutsche Bezeichnung ist Geldwäsche, ist doch die Wäscherei der Ort, wo gewaschen wird. Gleichzeitig mit Art. 305bis StGB trat auch Art. 305ter StGB11 in Kraft, die Bestim­mung über mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften. Im Jahre 1994 wurde er ergänzt durch die Ziffer 2, die Regelung des Melderechts der Finanzintermediäre bei verdächtigen Vorgängen.

Um Geldwäsche im Sinne des Strafgesetzes handelt es sich nur bei Vermögenswer­ten, die aus einem Verbrechen stammen, also aus mit Zuchthaus bedrohten Strafta­ten. So können beispielsweise Vermögenswerte, die aus Steuerhinterziehung stam­men, nicht Gegenstand der Geldwäsche-Strafnorm sein.12 Die Werte (Geld, Wert­schrif­ten, andere Gegenstände von Wert oder Grundstücke) müssen zwar aus Erträgen schwerer Straftaten stammen, bedürfen aber nicht einer Zweckbestimmung im Hinblick auf die Begehung weiterer Straftaten. Es müssen auch nicht direkte Erträge aus den Verbrechen sein, die Distanz zur Vortat darf größer sein als bei der Hehlerei. Der Begriff der Vermögenswerte ist der selbe wie bei der Regel zur Einzie­hung von Vermögenswerten, Art. 59 StGB.

Bei der Geldwäsche geht es darum, das Ermitteln der Herkunft, das Auffinden oder das Einziehen von verbrecherisch erworbenen Vermögenswerten zu verhindern oder zu erschweren (BGE 122 IV 218), also beispielsweise das Umtauschen von Noten, das Wechseln in andere Währungen, das Zuordnen zu anderen Eigentümern, falsche Auskünfte und ähnliches. Selbst das Verstecken von Geld ist nach Bundesgericht eine Geldwäschehandlung.13 Auf der subjektiven Seite genügt Eventualvorsatz: Es reicht aus, wenn jemand die Umstände kennt, die den Verdacht nahe legen, dass das Geld aus einer verbrecherischen Vortat stammt.

Außer dem Beweis für die Geldwäsche selbst, braucht es den Beweis einer Vortat, des verbrecherischen Erwerbens der in der Folge gewaschenen Vermögens­werte und den Beweis, dass die Vermögenswerte aus diesen Taten stammen. Nicht notwendig hingegen ist der Beweis, wer Täterin oder Täter war.14 Eine Verurteilung auf Grund von Art. 305bis StGB ist in bestimmten Fällen auch ohne Einzeltatnach­weis mög­lich, nämlich wenn Erscheinungsform und Art der Transaktionen auf Dro­genhandel hin­weisen (z.B. Stückelung von Noten und deren Kontamination durch Drogen, Größe des Betrags).15 In diesen Fällen darf nach der Lehre eine strafbare Vortat im Sinne von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG angenommen werden. Diese Beweis­erleich­terung nimmt die Praxis häufig in Anspruch. Deshalb stehen auch fast alle hier ana­ly­sier­ten Geldwäscheverfahren im Zusammenhang mit dem Drogenhan­del.

Ein schwerer Fall von Geldwäsche, der zur Strafverschärfung bis zum Maximum von 5 Jahren Zuchthaus führt, liegt vor, wenn der Täter als Mitglied einer Verbrechens­organisation oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Aus­übung der Geldwäsche zusammengefunden hat, oder wenn er durch gewerbsmäßige Geldwä­sche einen großen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt.

Für die Qualifizierung als schwerer Fall muss nun nicht notwendigerweise eine kri­minelle Organisation im Hintergrund stehen. Es reicht Bandenmitglied zu sein, also einer von zwei oder mehreren Tätern, die sich zusammenfinden, um gemeinsam mehr als zwei selbständige, möglicherweise auch im Einzelnen noch unbestimmte Straftaten zu begehen. Subjektiv ist es erforderlich, dass der Täter die Tatsachen, aus denen auf das Bestehen einer Bande geschlossen wird, kannte und die Kooperation wollte (BGE 105 IV 181).

Besteht eine Bande, greift die Strafverschärfung bei schwerem Fall auch dann, wenn jemand im konkreten Fall Einzeltäter ist. Die bloße Zugehörigkeit zur Bande hinge­gen genügt nicht. Der Täter muss, wie sich aus den Vorbereitungen oder der Ausfüh­rung der Tat oder aus dem Verhalten nach der Tat ergibt, in Erfüllung seiner Aufga­ben innerhalb der Bande handeln (BGE 78 IV 234, 83 IV 147). Bei der kriminellen Organisation hingegen reicht schon die bloße Zugehörigkeit, wenn die Täterin oder der Täter deren Geld verschiebt.

Strafverschärfend ist die gewerbsmäßige Geldwäsche, wenn ein großer Umsatz oder ein erheblicher Gewinn erzielt wird. Nicht Voraussetzung für Gewerbsmäßig­keit ist die hauptberufliche Tätigkeit als Geldwäscher oder Geldwäscherin, nebenbe­rufliche Geldwäsche genügt als Voraussetzung für Gewerbsmäßigkeit. Täterin oder Täter müssen beabsichtigen, ein regelmäßiges, nicht unbedeuten­des Er­werbs­einkommen zu erzielen, zu mehreren Geldwäschehandlungen bereit sein und eine gewisse Professionalität an den Tag legen.16

5.2.2 Polizeiliche Kriminalstatistik

Für die Stufe Ermittlungen in Sachen Geldwäsche und mangelnder Sorgfalt bei Finanzgeschäften sind zwei kriminalstatistische Datenquellen greifbar, nämlich die Publikationen der Meldestelle für Geldwäsche MROS beim Bundesamt für Polizei­wesen und die Kriminalstatistik für den Kanton Zürich, die von der Zürcher Kan­tonspolizei geführt wird. Naturgemäß ist diese zweite Datenbasis nicht national, doch trägt der Kanton Zürich je nach Spezifikation der Untersuchungshandlungen schätzungsweise zwischen 15 und 30 Prozent des nationalen Aufkommens an Ermittlungshandlungen bei. In Extremfällen kann dieser Anteil sogar fast die Hälfte betragen. Gerade in bezug auf den Straftatbestand Geldwäsche, bei dem die Bedeu­tung des Finanzplatzes Zürich eine Rolle spielt, kann dieser Kanton ohne größere Bedenken als zuverlässiges Beispiel für die Situation in der Schweiz gelten. Ein ähnlich großes Aufkommen haben nur die Kantone Genf und Tessin.

Die polizeilichen Daten für den Kanton Zürich zeigen eine sehr hohe Aufklärungs­quote, was sich natürlicherweise aus dem Umstand ergibt, dass Ermittlungen wegen Geldwäsche nur aufgenommen werden, wenn sich Hinweise auf eine bestimmte Per­son als Geldwäscher ergeben. Es versteht sich von selbst, dass Fälle auch dann als geklärt gelten, wenn sich der Verdacht im Zuge der Ermittlungen nicht bestätigt. Ebenso versteht sich, dass pro geklärte Tat unter Umständen mehr als ein Täter ermittelt werden kann.

Es fällt auf, dass bei der Geldwäsche der Anteil von Frauen und von Ausländern im Vergleich zu anderen Straftaten relativ hoch ist.

Tabelle: Aufgenommene und geklärte Straftaten mit Vorwurf der Verletzung von Art. 305bis und 305ter StGB im Kanton Zürich (KRISTA)

JahrArt. 305bis StGBArt. 305ter StGB

aufgenommengeklärtaufgenommengeklärt





19901100
1991444300
19928700
19936600
1994181800
1995312911
1996363600
1997363600
19981781751010
1999504711
insgesamt4083981212

Tabelle: Ermittelte Täterinnen und Täter mit Vorwurf der Verletzung von Art. 305bis StGB im Kanton Zürich (KRISTA)

JahrinsgesamtMännerFrauenSchweizerAusländer






199000000
199111010
199218135711
199317116512
1994241861014
19954534111629
1996139458
19975540151144
19986853152246
1999463971432






Summe2872186991196
Anteile
0,7600,2400,3170,683

5.2.3 Daten der Meldestelle für Geldwäsche

In der Schweiz existiert seit 1998 eine Meldestelle für Geldwäsche beim Bundesamt für Polizeiwesen (MROS). Dort werden systematisch Verdachtsmeldungen über Geldwäsche gesammelt, der Informationsstand der lokalen Strafverfolgungsbehörden koordiniert und Strafverfahren unterstützt. Diese Meldestelle nimmt eine zentrale Stellung im öffentlichen Diskurs zur Geldwäsche und zur Bekämpfung der organi­sierten Kriminalität ein. Im Zuge einer Reorganisation des Bundesamtes für Polizei im Jahre 2000 kündigten alle leitenden Fachbeamten ihre Beamtenstellen. Sie nah­men teilweise eine private Tätigkeit auf und stellten ihre Dienste und Kompetenzen Finanzinstituten zur Verfügung.

Innerhalb eines Jahres (1.4.1998-31.3.1999) erhielt MROS Meldungen über 24 Ver­urteilungen und einen Freispruch, 30 Einstellungsverfügungen und 161 hängige Strafverfahren.17 Von den 160 eingegangenen Meldungen wurden 67 % für relevant erachtet und an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet. Alle Meldungen bezie­hen sich auf einen Gesamtbetrag von 334 Mio. Fr., die weitergeleiteten Vor­gänge ent­sprechen einem Gesamtbetrag von 236 Mio. Fr. Je ein Drittel der melden­den Finanz­intermedi­äre stammen aus den Kantonen Zürich und Genf. Nur 20 von 160 Meldungen betref­fen wirtschaftlich Berechtigte aus der Schweiz.

Tabelle: Verteilung des Strafmaßes und der Konfiskationssumme bei 25 Verur­teilungen wegen Geldwäsche (nach Meldestelle für Geldwäsche, Bun­desamt für Polizeiwesen)

SanktionAnzahl
Eingezogener BetragAnzahl





Freispruch1
013
Buße1
bis 10 000.- Fr.4
bis und mit 3 Mt. Freiheitsstrafe3
bis 100 000.- Fr.2
bis 6 Mt. Freiheitsstrafe3
bis 1 Mio. Fr.5
bis 12 Mt. Freiheitsstrafe7
bis 5 Mio. Fr.1
bis 2 Jahre Freiheitsstrafe6


bis 4 Jahre Freiheitsstrafe4


insgesamt25

25

Die Sanktionen sind nach der Statistik der Meldestelle für Geldwäsche doch bedeu­tend, immerhin wurden in 40 % der Fälle Freiheitsstrafen von über einem Jahr ver­hängt. Weniger eindrucksvoll erscheinen die eingezogenen Gelder, jedenfalls errei­chen sie niemals die bei einer Umfrage von den Staatsanwaltschaften angegebe­nen Beträge (vgl. Abschnitt 5.2.4). Bei den uns vorliegenden analysierten Urteilen sind je­doch mehrere Kon­fiskationsbeträge von mehr als eine Mio. Fr. und sogar über fünf Mio. Fr. zu fin­den.

5.2.4 Verurteiltenstatistik

Für Verurteilungen ist einzig die Datenbasis des Bundesamtes für Statistik verfüg­bar. Diese ist zur Zeit bis zum Jahr 1999 nachgeführt. Von sämtlichen Verurteilten sind 40 % im Kanton Zürich abgeurteilt worden. In den vier Jahren bis 1997 wurden jährlich zwischen 45 und 65 Personen verurteilt, in den Jahren vorher wegen der erst kurzen Geltung der Norm weniger als 20. Im Jahre 1998 und 1999 ist diese Zahl deutlich auf über 100 angestiegen. Im Gegensatz zu früheren Jahren zeigt sich nun ein zunehmender Trend in der Anzahl der Verurteilungen, besonders in den lateini­schen Kantonen. Zudem sind die Sanktionen bei Verurteilungen nach Art. 305bis StGB hart, haben die Richter doch in mehr als einem Drittel der Fälle Freiheitsstra­fen ohne Bewährung verhängt.

In Zürich wurden bis 1997 durchschnittlich 30 bis 40 Täterinnen oder Täter ermittelt, seit 1998 ungefähr 60. Bis 1997 wurden jährlich etwas mehr als 20 verurteilt, seit 1998 jedoch etwa 40. Exakte Aufklärungs- und Verurteiltenquoten sind nicht direkt zu berechnen, weil zwischen Ermittlungsabschluss und rechtskräftigem Urteil Jahre vergehen können und diese Zeitspanne darüber hinaus einer erheblichen Varianz unterliegt. Einfache, unbedeutende Fälle mit geringen Deliktsummen führen in der Regel schneller zu rechtskräftigen Urteilen. Zur Zeit liegt die errechnete Verurteil­tenquote in Zürich beachtlich hoch, nämlich bei 65 %.

Tabelle: Auf Grundlage von Art. 305bis StGB verurteilte Personen nach Urteils­statis­tik des Bundesamtes für Statistik, 1991-1999 und regionale Verteilung, Sonderauszählung, Stand der Datenbank: 1.1.2002

JahrOrt der Verurteilung

Zürichübrige Schweizinsgesamt




1991022
19924610
199381018
1994252045
1995292251
1996194665
1997243660
19984066106
19993873111




insgesamt187281468

Tabelle: Sanktionen bei Verurteilungen nach Art. 305bis StGB, 1991-1999, Stand der Datenbank: 1.1.2002

Jahrunbedingte Freiheitsstrafeandere Sanktioninsgesamt




1991112
19925510
199361218
1994123345
1995173451
1996234265
1997263460
19984066106
19995457111




insgesamt184284468

Eine Abschätzung der Anzahl der zur Zeit durchgeführten Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche in der Schweiz zeigt aufgrund der Ergebnisse für den Kanton Zürich bei einer Verurteiltenquote der ermittelten Täter von ca. zwei Dritteln, dass mit 150 bis 200 Ermittlungsverfahren jährlich gerechnet werden kann, die zu 100 bis 130 verurteilten Personen pro Kalenderjahr führen. Es ist zu erwarten, dass kaum eine davon gleichzeitig wegen Zugehörigkeit oder Unterstützung einer kriminellen Orga­nisation verurteilt wird.

Die Sanktionen sind relativ hart: 40 % der Urteile lauten auf Freiheitsstrafe ohne Bewährung, weitere 5 % auf eine strafrechtliche Maßnahme als Hauptstrafe. Dies liegt daran, dass im gleichen Urteil häufig neben der Geldwäsche auch Drogende­likte stehen. Auch Drogenabhängige werden wegen Geldwäsche verurteilt.

5.2.5 Befragungsergebnisse

Eine schriftliche Umfrage bezüglich der Jahre 1997 und 1998 bei Staatsanwalt­schaften ergab Hinweise auf insgesamt 155 Verfahren wegen Geldwäsche bis 1998 mit einer gesamten Konfiskationssumme von 267 Mio. Fr. Weitere spezifische An­gaben konnten nur in wenigen Kantonen gewonnen werden. In den meisten Kan­tonen fehlten solche Daten, insbesondere zum Status der Verfahren und Informatio­nen über die Beschuldigten. Eine Verallgemeinerung auf die gesamtschweizerische Situation verbietet sich deshalb.18

5.2.6 Analysierte Fälle

Von den 37 analysierten Fällen, für die 50 Urteile vorliegen und die 59 Personen betreffen, spielt bei 18 Fällen Art. 305bis StGB (Geldwäsche) eine Rolle. Verurtei­lungen nach Art. 305ter StGB, mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften, sind sehr selten. Nur in zwei Fällen ist dieser Artikel thematisiert. Die Hälfte der 18 Geldwä­sche-Fälle stammen aus Genf und dem Tessin, einzelne aus Bern, Zürich, Basel, Neuchâtel, Solothurn und Luzern.

Die Deliktsummen bewegen sich von weniger als 100’000.- bis zu maximal 1,5 Mil­liarden Schweizer Franken. Dies zeigt, welch breites Spektrum an unterschiedlichen Fällen unter den Straftatbestand der Geldwäsche fallen. Die Mehrzahl der Fälle betreffen Deliktsummen von unter einer Million. Die konfiszierten Summen reichen von 3’000.- bis knapp 10 Mio. Fr.

Ein Auslandsbezug liegt bei 83 % (15/18) der analysierten Fälle vor. Unter den Ver­urteilten findet sich nur gerade ein einziger Schweizer. Zwei Schweizer Angeklagte hingegen und nur ein einziger Ausländer wurden freigesprochen, der Ausländer al­lerdings erst in dritter Instanz und nach ausgestandener Untersuchungshaft (vgl. Abschnitt 6.9). Bei ebenfalls 83 % (15/18) der Fälle ist der zugrunde liegende Tatbe­stand Drogenhandel. Betrug wird in 44 % (8/18) der Fälle neben der Geldwä­sche mit abgeurteilt. In 39 % (7/18) der Fälle wird explizit die Anwendung des Arti­kels 260ter StGB, Unterstützung oder Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereini­gung erwogen oder mindestens ein Bezug zu organisierter Kriminalität hergestellt. Zu einer Verurteilung nach Art. 260ter StGB kam es jedoch in keinem Fall. In nur 11 % (2/18) der Fälle spielt Waffenhandel eine Rolle, in einem einzigen Pros­titution. Der Anteil der Fälle, die dem Umkreis von kriminellen Organisa­tionen oder der so­ge­nann­ten „organisierten Basiskriminalität“ zugerechnet werden könnten, ist jedoch höher als die erwähnten 39 %. Unter den Verurteilten sind aus­ländische Männer deut­lich übervertreten.

Zum Teil werden empfindliche Freiheitsstrafen verhängt. Dies ist allerdings unter anderem darauf zurückzuführen, dass bei den Geldwäsche-Verfahren in der Regel gleichzeitig auch andere Delikte abgeurteilt werden.

Am häufigsten sind allerdings Bagatellfälle, die nichts mit Geldwäsche im großen Stil zu tun haben und bei denen kein Mafiabezug zu entdecken ist. Solche Verfahren werden in der Schweiz gerne als „Blumentopffälle“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist eine Reminiszenz an das erste durch das Bundesgericht bestätigte Urteil in Sachen Geldwäsche überhaupt, das sich auf einen Mann bezog, der für einen Freund einige Zehntausend Franken Bargeld auf seinem Balkon im Blumentopf versteckt hatte, wohl wissend, dass es sich um Erträge aus Drogengeschäften handelte.

Ebenfalls dem Bereich der Bagatelldelikte ist ein Fall von Geldwäsche aus der italie­nischen Schweiz zuzuordnen. Eine Frau erhielt von ihrem Liebhaber 32’000.- Fr. und reichte diese an ihre Familienangehörigen im Ausland weiter. Der Liebhaber hatte das Geld durch den Verkauf falscher Dollarnoten erworben (insgesamt einer halben Million nominal) und wurde bereits vorher wegen dieses Deliktes verurteilt. Sie wusste von dem Ursprung des Geldes, es war ihr aber keine Beteiligung an der Haupttat nachzuweisen. Das Strafmaß der verurteilten Frau fiel mit 15 Tage Frei­heitsentzug auf Bewährung und Ablieferung des Betrages von 32’000.- Fr. an die Gerichtskasse gering aus. Die Beschreibung des Falles durch die richterliche Be­hörde trägt Aspekte eines „Beziehungsdeliktes“.

Bei solchen „kleinen“ Geldwäschefällen handelt es sich um eine im Bewusstsein der Verurteilten zwar sicherlich zweifelhafte, aber im Rahmen von persönlichen Bezie­hungen, Freundesdiensten und ähnlichem eingebettete Art des Gelderwerbs. Das Verstecken von Bargeld im Blumentopf etwa aus dem Drogenhandel eines bekann­ten Dritten oder Freundes, um es der Konfiskation zu entziehen, mag im bestimmten Milieu kaum Unrechtsbewusstsein hervorrufen. Die meisten der abgeurteilten Geld­wäschefälle lassen sich in diese Kategorie der minderen „Blumentopffälle“ einord­nen. Sie zeichnen sich durch einen geringeren Ermittlungsaufwand der Behörden und eine klare Beweislage aus. Bezug zur organisierten Kriminalität im engeren Sinne besteht in diesen Fällen kaum.

Fälle, in der die Großfinanz oder die „Mafia“ eine Rolle spielen, sind eher selten. Solche Verfahren müssen mit großem Aufwand betrieben werden. Sie stehen typi­scherweise im Zusammenhang mit Drogen- oder Waffenhandel und haben immer einen Auslandsbezug. Die Deliktssummen finden sich in der Größenordnung von 100 Mio. Fr. und die Konfiskationen in der Größenordnung von 10 Mio. Fr.

Freisprüche müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls betrachtet werden. Hier sind unter anderem „große“ Fälle anzutreffen, etwa das Verfahren wegen Geldwäsche gegen einen Vizedirektor einer Grossbank.19 Dieser verwaltete mindestens 150 Mio. US$ eines Ehepaares, dessen ursprüngliche Einzahlungen auf das Konto aus wohl or­ganisiertem Drogenhandel im großen Stil stammten. Das Gericht entschied ledig­lich auf Einziehung von 1 Mio. US$, die der Freigesprochene als unrechtmäßigen Ver­mögensvorteil (Sonderprovisionen, getarnt als Geschenke an die Familie) erhielt. In solchen Fällen scheitert die Verurteilung häufig an Beweisschwierigkeiten, vor allem bezüglich der nicht gegebenen Gutgläubigkeit.

5.3 Menschenhandel und Frauenhandel

Rahel Zschokke und Josef Estermann

5.3.1 Rechtliche Grundlagen und Bedingungen der Migrationspro­sti­tu­tion in der Schweiz

Der 5. Titel des Strafgesetzbuches „Strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integ­rität“ wurde zu Beginn der neunziger Jahre total revidiert.20 Die Revision war notwen­dig, weil sich im alten Sexualstrafrecht viele Normen fanden, die nicht mehr mit einer modernen Auffassung der sexuellen Freiheit übereinstimmten, insbeson­dere Schutzaltersbestimmungen, Homosexualität, sexuelle Gewalt in der Ehe und vieles mehr. Sie hat zur Folge, dass kontinuierliche, vergleichbare Zeitreihen im Sexualstrafrecht erst ab 1993 zur Verfügung stehen. In der Schweiz sind Prostitution und Zuhälterei nicht strafbar. In der kantonalen Praxis ist allerdings eine gewisse Kriminalisierung der Prostitution nach wie vor bekannt: So sind für das Jahr 1997 in der Zürcher polizeilichen Kriminalstatistik 369 Fälle von unzulässiger Ausübung der Prostitution aufgeführt (von 1445 Sexualdelikten überhaupt). Deshalb erstaunt es auch nicht, dass sich in dieser Statistik der Anteil von weiblichen Tatverdächtigen unter dem Titel „Sexualdelikte“ auf 46 % beläuft (verglichen mit 20 % bei sämtli­chen StGB-Tatverdächtigen). Im Umfeld von Prostitution und Zuhälterei werden jedoch auch erhebliche Aktivitäten der organisierten Kriminalität vermutet.

Durch die Reform des Sexualstrafrechts (1992) wurde mit Art. 195 StGB21 die För­de­rung der Prostitution und mit Art. 196 StGB22 der Menschenhandel unter Strafe gestellt. Beide Artikel, insbesondere Menschenhandel, betreffen Aktivitätsbereiche, die kriminellen Organisationen zugeschrieben werden.

Art. 196 StGB schützt Personen, die unter Beeinträchtigung ihrer Autonomie der sexuellen Ausbeutung zugeführt werden. Trotz der Modernisierungsbemühungen im Rahmen der Revision des Sexualstrafrechts wurde der altertümlich anmutende Beg­riff der Unzucht zu Lasten einer operationalen Definition sexueller Ausbeutung bei­behalten. Die Strafbarkeit wird auf sämtliche Vorbereitungshandlungen ausgedehnt. Die Titelmarginale „Menschenhandel“ ist problematisch, da der Artikel nicht den Handel mit Kindern, etwa zur Adoption, oder den Handel mit Arbeitskräften, etwa im Zusammenhang mit illegaler Einwanderung, unter Strafe stellt. Solche Aktivitäten müssen auf jeden Fall auch als Menschenhandel bezeichnet werden. Im Zentrum der ratio legis steht jedenfalls der sogenannte Frauenhandel.

Die Schweiz kennt weder eine Migrations- noch eine Integrationspolitik im engeren Sinne. Die entsprechende Politik muss als Zulassungspolitik bezeichnet werden. Unter diese Politik fällt in der Schweiz auch die Problematik der Migrationsprostitu­tion.

Richtlinie dieser Zulassungspolitik ist die Beschränkung der Zahl der ausländischen Personen in der Schweiz, was mit Kontingenten für neu einreisende und anwesende ausländische Arbeitskräfte geregelt wird. Berücksichtigt werden in erster Linie die Interessen auf dem Arbeitsmarkt, wobei inländischen Arbeitskräften eine Vorrang­stellung eingeräumt wird. Die gesetzliche Grundlage bildet das ANAG23, das Bundes­gesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt von Ausländern und die BVO24, die Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer. Als politische Grundlage galt bis anhin das „Drei-Kreise-Modell“25, das neu durch ein „Zwei-Kreise-Modell“26 ersetzt werden soll. Da die Aufenthaltsbewilligung immer an einen bestimmten Zweck gebunden ist, beispielsweise Heirat, Arbeit oder Studium, bleiben Bürgerinnen aus Ost- und Mitteleuropa in der Regel nur folgende Möglichkeiten, um in die Schweiz zu migrieren: Als Ehefrauen, Cabarettänzerinnen und Touristinnen. Eine Arbeitsbewilligung können sie praktisch nur durch Heirat (Jahresaufenthalts­bewilligung B, nach fünf Jahren Bewilligung C mit Recht auf selbständige Erwerbs­tätigkeit und freie Niederlassung) und als „Artistinnen“ (Kurzaufenthaltsbewilligung L) erlangen. Viele Frauen gelangen daher als Touristinnen in die Schweiz und neh­men eine (nach ANAG gesetzeswidrige) Tätigkeit im Haushalts-, Reinigungs-, Pflege- oder eben Sexbereich auf. Diese „illegalisierten“ Migrantinnen verfügen über keine sozialen Rechte und riskieren jederzeit, in Ausschaffungshaft genommen und ausgewiesen zu werden. Dabei kommt der Wegweisungspraxis der kantonalen Frem­denpolizei ein großer Ermessensspielraum zu. Die Migrantinnen haben im Gegensatz zu anderen illegalen Arbeitern oder Arbeiterinnen keine Arbeitsver­träge, die sie zur Prostitution berechtigen (Ungültigkeit von Verträgen wegen Sit­tenwidrigkeit), und werden auch nicht als selbständig Erwerbstätige anerkannt. Damit fallen sie als ein­zige durch alle Netze sozialer Sicherung und persönlicher Rechte.27

Die ausländerrechtlichen Auflagen des Einreiselandes sowie deren Handhabung bei der Grenzkontrolle haben auf die Strukturen der sich im Graubereich bewegenden grenzüberschreitenden Organisationen einen wesentlichen Einfluss.

Die Anforderungen und die Strategien zur Zielerreichung lassen sich systematisie­ren. Geografisch und auch im zeitlichen Ablauf ergibt sich naturgemäß eine Gliede­rung in Herkunftsland, Grenzübertritt und Zielland. Auf jeder Stufe zeigen sich spe­zifische Anforderungen, die mit ebenso spezifischen Strategien beantwortet werden.

Darstellung der Rahmenbedingungen der Migrationsprostitution


HerkunftslandGrenzübergangZielland




AnforderungenVisum,RoutingArbeitserlaubnis

Reise, TicketProfilingNiederlassung


LandwegDauer des Aufenthalts


LuftwegArbeitsmöglichkeit


SeewegPolizeikontrollen


GrenzkontrolleRechtssprechung




StrategienBereitstellung ökono-RückschaffungNetzwerke
Lösungenmischer RessourcenAbholdienstArbeitsbedingungen
AntwortenTransportPlatzierungGeldtransfer

Begleitung
Verdienst, Heirat

Schweizerische Migrationspolitik ist in der Hauptsache Zulassungspolitik und setzt in erster Linie Schranken für unerwünschte Einwanderung. Die Migranten suchen Wege, diese Schranken zu umgehen. Im Rahmen der Politik des freien Personenver­kehrs in der EU sieht sich die Schweiz mit widersprüchlichen Anforderungen kon­frontiert, das heißt Anpassung an die Schengener Verträge einerseits und Garantie des ungehinderten Personenverkehrs andererseits.

Die Evidenz dieser Strukturen zeigt sich an neuralgischen Punkten, wo die Identität der beteiligten Personen eine Rolle spielt. Dies trifft bei allen Interventionen der Institutionen sozialer Kontrolle zu und findet ihren Ausdruck bei der Reisevorberei­tung (Visum, Dokumentenbeschaffung usw.), bei dem Überschreiten der Staatsgren­zen und beim Kontakt mit den Behörden im Zielland. Bei der Grenzüberschreitung und im Zielland müssen sich legitime Gründe manifestieren, wirtschaftliche Gründe gelten als illegitim, sofern die wirtschaftliche Tätigkeit nicht explizit als legitim aus­gewiesen ist (qualifizierte Spezialisten oder Investoren im Gegensatz zu „Wirt­schaftsflüchtlingen“).

Die Sexmigrantinnen haben dann gute Chancen, von einer Welt in die andere zu gelangen, wenn sie Zeichen der Konformität mit den Vorstellungen der lokalen Bevölkerung und Autoritäten über die Vertretbarkeit, die Legitimität und die Recht­mäßigkeit ihres Aufenthaltes geben. Diese Zeichen der Konformität werden am bes­ten in Szene gesetzt, wenn Strukturen so funktionieren, dass die Situation des Über­tritts und die Kontextualität von Kontrollen adäquat gedeutet und den Migran­tinnen entsprechend vermittelt wird. Übertritts- und Kontrollsituationen haben deut­liche Aspekte von Ritualen, die nicht ohne Sozialkompetenz bewältigt werden kön­nen. Bedingung für eine erfolgreiche Bewältigung ist eine gewisse Lernfähigkeit eines sozialen Zusammenhangs, der als Organisation begriffen werden kann, aber nicht notwendigerweise hierarchisch strukturiert sein muss (im Sinne etwa von kri­minellen Organisationen), sondern durchaus auch den Charakter kleingewerblicher oder fami­liärer Strukturen haben kann. Solche familiär-kleingewerblichen Strukturen sind in der Lage, sehr flexibel auf Änderungen der Strategien der Institutionen sozi­aler Kontrolle zu reagieren.

5.3.2 Kriminalstatistik, Daten für die gesamte Schweiz

Die aktuelle „minimale“ polizeiliche Kriminalstatistik der Schweiz, die jeweils durch das EJPD im Frühjahr für das vergangene Jahr publiziert wird, beruht auf Aggrega­ten, die von den Kantonen geliefert und im Bundesamt für Polizeiwesen addiert wer­den. Dieses unvollständige Aggregat der aufgenommenen Fälle ist nach Straftaten­gruppen zusammengefasst, welche die Eigentumskriminalität stark aufgliedern, die Normen des Sexualstrafrechts jedoch zu zwei Kategorien zusammenfasst, nämlich Vergewaltigung (370 Fälle im Jahre 1997, 385 im Jahre 1998) und „Andere strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität“ (Art. 187-189, 191-194, 198 StGB, 3423 Fälle im Jahre 1997, 3283 im Jahre 1998). Sie kann keine Auf­schlüsse über die Verfahren nach Art. 195 und 196 StGB geben, da diese nicht erfasst werden.

Seit 1998 werden durch das BAP mittels Befragungen der Kantone zusätzliche Daten in diesem Bereich gesammelt, bezeichnenderweise auch Informationen über Verfah­ren nach Art. 199 StGB, also unzulässige Ausübung der Prostitution, die fünf Sechstel der Fälle ausmachen und so ein Schlaglicht auf den Schwerpunkt der Straf­verfolgungstätigkeit werfen.

Tabelle: Fälle sowie Täterinnen und Täter nach Art. 195, 196, 199 StGB im Jahre 1997 28

StGB-ArtikelAnzahl FälleAnz. Täterinnen und TäterTäterinnen und Täter / Fall




Art. 195 StGB, Förderung der Prostitution49621,27
Art. 196 StGB, Menschenhandel20221,10
Art. 199 StGB, Unzulässige Ausübung der Prostitution3723690,99

Erstaunlich dabei ist, dass die Zahl von 20 Verfahren nach Art. 196 StGB in der gan­zen Schweiz exakt der Zahl der in diesem Jahr (1997) im Kanton Zürich geklär­ten Fälle entspricht.29 Im Lagebericht 1999 sind die Daten für drei aufeinanderfol­gende Jahre publiziert:

Tabelle: Fälle, Täterinnen und Täter nach Art. 195 und 196 StGB in den Jahren 1997-1999 30

StGB-ArtikelJahrFälleTäterinnen und TäterTäterinnen und Täter pro FallOpferOpfer pro Fall







Art. 195 StGB199749601,22511,04
Förderung der199871791,11600,85
Prostitution199969921,33590,86
Art. 196 StGB199720211,05201,00
Menschen-199843400,93360,84
handel199925461,84291,16

Da die Daten auf Befragungen der kantonalen Behörden mit der bekannten beträcht­lichen Variabilität in der Antwortdisziplin und der mangelnden Standardisierung beruhen, kann aus diesen Daten jedenfalls nicht auf einen signifikanten Anstieg der Fäl­le im Berichtszeitraum geschlossen werden. Jedenfalls sind die Fallzahlen in An­betracht der Zahl der durch das BAP geschätzten 14’000 Prostituierten in der Schweiz31 nicht gerade hoch. Die durchschnittlich ca. 30 jährlich erfassten Opfer des Men­schen­handels entsprechen etwa zwei Promille der Gesamtzahl der sich pro­sti­tuierenden Frauen, die sich häufig nur wenige Monate in der Schweiz aufhalten.

5.3.3 Kriminalstatistik, kantonale Daten

Bezüglich polizeiliche Ermittlungen auf kantonaler Ebene ist die Kriminalstatistik für den Kanton Zürich (KRISTA), die von der Zürcher Kantonspolizei geführt wird, die zuverlässigste Datenquelle. Die KRISTA publiziert erfasste Straftaten, also die im Meldezeitraum angezeigten und für die Statistik weiter gemeldeten Straftaten, als sogenannte Input-Statistik. Publiziert ist auch der Anteil geklärter Straftaten. Eine Straftat ist geklärt, wenn der oder die Tatverdächtige bekannt ist. Diese Tabellen werden stichtagsbezogen zum Jahresende ausgewertet und unterliegen einem Zeit­verzug, der sich natürlicherweise aus dem Auseinanderfallen des Anzeige- und des Aufklärungszeitpunktes ergibt. Es handelt sich also um eine Output-Statistik. Die dritte publizierte Dimension sind die ermittelten Täterinnen und Täter der aufge­klärten Straftaten. Pro Straftat sind mehrere Täter möglich. Obwohl Täter pro Straf­tatenart nur einmal gezählt werden, kann ein Täter oder eine Täterin mehrmals pro Jahr und in mehreren Straftatenarten gezählt werden. Dies bedeutet, dass erfasste Straftaten, aufgeklärte Straftaten und ermittelte Tatverdächtige in den einzelnen Deliktsgruppen numerisch auseinanderfallen. Das heißt, dass die Zahlen der aufge­nommenen Straftaten, der geklärten Straftaten, der ermittelten Tatverdächtigen und der Verurteilten in den einzelnen Zeiträumen nie übereinstimmen und die Verhält­niszahlen rein rechnerische Werte sind, die allerdings trotzdem, bezüglich der Größenordnung zuverlässige Aussa­gen zulassen.

Obwohl die kantonalen Daten nicht ohne weiteres auf nationale Verhältnisse über­tragbar sind, kann der Kanton Zürich in bezug auf den Straftatbestand Menschen­handel und Förderung der Prostitution als zuverlässiges Beispiel für die Situation in der Schweiz gelten. Jedenfalls zeigen die Statistiken der Strafverfolgung des Men­schenhandels und der Förderung der Prostitution kleine Fallzahlen.

5.3.3.1 Aufgenommene und geklärte Straftaten

Die polizeilichen Daten für den Kanton Zürich zeigen mit 96 % bzw. 97 % sehr hohe Aufklärungsquoten. Ermittlungen wegen Frauenhandel und Förderung der Pros­titu­tion werden in der Regel nur aufgenommen, wenn Hinweise auf bestimmte Vor­kom­mnisse existieren. Es versteht sich, dass Fälle auch dann als geklärt gelten, wenn sich der Verdacht im Zuge der Ermittlungen nicht bestätigt oder die Tatverdächtigen sich als Nichttäter herausstellen oder mangels Beweisen freigesprochen werden.

Tabelle: Aufgenommene und geklärte Straftaten mit Vorwurf der Verletzung von Art. 195 und 196 StGB im Kanton Zürich (KRISTA) 32

JahrFörderung der Prostitution, Art. 195Menschenhandel, Art. 196

aufgenommengeklärtAufkl.quoteaufgenommengeklärtAufkl.quote







199222100,011100,0
199366100,01212100,0
1994131292,37685,7
19951515100,066100,0
1996151493,355100,0
19972626100,02020100,0
1998171694,110990,0
19991616100,08787,5







insges.11010797,3696695,7

Die Zahl der Fälle ist in Anbetracht der Vielzahl der in Clubs, Cabarets und auf den Straßen beschäftigten Frauen als eher gering zu bezeichnen und eine starke Variabi­lität ist mit Ausnahme des Jahres 1997 nicht zu sehen. Die Variabilität ist allerdings beim Menschenhandel größer. In Zürich werden also jährlich knapp zwanzig Fälle von Förderung der Prostitution und knapp zehn Fälle von Menschenhandel geklärt. Dies entspricht einer Häufigkeitszahl von einer bis drei Straftaten pro hunderttau­send Einwohner pro Jahr.

5.3.3.2 Ermittelte Täterinnen und Täter

Neben den Informationen zu den gemeldeten und geklärten Straftaten liefert die KRISTA Informationen über Zahl, Geschlecht und Nationalität der ermittelten Tat­ver­dächtigen. Etwas untechnisch spricht die KRISTA von Täterinnen und Tätern. Hier spiegelt sich der Widerspruch zwischen Sichtweisen der Polizei und Sichtwei­sen der Justiz: Formell ist die Täterschaft erst bewiesen, wenn der Angeklagte ver­ur­teilt ist. Für die Polizei hingegen reicht es, wenn sie zu wissen meint, dass jemand die Tat begangen hätte. Während im kontinentalen Rechtsraum die Krimis meistens mit der Verhaftung und dem Geständnis enden, wird im angel­sächsischen Rechts­raum viel eher das Gerichtsverfahren als Moment der Wahrheits­findung dargestellt, oder aber mindestens der Übergang zum juristischen Verfahren thematisiert („Alles, was Sie von nun an sagen, kann gegen Sie verwendet werden“ als letzter Satz des Polizeioffiziers und „Bitte rufen Sie meinen Anwalt“ als Ant­wort).

Tabelle: Ermittelte Täterinnen und Täter mit Vorwurf der Verletzung von Art. 195 StGB, Förderung der Prostitution, im Kanton Zürich (KRISTA)

JahrinsgesamtMännerFrauenSchweizerinnen und SchweizerAusländerinnen und Ausländer






199200000
199385362
19941614297
199526215179
199617143107
19973523121520
1998342861420
199925169169






Summe161121408774
Anteile10,7520,2480,5400,460

Die Zahl der ermittelten Täterinnen und Täter liegt um etwa die Hälfte höher als die Zahl der Straftaten (161 gegenüber 110). Die meisten Straftaten werden also nicht von Einzeltätern und Einzeltäterinnen begangen. Der Anteil von Männern ist bei der Förderung der Prostitution mit 75 % signifikant geringer als der Anteil von Männern von 80 bzw. 81 % bei allen in der KRISTA nach StGB bzw. Betäubungsmittelgesetz gemeldeten Straftäterinnen und Straftätern im Jahre 1997. Frauen sind als Täterinnen bei der Förderung der Prostitution im Vergleich mit anderen Straftaten also überrep­räsentiert. Die Tatverdächtigen sind im Vergleich zu anderen Straftaten­gruppen, zum Beispiel Diebstahl, gemeingefährliche Verbrechen oder Betäubungs­mitteldelikte, deutlich älter.

Der Anteil von Täterinnen und Tätern mit Schweizer Staatsbürgerschaft von 54 % liegt höher als derjenige von 49 % bei Verstößen gegen das StGB und niedriger als derjenige von 55 % bei Verstößen gegen das BetmG im Jahre 1997. Ausländer sind bei der Förderung der Prostitution verglichen mit den übrigen Straftatbeständen nicht übervertreten.

Tabelle: Ermittelte Täterinnen und Täter mit Vorwurf der Verletzung von Art. 196 StGB, Menschenhandel, im Kanton Zürich (KRISTA)

JahrinsgesamtMännerFrauenSchweizerinnen und SchweizerAusländerinnen und Ausländer






199200000
199342240
199488044
199517134116
199696345
199722166139
1998282531117
199915105105






Summe10380235741
Anteile10,7770,2230,5530,447

Die Zahl der Fälle von Menschenhandel ist deutlich niedriger als diejenige bei der Förderung der Prostitution. Bei beiden liegt die Zahl der ermittelten Täterinnen und Täter um etwa die Hälfte höher als die Zahl der Straftaten (Menschenhandel: 103 gegenüber 69). Menschenhandel ist in der Regel kein Delikt von Einzeltätern und Einzeltäterinnen. Der Männeranteil liegt mit 78 % knapp und nicht signifikant unter dem Durchschnitt aller durch die KRISTA rapportierten Deliktarten. Männer sind im Vergleich mit anderen Straftaten nicht überrepräsentiert. Auch hier sind die Tatver­dächtigen im Vergleich zu anderen Straftatengruppen älter.

Der Ausländeranteil der Täterschaft liegt beim Menschenhandel etwas niedriger als bei der Förderung der Prostitution und deutlich niedriger als bei den Verstößen gegen das StGB. Ausländerinnen und Ausländer sind beim Menschenhandel vergli­chen mit den übrigen Straftatbeständen untervertreten.

5.3.3.3 Zusammenhang mit kriminellen Organisationen

In der Kriminalstatistik des Kantons Zürich wird auch die Information aufgenom­men, ob eine Straftat nach Kenntnis der Polizei im Zusammenhang mit kriminellen Organisationen stehe oder nicht.

Tabelle: Straftaten nach der Zürcher polizeilichen Kriminalstatistik, die krimi­nellen Organisationen zugeordnet werden

JahrArt. 195 StGB, Förderung der ProstitutionArt. 196 StGB, Menschenhandel
aufge-nommenin Verbindung mit kri­mineller Organisationaufge-nommenin Verbindung mit kri­mineller Organisation





19922
1
19936
12
199413
7
199515464
199615251
1997268207
19983317151015
199916080





insgesamt110296927

Der Straftatbestand „Beteiligung an einer kriminellen Organisation“ wurde 1994 in Kraft gesetzt. Seither steigen die Anteile der Fälle von Menschenhandel und Förde­rung der Prostitution, die von der Polizei im Zusammenhang mit kriminellen Organi­sationen gesehen werden. Weder Menschenhandel noch Förderung der Prostitution sind Straftatbestände, die von Einzelpersonen begangen werden, da sich geteilte Rollen aufdrängen (Kontakte im Ausland, in der Bordellszene, Transport, Finanzie­rung etc.). Es scheint, dass die Polizei gemeinsame Täterschaft ohne weiteres krimi­nellen Organisationen zuordnete, was in den Jahren 1995 bis 1997 noch nicht der Fall war. Im Jahr 1999 wird die entsprechende Kategorie nicht aufgeführt.

5.3.4 Verurteiltenstatistik

Für Verurteilungen ist einzig die Datenbasis des Bundesamtes für Statistik verfüg­bar. Diese ist bis zum Jahr 1999 nachgeführt, die Daten für die Jahre 2000 und 2001 stehen zur Zeit der Drucklegung noch nicht zur Verfügung. Erste provisorische Daten für das Jahr 2000 seien laut Auskunft der zuständigen Sektion des Bundes­amtes für Statistik (BFS) erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2002 greifbar, dies trotz direktem Anschluss des Amtes an das vom Bundesamt für Polizei geführte vollautomatische Strafregister (VOSTRA).

Auf Grund von Art. 195 StGB wurden in dem Zeitraum 1992 bis 1997 insgesamt 45 Personen verurteilt (Sonderauszählung mit Stand der Datenbank vom 30.6.2000, 57 Personen mit Stand der Datenbank vom 1.1.2002). Die regionale Verteilung spiegelt nicht unbedingt die Bevölkerungsdichte in der Schweiz wieder: 10 Verurteilungen in Zürich, 6 im Wallis, 5 in Genf, je 4 im Tessin und in St.Gallen, je 3 in Bern und Solothurn, je 2 in Basel, Waadt und Uri, je eine Verurteilung im Jura, Appenzell, Thurgau und Graubünden.

Auf Grund von Art. 196 StGB wurden in diesem Zeitraum (bis 1997, Stand der Da­tenbank vom 30.6.2000) sogar nur 8 Personen verurteilt, 5 in Zürich und je 1 in Bern, Basel und St.Gallen. Damit ergibt sich für Zürich eine recht niedrige errech­nete34 Verurteiltenquote von unter 10 %. Es ist dies ein Hinweis dafür, dass sich die polizeiliche Einschätzung des Straftatbestandes von der juristischen Beurteilung unterscheidet oder dass die Polizei einen wesentlichen Teil der ermittelten Täterin­nen und Täter nicht den Gerichten überstellen konnte. Jedenfalls kontrastiert diese Zahl scharf mit der Verurteiltenquote von 60 % bei Geldwäsche. Im unten darge­stellten Fall DA (siehe Abschnitt 5.3.6.2) hat beispielsweise schon die Staatsanwalt­schaft den Anklagepunkt Menschenhandel bei einigen Angeklagten fallengelassen.

Von sämtlichen Verurteilten in der Schweiz sind wegen Förderung der Prostitution ein Viertel und wegen Menschenhandels sogar ein Drittel im Kanton Zürich abgeur­teilt worden, dies bei bloß einem guten Siebtel der Einwohnerzahl der Schweiz. Die Anzahl der in den Jahren nach der Revision des Sexualstrafrechts insgesamt nach Art. 195 und 196 StGB verurteilten Personen ist erstaunlich niedrig, wobei Zürich im Verhältnis zu der übrigen Schweiz noch die meisten Urteile liefert.

Tabelle: Auf Grundlage von Art. 195 und 196 StGB verurteilte Personen nach Urteilsstatistik des Bundesamtes für Statistik 35

JahrArt. 195 StGB, Förd. der ProstitutionArt. 196 StGB, Menschenhandel

Ort der VerurteilungOrt der Verurteilung

Zürichübrige SchweizinsgesamtZürichübrige Schweizinsgesamt







1992066000
199301515000
1994066000
1995268000
1996358325
19975914314
1998102333011
199941216077







insgesamt248210661117

Tabelle: Verurteiltenquote im Kanton Zürich: Auf Grundlage von Art. 195 und 196 StGB ermittelte Tatverdächtige nach KRISTA und verurteilte Personen nach Urteilsstatistik des Bundesamtes für Statistik, Son­derauszählung, Stand der Datenbank: 01.01.2002

JahrArt. 195 StGB, Förd. der ProstitutionArt. 196 StGB, Menschenhandel

ermittelte TatverdächtigeVerurteilteQuoteermittelte TatverdächtigeVerurteilteQuote







19920000
1993800400
19941600800
19952620,081700
19961730,18930,22
19973550,142230,14
199834100,292800
19992540,161500







insgesamt161240,1510360,06

Die errechnete Verurteiltenquote, das direkte Verhältnis Verurteilte pro ermittelte Täterinnen und Täter, beträgt im Kanton Zürich 15 % bei der Förderung der Prosti­tution und 6 % beim Menschenhandel. Betrachtet man nur die Jahre 1995 bis 1998, ergeben sich 19 % bzw. 7 %. Dabei sind allerdings Nachmeldungen und wesentlich spätere Verurteilungen von ermittelten Tatverdächtigen zu berücksichtigen. Die echte Verurteiltenquote dürfte etwas unter derjenigen des Jahres 1998 liegen, wahr­scheinlich also etwa 25 % bei der Förderung der Prostitution. Beim Menschen­handel liegt sie mit deutlich unter 10 % sehr tief.

5.3.5 Schlussfolgerungen aus dem statistischen Material

Auffallend bei der statistischen Analyse ist die geringe Anzahl von Verfahren wegen Förderung der Prostitution und wegen Menschenhandels. Auf Grundlage der Zürcher Kriminalstatistik für die gesamte Schweiz geschätzt, dürften es 60 bis 100 Fälle von Förderung der Prostitution und 50 bis 80 Fälle (bzw. verfolgte Tatverdächtige) von Menschenhandel jährlich sein, die von den Ermittlungsbehörden angegangen wer­den. Die Aufklärungsquote liegt nahe 100 %, da die Anzeige oder die Aufnahme der Ermittlungen selbst an die bereits bekannte Täterschaft gebunden sind.

Zweitens ist auffällig, wie wenige dieser ermittelten Tatverdächtigen verurteilt wer­den. Zur Verurteilung kommen von den geschätzten maximal 100 bzw. 80 jährlich ermittel­ten Tatverdächtigen maximal ein Viertel. Über Anzahl oder Anteil der Frei­sprüche existiert keinerlei gesicherte Information, da sich sämtliche Daten entweder auf ermittelte Tatverdächtige oder aber auf Verurteilte beziehen, nicht aber auf Frei­gesprochene oder Personen, bei denen sich der Tatverdacht im Gerichtsverfahren nicht bestätigt hat oder die Tat nicht rechtsgenügend nachgewiesen werden konnte. Immerhin lauten 30 % der Urteile wegen Förderung der Prostitution oder Menschen­handel auf Freiheitsstrafe ohne Bewährung.

Freisprüche im formellen Verfahren sind relativ selten und erreichen nur einen klei­nen Bruchteil der Verurteilungen. Deshalb ist anzunehmen, dass gegen den größten Teil der ermittelten Tatverdächtigen gar keine Anklage erhoben wird oder sie wer­den, vielleicht der Einfachheit halber, wegen Delikten angeklagt, die leichter zu beweisen und dogmatisch weniger problematisch sind. Jedenfalls ist die Verurteil­tenquote außerordentlich niedrig und die Daten weisen darauf hin, dass das Dunkel­feld sehr umfangreich sein dürfte.

5.3.6 Analysierte Fälle und Fallbeispiele zum Frauenhandel

Die im Rahmen des Forschungsvorhabens analysierten Gerichts- und Polizeiproto­kolle sowie die Interviews geben Einblick in typische Organisationsmuster von Frauenhandel. Es lässt sich dabei feststellen, dass sich die Abläufe gleichen und weitgehend unabhängig vom Herkunftsland erscheinen. Allerdings stammen die Akteure einer Gruppe meistens aus der gleichen oder einer nahestehenden Ethnie. Bei 9 der 50 analysierten Urteile (24 %) spielt Frauenhandel oder Prostitution im weitesten Sinne eine Rolle. Es handelt sich jedoch nur um vier Fallkomplexe mit insgesamt 3 Verurteilungen wegen Art. 195 oder 196 StGB. In 7 Fällen versuchten die Strafverfolgungsbehörden erfolglos eine kriminelle Organisation zu konstruieren. Sie scheiterten jedoch in allen Fällen weniger an Beweisschwierigkeiten als an dem Umstand, dass es sich tatsächlich um ein Bemühen ohne solide faktische Grundlage handelte (siehe Fall DA, Abschnitte 5.3.6.3 und 6.10).

5.3.6.1 Der Fall G

Die Thailänderin G gab im Gerichtsverfahren von Anfang an zu, mehrfach Thailän­derinnen zur Einreise in die Schweiz verholfen zu haben, indem sie auch mit fal­schen Angaben für die Erteilung eines Einreisevisums notwendigen Garantieerklä­rungen sorgte. In der Folge erleichterte G den Thailänderinnen den Aufenthalt in der Schweiz, indem sie diese, zum Teil über den Ablauf der Visumsfrist hinaus, in ihren verschiedenen Salons illegal als Prostituierte beschäftigte und ihnen in ihren Ge­schäftsräumen Unterkunft bot. Dass G in Bereicherungsabsicht handelte, ergibt sich klar aus den Pro­tokollen. Sie wollte für sich eine wirtschaftliche Besserstellung errei­chen, da sie in dem den Pros­tituierten auferlegten Schuldenbetrag bereits einen Gewinn einkalkulierte.

Mit der Unterstützung ihres (Schweizer) Ex-Ehemannes hat G eine Vielzahl von illegal arbeitenden Thailänderinnen als Prostituierte beschäftigt. Von in Thailand ansässigen Vermittlern ließ sie sich Unterlagen, insbesondere auch Fotos der Frauen zustellen. Unter Berücksichtigung körperlicher Merkmale und Vorzüge entschied sie sich zielgerichtet, welchen Frauen sie in ihren Salons und Bordellen in der Schweiz einen Platz anbieten wollte. Mit Hilfe ihrer Vermittler trat G mit den ausgewählten Frauen in persönlichen oder telefonischen Kontakt und organisierte die notwendigen Dokumente für deren Einreise in die Schweiz. Die Prostituierte AB bestätigte diese Angaben und sagte, sie sei in Bangkok durch eine Agentur angefragt worden, ob sie in der Schweiz der Prostitution nachgehen wolle. Sie hat bereits in Singapur als Prostituierte gearbeitet, wie auch zehn weitere Kolleginnen, die später mit ihr in die Schweiz gereist sind und auch in G’s Salons gearbeitet haben.

G’s Aussagen waren bezüglich der Kriterien, nach denen sie die Frauen ausgewählt habe, widersprüchlich: Sie bestritt, absichtlich Frauen aus ärmlichen Verhältnissen in Thailand rekrutiert zu haben. Nach ihren Aussagen hat sie die Mädchen aus Mitleid bei sich arbeiten lassen, da diese ohne Geld gekommen sind. Sie hätten bei ihren thailändischen Vermittlern Schulden, da diese die Kosten für die Flugtickets und die Beschaffung der Pässe vorgeschossen haben. G selbst stamme auch aus armen Ver­hältnissen und da müsse man ja Geld verdienen. Die Schönen hingegen wollen nach ihren Aussagen in die Schweiz kommen um zu heiraten. Der fügsame Charakter und die ärmlichen Verhältnisse sind von größerer Tragweite für die Entscheidung, ob sich eine finanzielle Investition der Angeklagten lohnt, als das Aussehen. Offen­sichtlich war G bezüglich ihrer Aussagen juristisch gut beraten und versuchte, die Strafbarkeit der Förderung der Prostitution (Ausnützung der Abhängigkeit, Vermö­gens­vorteil, Einschränkung der Handlungsfreiheit einer Person, Festhalten in der Prostitution) alle der Reihe nach zu widerlegen.

Verlässt ein Mädchen sie vor Abbezahlung der Schulden, ist dies aus G’s Sicht ein Betrug. In einem solchen Fall hat das Mädchen keine Chance mehr, in einem anderen Thai-Salon eine Arbeit zu finden, da sie ihre vorherige Arbeitsstelle angeben muss. Bis jetzt sei es laut G noch nicht vorgekommen, dass ein Mädchen vertrags­brüchig wurde. Das Recht an einem Mädchen verliert G erst, wenn es nach Thailand zurück­kehrt. Sobald eine Sexarbeiterin zurückkehren will, begleitet G sie zum Flug­zeug.

G führte weiter aus, sie habe Flugtickets und Pässe als Garantie eingezogen und auf­bewahrt, bis alle Schulden getilgt waren. Ihre Verteidigung dagegen hielt fest, dass die Prostituierten bei der thailändischen Botschaft sehr einfach und schnell, etwa innerhalb von drei bis vier Wochen, einen neuen Pass bekommen können. Eine Angestellte von G, die Prostituierte CD, wurde nach einem Monat Arbeit vorzeitig wegen Schwangerschaft nach Hause geschickt, obwohl sie die Schulden noch nicht abbezahlt hatte. In der Folge wurde G von einer thailändischen Vermittlerin in Zürich gratis eine Ersatzperson zur Verfügung gestellt.

Die Frauen schuldeten G in der Regel für die Unterstützung bei der Einreise und für Reisekosten 12’000.- Fr. Die Schulden mussten abgearbeitet werden, was in die­sem Fall die Ablieferung von 40 % aller Einnahmen an G bedeutete. Um dies sicherzu­stel­len, mussten die Frauen zu Beginn ihre ganzen Einkünfte abliefern. Auf Anfrage erhielten sie ein kleines Taschengeld. Die Rückzahlung der Schulden dauer­te einen bis zwei Monate. Nach drei Monaten betrug der Verdienst zwi­schen 4000.- und 8000.- Fr., den die Sexarbeiterin mit nach Hause nehmen bzw. schicken konnte.

Im Laufe der Einvernahme belastete G weitere Personen, die ebenfalls vor Gericht kamen. Bei einer Person handelt es sich um eine Scheinehe zur Erlangung des Auf­enthaltsrechts: Ein Schweizer Bekannter von G und ihrem Ex-Ehemann GG war in einen finanziellen Engpass geraten und nahm das Angebot von G an, gegen Entgelt eine thailändische Prostituierte zum Schein zu heiraten, um es ihr zu ermöglichen, in die Schweiz zu kommen und bei G zu arbeiten. Dem Schweizer wurden 10’000.- Fr. als Vorschuss bezahlt, 10’000.- Fr. bei der Heirat und weitere 10’000.- Fr. nach Ablauf einer bestimmten Frist versprochen. Der jungen Thailänderin stellte G 57’000.- Fr. für die ganze Transaktion in Rechnung, die sie in einem ihrer Salons abzuarbeiten hatte. Der Schein-Ehemann wurde zu einer Buße verurteilt, bestritt aber die Scheinehe und erzählte, er habe seine Ehefrau weiterhin als Prostituierte arbeiten lassen müssen, da er, gezwungen durch seine missliche finanzielle Situation, für sie nicht aufkommen könne. Außerdem gefalle ihr ja der Beruf.

5.3.6.2 Der Fall Zürcher Flughafenpolizei

In einem anderen Verfahren des selben Fallkomplexes ging es um den von G besto­chenen Beamten X, also um einen Korruptionsfall. Im Jahre 1999 wurde X, Flugha­fenpolizist, wegen Amtsmissbrauchs, mehrfachen Sich Bestechen Lassens, mehrfa­cher Begünstigung und mehrfacher Widerhandlung gegen das ANAG vom Bezirks­gericht Zürich zu acht Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Es handelt sich um einen seltenen Gerichtsfall, weil Korruption im öffentlichen Bewusstsein weniger mit westeuropäischen Demokratien in Verbindung gebracht wird.

X wurde von seinem Bekannten GG, dem Ex-Ehemann von G, die in Zürich mehrere Sex-Salons führte, angefragt, ob er bei seinem Dienst bei der Grenzkontrolle Aus­länderinnen trotz Ablauf des Visums unbehelligt durch die Grenzkontrolle lassen würde. X war damit einverstanden und ließ sich für seine Dienste die Auszahlung von bis zu 800.- Fr. pro illegale Ausreise einer Sexmigrantin versprechen. Wenn eine Ausländerin mit abgelaufenem Visum die Grenze passieren wollte, teilte er auf Anfrage seine Dienstzeiten mit, worauf der Schweizer GG oder die Thailände­rin G oder ein Verwandter von G die Sexarbeiterinnen an den Flughafen brachte und sie an dem vom Angeklagten bedienten Schalter anstehen ließ. Mit Blickkontakt wurde ihm signalisiert, welche Frauen er unbehelligt durch die Grenzkontrolle durchlassen sollte. Die Bezahlung erfolgte in einem der Salons von G.

Die Vernehmungs- und Gerichtsprotokolle bescheinigen X zum Zwecke der Motiva­tions- und Strafmaßabklärung ein trauriges Leben. Er ist 1936 in L. geboren und hat dort seine Kindheit und Jugend verbracht. Er litt unter den Problemen im Elternhaus und musste unter erbärmlichen Bedingungen eine Lehre als Maurer absolvieren. Während seiner zweiten Lehre lernte er seine zukünftige Frau kennen. Die Ehe wurde bald geschieden. Auch in der zweiten Ehe wurde X nicht glücklich, und so lebte er meist einsam. Ende der siebziger Jahre fand er eine Anstellung im Sicher­heitsdienst der Flughafenpolizei, war kooperativ und hilfsbereit, machte aber keine Karriere. Er blieb ein Einzelgänger. Als er 1991 den „Milieumann“ GG traf, war er froh, jemanden gefunden zu haben, mit dem er ein Bier trinken und den er zuhause besuchen konnte. Zwei- bis dreimal wöchentlich verbrachte er die Freizeit mit GG.

Vor Gericht versuchte X vorerst zu leugnen. Erst unter dem Druck der Beweislast gab er einen Fall nach dem andern zu. Er präsentierte sich als sensibler Mensch, der einem Freund schwer etwas abschlagen kann. Dass ihn auch das Geld reizte, bestritt er am Schluss nicht mehr, obwohl er – gemessen an der Strafandrohung für die aus­gereisten Sexmigrantinnen sowie für die Bordellbesitzerin G – bei tüchtigerem Geschäftsverhalten ein Mehrfaches hätte verlangen und bekommen können. Es han­delt sich in diesem Fall kaum um professionell betriebene Bestechlichkeit, obwohl X seine Stellung krass missbrauchte.

Das Fallbeispiel wirft ein Licht auf ein weiteres Kontrollinstrument bei der Ausreise, die Begutachtung des Einreisestempels, da der legale Aufenthalt in der Regel auf drei Monate beschränkt ist. Allerdings kommt dieser aber vor allem man­gels perso­neller Ressourcen bei Ein- und Ausreisekontrolle nur geringe Bedeutung zu. Die Ausschaffung hingegen, eine Sanktion des ANAG, trifft die Prostitutionsunter­neh­mer und vor allem die Migrantinnen hart, insbesondere wenn sie mit einer Buße und, noch härter, mit einer Einreisesperre verbunden ist.

Angesichts der Qualität der Fälschungen und der Leichtigkeit, neue Blankopässe, Visa und andere gefälschte Dokumente zu beschaffen, muss angenommen werden, dass Korruption und weitere organisierte kriminelle Aktivitäten vor allem in den Herkunftsländern, eher in kleingewerblichen Organisationsformen, aber durchaus professionell gehandhabt werden. Nicht geringe unternehmerische Energien sowie logistisches und technisches Know How werden mobilisiert, um sich Zugang zu westlichen Märkten zu verschaffen, auch durch illegale Türen und Graubereiche. Das unternehmerische Risiko ist vor allem für die OrganisatorInnen des Angebots klein und der mögliche Gewinn angenehm fett. Werden sie erwischt, kommen sie meist mit einer im Verhältnis zum Gewinn geringfügigen Strafe davon.

In diesem Fall sind wie üblich die Prostituierten ausgewiesen worden. Damit sind nicht nur illegale Migrantinnen ausgereist, sondern auch eventuelle Zeuginnen, Klä­gerinnen oder Opfer von Menschenhandel. Allerdings betont ein Mitarbeiter der für Ausschaffungen zuständigen Fremdenpolizei Zürich:

Wenn ein krasser Fall vorliegt, vor allem wenn Gewalt im Spiel ist, dann arbeiten wir mit allen Instanzen zusammen und finden Möglichkeiten, die Zeugin vor der Aus­schaffung zu schützen. Dies kommt zwar selten vor, wird aber regulär so gehand­habt. Da besteht also kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf. In anderen Kantonen läuft es gleich. Wir arbeiten ja mit allen zusammen.

Exponentinnen und Exponenten von politischen Gruppierungen, insbesondere Frau­enorganisationen, widersprechen dieser Sichtweise und fordern auf natio­naler Ebene ein Zeuginnenschutzprogramm, das den illegalisierten Sexmigrantinnen die Mög­lich­keit gibt, ihre Situation hinsichtlich Frauenhandel und Förderung der Prostitution zu überprüfen. Damit hätten sie Mittel in der Hand, um sich wirksam gegen Über­griffe verteidigen zu können und sich vor unwürdigen Situ­ationen zu schützen. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu vergleichen, mit welcher Vehemenz bedeutende politische Kräfte invasive strafprozessuale Maßnah­men ermöglichen und mit welcher Nachlässigkeit sie die Bedürfnisse der Opfer berücksichtigen.

5.3.6.3 Der Fall DA

Mitte der 90er Jahre erregte in Zürich ein Großverfahren im Prostitutionsmilieu rund um den Zuhälter DA (vgl. Abschnitt 6.10) die Gemüter. Wie Grenzübertritte auf dem Landweg organisiert werden, zeigt ein Nebenverfahren in diesem Fallkom­plex.

RM, ein 50-jähriger Pole, lebt seit rund 20 Jahren in der Schweiz und erhält eine Invalidenrente und Sozialhilfe. Er ist bereits wegen Körperverletzung an seiner Schweizer Ehefrau vorbestraft. Die Anklage lautet auf Förderung der Prostitution und Menschenhandel. Er hat mehrere Frauen in Polen angeheuert, in die Schweiz gebracht und an seinen Auftraggeber DA abgeliefert. Er arbeitet als Chauffeur für dessen Callgirl-Ring, der in der ganzen deutschen Schweiz aktiv war. RM bekam eine Vermittlungsprovision von 5’000.- bis 7’000.- Fr. pro Frau bei „Ablieferung“ und kassierte als Chauffeur der Prostituierten ihren Lohn nach getaner Arbeit direkt ein. Er lieferte den Ertrag seinem Arbeitgeber ab und bekam ca. 10 % Provision.

RM fuhr jeweils mit dem Auto in seine Heimatstadt in Polen und sah sich dort in der Bordellszene um und knüpfte zu den Prostituierten Kontakt. Auch schloss er Be­kanntschaft mit Frauen in Cafés und bot ihnen Arbeit bei DA in der Schweiz an. Bei seiner Rückreise in die Schweiz nahm er zwei, drei Polinnen als Touristinnen in seinem Auto mit Schweizer Kennzeichen mit und gab sie als seine Bekannten aus. Andere Frauen reisten allein per Autobus in die Schweiz. Diese holte er ab und chauffierte sie direkt in das Einfamilienhaus von DA in A. Dort blieben die Frauen bis zu ihrer Rückkehr nach Polen, in der Regel etwa zwei bis drei Monate. Der Ring erhielt Aufträge aus der ganzen Schweiz und RM chauffierte die Frauen jeweils von dort zum Einsatzort und brachte sie wieder zurück.

Ein weiterer Zulieferer von DA war der 1954 ebenfalls in Polen geborene MK. Er hat­te keinen festen Wohnsitz in der Schweiz, operierte aber vor allem im Inland, von wo aus er seine Reisen zwecks Anheuerung von Prostituierten vor allem aus Po­len vor­bereitete. Er schloss mit den Frauen Verträge und ließ sie per Autobus in die Schweiz reisen, wo er sie abholte oder abholen ließ, um sie entweder an DA oder an eine andere, von DA unabhängige polnische Escort-Service-Besitzerin in Zürich ge­gen Provision zu liefern oder um sie in seinem eigenen Callgirl-Ring zu verwenden.

MK finanzierte seinen Lebensunterhalt über die Provisionen (1000.- Fr. pro Frau plus 500.- Fr. pro Monat pro Frau) und dem Erlös aus dem eigenen Sex-Geschäft. MK übte erheblichen Druck auf die Frauen aus, die sich auf seine Anweisung zu prostituieren und ohne Probleme alle Freierwünsche zu erfüllen hatten. Er bestimmte, wie viel die Frauen arbeiteten, was sie verdienten und welche Sexual­praktiken sie anbieten mussten. Auf Wunsch von DA sorgte MK dafür, dass die Frauen jeweils die verlangten Praktiken auch wirklich ausübten. Als Chauffeur der Prostituierten kontrollierte er dies mittels Mobiltelefon, dessen Nummer die Freier während des Besuchs der Prostituierten für eventuelle Reklamationen erhielten. So erzielte er große Umsätze und eine zufriedene Kundschaft. RM und MK verschafften den Frauen eine Arbeitsgelegenheit in der Schweiz und halfen ihnen bei der Einreise und beim Aufenthalt. Beide wussten, dass sowohl die Einreise als auch der Aufent­halt in der Schweiz illegal waren, da keine der Frauen die erforderliche Arbeits­bewilligung hatte.

Der 1969 in Belgrad geborene Hauptangeklagte DA, der heute sehr vermögend sein soll, beschäftigte weitere Chauffeure aus anderen Ländern, vornehmlich aus Ex-Jugoslawien. Er beschäftigte aber auch einen Österreicher als Chauffeur und Zuhäl­ter. Er verfügte über tschechische Blanko-Pässe, die er in der Tschechei für Frauen aus anderen osteuropäischen, visumpflichtigen Ländern ausstellen ließ. Die Ermitt­lungen ergaben, dass DA in verschiedenen Deutschschweizer Tageszeitungen Wer­be­inse­rate für seinen Prostitutionsbetrieb schaltete. Die Chauffeure fuhren von DA’s Wohnort auf Auto­bahnraststätten, wo die Frauen von Kunden abgeholt und wieder zurückgebracht wurden, oder direkt zum Wohnort der Freier. Die Frauen wurden mit einem Mobiltelefongerät ausgerüstet, das Kunden, Chauffeure und Prostituierte zwecks Kontrolle, Übersetzung oder Reklamationen benutzen konnten.36

5.3.7 Wertung

Es zeigen sich in den von uns dokumentierten Fällen am ehesten Zusammenhänge ethnisch ausgerichteter, patriarchaler bzw. matriarchaler Strukturen, in denen sich ein „Kopf“ eines „Ringes“ herauskristallisiert. Es handelt sich dabei offenbar aber nicht um Teile weitverzweigter krimineller Organisationen. Vielmehr zeigt sich ein Bild von allenfalls losen Beziehungen vergleichbarer Netzwerke. Ob die Identifi­ka­tion von „Köpfen“ das Resultat einer Selektion durch die Straf­ver­folgungsbe­hör­den sind oder ein Artefakt unseres methodischen Vorgehens und der kleinen Fallzahl oder tatsächlich eine allgemeine Struktur im „Frauenhan­delsge­schäft“ darstellt, kann hier nicht abschließend beurteilt werden.

Aufgrund der stark ins Gewicht fallenden Pushfaktoren in osteuropäischen Ländern, der relativ zum früheren Regime schlechteren Stellung der Frauen und des Werte­wandels in Osteuropa, der Werte wie Risikobereitschaft, schneller Reichtum etc. hoch schätzt, sind Voraussetzungen erfüllt, die den Pullfaktoren in der Schweiz ent­gegenkommen. Seit der Sexual­strafrechtsreform ist der Zuhälterartikel abgeschafft und das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung in der Rechtssprechung an pro­minente Stelle gerückt, was sich naturgemäß auch auf die Strafverfolgung auswirkt. Das heißt, dass es für die juristische Beurteilung vor allem darauf ankommt, ob bei der Anheuerung, dem Grenzübertritt und am Arbeitsplatz in der Schweiz die Frei­willigkeit bei der Ausübung der Prostitution gewährleistet ist. In Anbetracht der „Warteschlangen“ von Frauen aus osteuropäischen Ländern, die anderen Quellen zufolge aus weiter östlich liegenden Ländern zuerst in die weiter westlich liegenden osteuropäischen migrieren, die „Wohlstandsgrenze“ sich also von West nach Ost schiebt,37 muss in der Regel von einer gewissen Freiwilligkeit der Migrantinnen, die lukrativen Sexmärkte Westeuropas zu erobern, ausgegangen werden. Markantester Pullfaktor der Zielländer dürfte sowohl für die Sexarbeiterinnen wie auch für die organisatorisch/unternehmerisch tätigen Akteure in der beträchtlichen Gewinnmarge und im geringen Risiko liegen, das durch sozial kompetente Strategien zusätzlich minimiert werden kann. Als neuester Trend zeichnet sich vielleicht eine gewisse Unruhe im Sexmarkt ab, die zurückzuführen ist auf Rivalitäten zwischen „alteinge­sessenen“ Sexmarktakteuren, meist Schweizerinnen und Schweizer, die mit „Quali­tät“ werben und den jungen Newcomern aus dem Ausland, die aggressiv agieren und mit Quantität und Billigangeboten locken.

Im Jahre 2002 richtete das BAP eine Organisationseinheit zur Bekämpfung des Frau­en­handels ein. Die Gründe des bisherigen und wohl auch zukünftigen Scheiterns der Entlarvung einer großen kriminellen Frauenhandelsorganisation, sofern mindestens ein Teil die Sexmigration tatsächlich von kriminellen Organisati­onen im Sinne des Art. 260ter StGB kontrolliert sein sollte, sind zweifach: Erstens besteht bei vielen Frauen ein gewisses Einverständnis damit „gehandelt zu werden“ und zweitens, soll­te das Einverständnis fehlen, erwarten sie unter Umständen und vielleicht zu Recht kei­nen persönlichen Vorteil bei der Kooperation mit der Polizei und den Straf­verfolgungsbehörden. Sozialpolitische und ausländerrechtliche Maß­nahmen wären wohl effizienter bei der Bekämpfung des Menschenhandels als straf­rechtliche.

5.4 Schutzgelderpressung

Kriminellen Organisationen wird häufig Schutzgelderpressung als Tätigkeitsbereich zugeschrieben. Sie soll außerdem und vor allem eine Erwerbsquelle politisch tätiger Organisationen sein. Der strafrechtliche Tatbestand, Erpressung, ist qualifiziert, wenn er gewerbsmäßig begangen wird, wenn Gewalt angewendet oder mit Schaden für Leib und Leben gedroht wird.38

In der KRISTA sind 1999 60 Fälle von Erpressung ausgewiesen, wovon keiner einer kriminellen Organisation zugeordnet wurde. Im Zeitraum zwischen 1995 und 1999 ordnete die Zürcher Kriminalpolizei insgesamt sieben Erpressungen kriminellen Organisationen zu (1995: 4; 1996: 3). Die Schweizer Strafurteilsstatistik weist in den letzten zehn Jahren durchschnittlich 60 Verurteilungen wegen Erpressung aus, davon 15 bis 20 im Kanton Zürich. Die Tendenz ist leicht steigend.

Im Kanton Luzern führte das Untersuchungsrichteramt eine Befragung über Schutz­gelderpressungen im Gastgewerbe durch.39 Der Rücklauf der Fragebogen war mit 62 % außerordentlich gut (560 Antworten). Sechs Personen gaben an, sie seien ein­mal (4 Antworten) oder mehrmals (2 Antworten) erpresst worden. Alle sechs nahmen die Erpressung nicht ernst und bezahlten nichts. Einer meldete den Vorfall der Poli­zei. In keinem Falle machten die Erpresser die Androhung von Nachteilen wahr. Zehn Personen gaben an, einmal von einer Schutzgelderpressung gehört zu haben. Schutz­gelderpressung scheint im Kanton Luzern kein Problem darzustellen.

Unter den analysierten Urteilen findet sich kein einziges, in welchem Schutzgelder­pressung ein Thema gewesen wäre. Weitere kriminalstatistische Erkenntnisse sind nicht vorhanden. So wie die Datenlage aussieht, ist Schutzgelderpressung kein be­vorzugtes Tätigkeitsgebiet eventueller krimineller Organisationen in der Schweiz.

5.5 Korruption

Fälle von Korruption im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität haben wir nicht finden können. Insbesondere gibt es unseres Wissens keine Urteile, in denen gleichzeitig Art. 260ter StGB und Bestechungstatbestände eine Rolle gespielt haben. Der einzige Fall von Korruption war der Fall „Zürcher Flughafenpolizei“ (vgl. Abschnitt 5.3.6.2), aber in diesem Verfahren wurden die bestechende Bordellbe­sitzerin und ihre Entourage nicht wegen Verletzung des Art. 260ter StGB angeklagt.

In dem Fall Verda, wo ein Tessiner Richter von dem notorischen Zigaretten­schmuggler Cuomo bestochen worden sein soll, ist Art. 260ter StGB in der Schweiz nicht Anklagepunkt, der italienische Haftbefehl für Cuomo lautet allerdings auf Zu­ge­hörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung und Geldwäsche. Der Fall Cuomo ist im Staatsschutzbericht 2000 ausführlich behandelt.40 Der Bericht spricht außer­dem von „mehreren Fällen von Beamtendelikten“. Drei Verfahren seien von größerer Bedeutung, ein Submissionsver­fahren für Bundesbauten auf dem Flughafen Bern-Belpmoos, bezahlte Rechnungen ohne Leistung in der Bundes­verwaltung und Beste­chung beim Neubau des Basler Postbahnhofs. Alle Fälle betreffen einzelne Bau­projekte, bewegen sich in der Schadenssumme im Bereich von einigen 100’000.- Fr. und lassen sich beim besten Willen nicht unter den Begriff der organisierten Krimi­nalität bringen, schon gar nicht unter Art. 260ter StGB.41

Kriminalstatistische Daten über Bestechung und organisierte Kriminalität sind nicht greifbar. Die KRISTA weist die Beste­chungsstraftatbestände mit 25 weiteren Arti­keln zusammen in der Kategorie „sons­tige StGB-Delikte“ aus. Die Strafurteilssta­tis­tik zeigt nichts, was auf organisierte Kriminalität hindeuten könnte. Wegen „Sich Be­stechen lassen“ (Art. 315 StGB) sind für den Zeitraum 1991-1999 23 Urteile ein­getragen, davon lautet nur eines auf Freiheitsstrafe ohne Bewäh­rung, alle andern auf be­dingte Freiheitsstrafen. Wegen „Annahme von Geschenken“ (Art. 316 StGB) sind vier Urteile verzeichnet, alle bedingte Freiheitsstrafen (Stand der Daten: 1.1.2002).

5.6 Russische Mafia („ROK“) und Kunsthandel

Verfahren und Fälle in anderen Aktionsbereichen der organisierten Kriminalität sind selten. Zu erwähnen wären die Fälle Mikailov und Borodin. Sie wurden vom procu­reur général in Genf und von der damaligen Bundesanwältin mit großer Pressebe­gleitung abgearbeitet, führten aber zu keiner nennenswerten Verurteilung und ende­ten als Fiasko. Bei Mikailov handelt es sich um eine Person, deren Verstrickung mit der russischen Mafia laut Anklagebehörde „gerichtsnotorisch“ sein solle. Er wurde mehr als ein Jahr in Untersuchungshaft gehalten und auf Grund von Art. 260ter StGB angeklagt. Am Schluss blieb einzig eine Verurteilung wegen Verletzung des ANAG (illegaler Aufenthalt und Einreise) und der lex Furgler, da er ohne über die notwendige Berechtigung zu verfügen, in der Schweiz Haus und Grundstück erwarb. Auf die Schweiz kommen nun wegen der ausgestandenen Untersuchungshaft beträchtliche Entschädigungsforderungen zu.

Ähnlich peinlich für procu­reur général und Bundesanwaltschaft ist der Komplex Borodin/Mabetex/Mercato. Der ehemalige Verwaltungsleiter des Kreml wurde in Genf beschuldigt, von Tessiner Baufirmen im Zusammenhang mit der Vergabe von Aufträgen zur Renovation des russischen Parlamentsgebäudes, des Weißen Hauses, mit Millionenbeträgen bestochen worden zu sein. Borodin zeigte wenig Lust, sich in Genf diesem Verfahren zu stellen. Als er mit Diplomatenpass in die USA einreiste, um in New York an einem internationalen Kongress der UNO teilzunehmen, wurde er auf Betreiben der Schweizer Behörden dort festgenommen und in Auslieferungs­haft gesetzt. Er war mit der Auslieferung nicht einverstanden und blieb einige Monate im Gefängnis. Danach stimmte er der Auslieferung zu. Die Anklagekammer setzte ihn zwei Tage nach seiner Ankunft in Genf gegen Zahlung einer Kaution von 5 Millionen Fr. auf freien Fuß und ließ den Anklagepunkt Art. 260ter StGB fallen. Das Verfahren wurde dann nach Monaten gegen Zahlung eines Bußgeldes von 300’000.- Fr. eingestellt, die Anklagebehörde war nicht im Stande, eine Verurteilung durchzusetzen. Aus Moskau war zu hören, dass Freunde für ihn das Bußgeld bezah­len wollten, da er ein guter Mensch sei und sich nichts habe zu Schulden kommen lassen.

Diese Fälle waren die propagandistischen Flagschiffe der Bekämpfung der russi­schen organisierten Kriminalität „ROK“. Die Strafverfol­gungsbehörden versuchten, die Schuld für das Scheitern der russischen Staatsanwalt­schaft zuzuweisen, diese habe zu wenig Material über die dortigen kriminellen Organisationen geliefert etc. Die Daten zur „ROK“ sind oben im Abschnitt 4.1.1 dargestellt.

In St.Gallen (siehe zitiertes Interview im Abschnitt 3.3) wurde ein Verfahren gegen angeblich organisierte Raubkunsthändler angehoben. Es scheiterte, weil der einge­setzte ausländische verdeckte Ermittler keine Aussagegenehmigung erhielt.

5.7 „Organisierte Basiskriminalität“, Bandenkriminalität (Dieb­stahl, Drogen, Rotlichtkriminali­tät etc.)

Die organisierte Basiskriminalität beschäftigt die Strafverfolgungsbehörden in der Praxis am stärksten. Es handelt sich dabei aber nicht um eigentliche organisierte Kriminalität, sondern um klassische Bandenkriminalität. Es geht eben nicht um Organisationen, die der Anforderung einer streng hierarchischen Struktur genügen, oder sie begehen keine Gewaltverbrechen und versuchen auch nicht Einfluss auf staatliche Strukturen zu nehmen. Es handelt sich in der Regel um Diebes- und Betrü­gerbanden ver­schiedenen Zuschnitts, um Zuhälterringe und um kooperierende Dro­genhändler. Die kriminalpolizeiliche Praxis beschäftigt sich in erster Linie mit dieser Art von Kri­minalität und sie wird je nach Bedarf der organisierten Kriminalität zuge­ord­net, sei es um besondere strafprozessuale Maßnahmen zu rechtfertigen oder einen höheren Personalbestand zu fordern. Bei den meisten der im Abschnitt 6 analysierten Fälle handelt es sich, eigentlich, bei näherer Betrachtung, höchstens, wenn über­haupt, um „organisierte Basiskriminalität“, oder wie das früher hieß: Banden­krimi­nalität.

5.8 Folgerungen aus der phänomenologischen Analyse

Die phänomenologischen Ergebnisse zeigen, dass die Vorstellung von in der Schweiz operativ tätigen, streng hierarchisch strukturierten Verbrecherorganisatio­nen eher aus der lebensweltlichen Vorstellung der Strafverfolger stammt, als aus der Realität. Strafverfolger arbeiten in streng hierarchischen Strukturen und können sich effiziente Strukturen kaum anders als militärisch-hierarchisch vorstellen. Die Straf­verfolger sind immer wieder erstaunt, wie effizient beispielsweise der illegale Dro­genmarkt ist: Trotz intensiver Bekämpfung des Drogenhandels, kann die mühe­vol­le repressive Tätigkeit nicht mehr als 3 % des Marktvolumens an harten Drogen entfer­nen.42 Auch eine Verdopplung der Anstrengungen hätten kaum einen mess­baren Effekt auf die Verfügbarkeit von Heroin und Kokain auf dem Markt. So kommt es zur Fantasie der großen, schlagkräftigen, profitmaximierenden Organi­sa­tion, die hinter allem steckt.

Genauso stößt die Suche nach der Organisation ins Leere, und es bleibt die einfache Kriminalität, bestenfalls die Bandenkriminalität.43 Personifizierung und Exempla­risierung sind alte und bewährte Instrumente der Normdurchsetzung. Der große Oberverbrecher, der capo delle capi, der Drahtzieher im Hintergrund oder der charak­terschwache Verräter in den eigenen Reihen ist zu identifizieren und hart zu be­strafen. Im letzteren Falle des Verräters, des korrupten Beamten, ist die Reinigung der eigenen Reihen im Innenverhältnis wie in der Außendarstellung ein willkom­menes Nebenprodukt. Zur Legitimierung der Norm, zur Abschreckung und für die Öffentlichkeit mögen Personifizierung und Exemplarisierung unter Umständen genü­gen. Unter diesem Blickwinkel ist der Fall Mikailov eine doppelte Katastrophe.

Betrachtet man die Resultate polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Arbeit, scheint es gewalttätige organisierte Kriminalität in der Schweiz sozusagen nicht zu geben. Auch in den Medien werden kaum konkrete Gewaltverbrechen durch solche Organisationen in der Schweiz bekannt. Sie sollen aber im Ausland stattgefunden haben, wie im Fall Mikailov. In den Drogenhändlerfällen geht es in der Regel um die Verwendung der Gewinne aus verbrecherischen Tätigkeiten und nicht um direkte Gewaltanwen­dung oder aktive Korruption in der Schweiz. Unbestritten und ohne Zweifel ist, dass beispielsweise im Drogengroßhandel einiges kriminelles Potenzial steckt. Im Frauen- und Menschenhandel sind Rechtsgüter massiv verletzt, die bezüg­lich ihrer Durchsetzung nicht hinter oder unter dem Recht auf Eigentum stehen dür­fen. In die­sen Milieus und Bereichen sind Gewalttätigkeiten sicher verbreitet. Die Ge­waltanwendung durch kriminelle Organisationen ist in der Schweiz von ihrem Um­fang her nicht zu vergleichen mit der Gewaltanwendung beispiels­weise bei ras­sistischen Übergriffen oder im Bereich der erzwungenen Prostitution. Insofern stellt sich die Frage, ob die Konzentration der Mittel auf die angeblich intelligente, weil hin­ter­gründig wirkende organisierte Kriminalität tatsächlich so viel wichtiger sei als die Bekämpfung von direkter Gewaltkriminalität wie Anschläge auf Wohnheime oder körperliche Übergriffe im öffentlichen und im privaten Raum. Bei der Fokus­sierung der Tätigkeitsgebiete der Strafverfolgung müs­sen immer Überle­gungen zur Wer­tigkeit der zu schützenden Rechtsgüter im Vorder­grund stehen. Wichtigstes Rechts­gut ist und bleibt der Schutz von Leib und Leben.

1Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelge­setz, BetmG) vom 3. Oktober 1951 (Stand am 20. Oktober 1998), SR 812.121.

Art. 19 Fassung gemäß Ziff. I des BG vom 20. März 1975, in Kraft seit 1. Aug. 1975 (AS 1975 1220 1228; BBl 1973 I 1348).

1. Wer unbefugt alkaloidhaltige Pflanzen oder Hanfkraut zur Gewinnung von Betäubungsmit­teln anbaut,

wer unbefugt Betäubungsmittel herstellt, auszieht, umwandelt oder verarbeitet,

wer sie unbefugt lagert, versendet, befördert, einführt, ausführt oder durchführt,

wer sie unbefugt anbietet, verteilt, verkauft, vermittelt, verschafft, verordnet, in Verkehr bringt oder abgibt,

wer sie unbefugt besitzt, aufbewahrt, kauft oder sonstwie erlangt,

wer hiezu Anstalten trifft,

wer den unerlaubten Verkehr mit Betäubungsmitteln finanziert oder seine Finanzierung ver­mittelt,

wer öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich Gelegenheit zum Er­werb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekanntgibt,

wird, wenn er die Tat vorsätzlich begeht, mit Gefängnis oder mit Buße bestraft. In schwe­ren Fällen ist die Strafe Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter einem Jahr, womit eine Buße bis zu 1 Million Franken verbunden werden kann.

2. Ein schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn der Täter

a weiß oder annehmen muss, dass sich die Widerhandlung auf eine Menge von Betäu­bungs­mit­teln bezieht, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen kann;

b als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur Ausübung des unerlaubten Betäubungs­mit­tel­verkehrs zusammengefunden hat;

c durch gewerbsmäßigen Handel einen großen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn er­zielt.

3. Werden die Widerhandlungen nach Ziffer 1 fahrlässig begangen, so ist die Strafe Gefäng­nis bis zu einem Jahr, Haft oder Buße.

4. Der Täter ist gemäß den Bestimmungen der Ziffern 1 und 2 auch strafbar, wenn er die Tat im Ausland begangen hat, in der Schweiz angehalten und nicht ausgeliefert wird, und wenn die Tat auch am Begehungsort strafbar ist.

Art. 19a (eingefügt durch Ziff. I des BG vom 20. März 1975, in Kraft seit 1. Aug. 1975 (AS 1975 1220 1228; BBl 1973 I 1348).

1. Wer unbefugt Betäubungsmittel vorsätzlich konsumiert oder wer zum eigenen Konsum eine Widerhandlung im Sinne von Artikel 19 begeht, wird mit Haft oder mit Buße bestraft.

2. In leichten Fällen kann das Verfahren eingestellt oder von einer Strafe abgesehen werden. Es kann eine Verwarnung ausgesprochen werden.

3. Untersteht oder unterzieht sich der Täter wegen Konsums von Betäubungsmitteln einer ärzt­lich beaufsichtigten Betreuung, so kann von einer Strafverfolgung abgesehen werden. Das Strafverfahren wird durchgeführt, wenn sich der Täter der Betreuung oder der Be­handlung entzieht.

4. Ist der Täter von Betäubungsmitteln abhängig, so kann ihn der Richter in eine Heilanstalt einweisen. Artikel 44 des Strafgesetzbuches gilt sinngemäß.

2Bericht der Expertenkommission für die Revision des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Okto­ber 1951 (sog. Bericht Schild) Bundesamt für Gesundheitswesen, Bern Februar 1996; Ent­wurf zur Revision des Betäubungsmittelgesetzes, Bern 2000 und Vernehmlassungsergebnisse.

3 Zusammenfassend vergleiche Josef Estermann und Simone Rônez: Drogen und Strafrecht in der Schweiz. Zeitreihen zu Verzeigungen, Strafurteilen und Strafvollzug, 1974-1994, Bunde­samt für Statistik (Hg.): Reihe Statistik der Schweiz, Reihe 19, Rechtspflege, Bern 1995.

4Es handelt sich bei dieser Tabelle um eine Fortschreibung der Tabellen T1 und T3 in Ester­mann und Rônez, a.a.O., 1995, S. 14-19, mit den Daten aus den Jahrespublikationen des BAP.

5Das Bundesamt für Statistik (BFS) weist leicht höhere Zahlen aus, da dort direkt mit den elektro­nischen Datenbeständen gearbeitet wird und aus diesem Grund Nachmeldungen aufge­nommen werden können, während das Bundesamt für Polizei (BAP) Ende des Jahres seine Bücher schließt.

6Zur Berechnung der Zahl der angezeigten Personen vgl. Josef Estermann: Sozialepidemiolo­gie des Drogenkonsums, Berlin 1996, S. 105ff.

7Eine Änderung der Kriterien für den Strafregistereintrag führt im Jahre 1992 zu einem Rück­gang der eingetragenen Urteile. Bußen bis 500 Franken und Urteile gegen Jugendliche wurden schon vorher nicht in das Strafregister eingetragen und sind entsprechend in den Tabellen nicht verzeichnet, ab 1993 sind keine Verurteilungen zu Haft oder Buße für bloßen Drogen­kon­sum alleine mehr eingetragen (bei Vorliegen eines weiteren Straftatbestandes jedoch schon). Im Jahre 1991 kamen zu den gut 7000 eingetragenen Verurteilungen noch weitere 5000 nicht eingetragene (zu Bußen, Haft, Maßnahmen oder Jugendstrafen), siehe „Drogen und Strafrecht in der Schweiz. Zeitreihen zu Verzeigungen, Strafurteilen und Strafvollzug“, a.a.O., S. 41 und 54f. Im polizeilichen Datensystem DOSIS können jedoch alle betroffenen Personen gespeichert werden.

8Unter Schmuggel werden hier sämtliche Verurteilungen nach Art. 19 Satz 3 BetmG gefasst.

9Botschaften des Bundesrates BBl 1989 II 1061 und auch BBl 1993 III 277. In diesem Be­grün­dungszusammenhang steht das erste, das zweite und nun auch das sogenannte dritte Maß­nah­mepaket zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens, bezüglich der Verfahrenskom­pe­tenzen vgl. BBl 1998 1529.

10Art. 305bis, eingefügt durch Ziff. I des BG vom 23. März 1990, in Kraft seit 1. Aug. 1990 (AS 1990 1077 1078; BBl 1989 II 1061), Geldwäscherei

1. Wer eine Handlung vornimmt, die geeignet ist, die Ermittlung der Herkunft, die Auffin­dung oder die Einziehung von Vermögenswerten zu vereiteln, die, wie er weiß oder an­neh­men muss, aus einem Verbrechen herrühren, wird mit Gefängnis oder Buße bestraft.

2. In schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis. Mit der Frei­heitsstrafe wird Buße bis zu 1 Million Franken verbunden.

Ein schwerer Fall liegt insbesondere vor, wenn der Täter:

a. als Mitglied einer Verbrechensorganisation handelt;

b. als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Ausübung der Geldwäsche­rei zusammengefunden hat;

c. durch gewerbsmäßige Geldwäscherei einen großen Umsatz oder einen erheblichen Ge­winn erzielt.

3. Der Täter wird auch bestraft, wenn die Haupttat im Ausland begangen wurde und diese auch am Begehungsort strafbar ist. (Berichtigt von der Redaktionskommission der BVers, Art. 33 des Geschäftsverkehrsgesetzes).

11Art. 305ter Eingefügt durch Ziff. I des BG vom 23. März 1990, in Kraft seit 1. Aug. 1990 (AS 1990 1077 1078; BBl 1989 II 1061), Mangelnde Sorgfalt bei Finanzgeschäften und Mel­derecht, Fassung gemäß Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Aug. 1994 (AS 1994 1614 1618; BBl 1993 III 277)

1 Wer berufsmäßig fremde Vermögenswerte annimmt, aufbewahrt, anlegen oder übertragen hilft und es unterlässt, mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt die Identität des wirtschaftlich Berechtigten festzustellen, wird mit Gefängnis bis zu einem Jahr, mit Haft oder Buße bestraft.

  1. 2 Die von Absatz 1 erfassten Personen sind berechtigt, den inländischen Strafverfol­gungs­be­hörden und den vom Gesetz bezeichneten Bundesbehörden Wahrnehmungen zu melden, die darauf schließen lassen, dass Vermögenswerte aus einem Verbrechen herrühren. (Ein­ge­fügt durch Ziff. I des BG vom 18. März 1994, in Kraft seit 1. Aug. 1994 (AS 1994 1614 1618; BBl 1993 III 277).

12Günther Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, BT II, 1995, 4. Aufl., § 54 N 25.

13BGE 119 IV 59, vgl. dazu Stratenwerth, a.a.O., N30.

14So das Bundesgericht in Pra 1995 Nr. 212.

15So die herrschende Meinung: Ackermann, Arzt, Bernasconi, de Capitani, Schmid.

16Vgl. BGE 116 IV 319, 335; 117 IV 159, 119 IV 129.

17MROS. Meldestelle für Geldwäscherei, Bundesamt für Polizeiwesen: 1. Rechenschaftsbe­richt, 1998/1999, Bern 1999; MROS. Meldestelle für Geldwäscherei, Bundesamt für Polizei­wesen: 2. Rechenschaftsbericht, 1999/2000, Bern 2000. MROS steht für Money Laundering Reporting Office Switzerland.

18Die Umfrage wurde von Journalisten durchgeführt, vgl. Mark Pieth und Josef Estermann: Money laundring and asset confiscation in Europe, Länderbericht Schweiz 1999/2000 im Rah­men der MPI-Untersuchung zur Geldwäsche und Gewinnabschöpfung, Basel 2000. Mark Pieth und Jo­sef Estermann: Länderbericht Schweiz, in Michael Kilchling (Hg.): Die Praxis der Gewinnab­schöpfung in Europa, Kriminologische Forschungsberichte, Max-Planck-Institut für ausländi­sches und internationales Strafrecht, Freiburg 2002, S. 371-390.

19 Mark Pieth und Josef Estermann, a.a.O., S. 387.

20Bundesgesetz vom 21. Juni 1991, in Kraft seit 1. Oktober 1992, AS 1992 1670 1678; BBl 1985 II 1009.

21An die Stelle der früher strafbaren Zuhälterei trat der neue Art. 195 StGB. Dieser Artikel (Margi­nale: Förderung der Prostitution) macht nicht die Prostitution an sich strafbar. Er schützt unmündige Personen und Personen, die der Prostitution zugeführt werden, sowie die Handlungsfreiheit der Prostituierten. Er hat folgenden Wortlaut:

Wer eine unmündige Person der Prostitution zuführt,

wer eine Person unter Ausnützung ihrer Abhängigkeit oder eines Vermögensvorteils wegen der Prostitution zuführt,

wer die Handlungsfreiheit einer Person, die Prostitution betreibt, dadurch beeinträchtigt, dass er sie bei dieser Tätigkeit überwacht oder Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prosti­tution bestimmt,

wer eine Person in der Prostitution festhält,

wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

22Art. 196 StGB hat folgenden Wortlaut:

1 Wer mit Menschen Handel treibt, um der Unzucht eines anderen Vorschub zu leisten, wird mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft.

2 Wer Anstalten zum Menschenhandel trifft, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

3 In jedem Fall ist auch auf Buße zu erkennen.

23ANAG: Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) vom 26. März 1931, Stand am 5. Oktober 1999, SR 142.20.

24BVO: Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO) vom 6. Oktober 1986, Stand am 8. Dezember 1998, SR 823.21, AS 1986 1791.

25Den ersten Kreis bilden die EU- und EFTA-Länder, die erste Priorität für die Rekrutierung von Arbeitskräften genießen. Zum zweiten Kreis gehören u.a. die USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Japan. Aus diesen Gebieten findet eine begrenzte Rekrutierung statt. Zum dritten Kreis gehören nebst Asien, Afrika und Lateinamerika u.a. auch Mittel- und Osteuropa. Aus diesen Ländern werden nur Spezialistinnen und Spezialisten akzeptiert.

26Nach dem Zwei-Kreise-Modell sollen aus Nicht-EU/EFTA-Ländern nur noch qualifizierte Ar­beitskräfte in besonderen Fällen zugelassen werden.

27Im Entwurf zur Revision des Ausländergesetzes fällt die Gruppe der Cabarettänzerinnen expli­zit nicht unter die neuen Bestimmungen, das heißt, dass es die einzige zivilstandsunab­hängige Bewilligung zur Erwerbstätigkeit für nichtqualifizierte neu­einreisende Frauen aus den Oststaaten nach neuem Recht nicht mehr geben soll. Vgl. Susanne Bertschi, in R. Zschokke und M. Eser: Frauenhandel mit Osteuropa, Forschungsbericht zu Handen des Schweizerischen Nationalfonds (NFP 40), Bern 2001 und H. Heller: Schwarzarbeit. Das Recht der Illegalen unter besonderer Berücksich­tigung der Prostitution, Diss. Zürich, 1998.

28Datenquelle: Bundesamt für Polizeiwesen, Kriminalpolizeiliche Zentralstellen: Szene Schweiz. Lagebericht Nr. 2/98, Bern o.J., S. 33.

29Kantonspolizei Zürich: KRISTA. Kriminalstatistik des Kt. Zürich 1997, Zürich 1998, S. 68.

30Datenquelle: Bundesamt für Polizeiwesen, Kriminalpolizeiliche Zentralstellen: Szene Schweiz. Lagebericht 1999, Bern, o.J., S. 59.

31BAP: Szene Schweiz, Lagebericht 1999, a.a.O., S. 54.

32KRISTA. Kriminalstatistik des Kantons Zürich, herausgegeben von der Kantonspolizei Zürich, Jahrgänge 1990 bis 1999, Zürich, 1991-2000.

33Die Daten der Sonderauszählung und der publizierten KRISTA bezüglich Art. 195 und 196 StGB sind nicht vollumfänglich konsistent. Eine Klärung steht aus. Vgl. KRISTA 1999, S. 68 und S. 72, Textteil gegenüber S. 10, S. 41 und S. 57 Tabellenteil, insbesondere die Ver­gleichs­angaben für das Jahr 1998. Eine mögliche Erklärung liegt im Auseinanderfallen des Er­fassungs- und des Aufklärungszeitpunktes.

34Dabei ist zu beachten, dass Urteile unter Umständen erst einige Zeit nach der Ermittlung der Tatverdächtigen rechtskräftig werden.

35Schweizerische Strafurteilsstatistik, Bundesamt für Statistik, Bern, Sonderauszählungen, Stand der Datenbank: 01.01.2002.

36Dem Hauptangeklagten DA konnte kürzlich der Prozess gemacht werden, wobei die meisten Straftaten weiter als fünf Jahre zurückliegen und somit verjährt sind. Die Anklagebehörde hatte das Verfahren „verschlampt“. Dem „brutalen Zuhälter, wie er im Verbrecheralbum be­schrieben ist“, so eine Zürcher Tageszeitung vom 1.2.2001 und durch Zuhälterei und Frauen­handel reich gewordenen Mann droht deshalb nur eine milde Strafe. Eine Verurteilung nur wegen Förderung der Prostitution ergeht im April 2001, die Freiheitsstrafe war bereits durch die Untersuchungshaft erstanden.

37Jakob Juchler, in: Zschokke und Eser, a.a.O.: Zum Kontext der postsozialistischen Län­der.

38Art. 156 (Erpressung)

1. Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile zu einem Verhalten bestimmt, wodurch die­ser sich selber oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.

2. Handelt der Täter gewerbsmäßig oder erpresst er die gleiche Person fortgesetzt, so wird er mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft.

3. Wendet der Täter gegen eine Person Gewalt an oder bedroht er sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben, so richtet sich die Strafe nach Artikel 140.

4. Droht der Täter mit einer Gefahr für Leib und Leben vieler Menschen oder mit schwerer Schädigung von Sachen, an denen ein hohes öffentliches Interesse besteht, so wird er mit Zuchthaus bestraft.

39Adi Achermann, Kantonales Untersuchungsrichteramt Luzern: Bericht über die Umfrage im Gastgewerbe zum Thema Schutzgelderpressung im Kanton Luzern, Luzern, Oktober 1999.

40Eidg. Justiz- und Polizeidepartement: Staatsschutzbericht 2000, Bern, Juni 2001, S. 113f.

41Eidg. Justiz- und Polizeidepartement: Staatsschutzbericht 2000, Bern, Juni 2001, S. 113f.

42Vgl. Josef Estermann: Die Kosten der Drogenrepression. Consommation et trafic de drogues: les coûts de la repression, hg. vom Bundesamt für Statistik, Bern 1995, S. 12. Geschätzter He­roin-Jahresverbrauch in der Schweiz: ca. 11’000 kg, im Jahre 2000 durch die Polizei be­schlagnahmt: 372 kg.

43„Zwar wurden im Jahr 2000 keine größeren Fälle internationaler organisierter Kriminalität (OK) neu aufgedeckt“, Staatsschutzbericht 2000, a.a.O., S. 113. Getreu der Devise: Ich sehe nichts, weiß aber, dass es existiert. ProLitteris

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