Rechtliche Betreuung Fuchs/Estermann

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Josef Estermann und Walter Fuchs

Zu Häufigkeit und Determinanten rechtlicher Betreuung – Eine vergleichende Analyse von Daten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz

Zusammenfassung:

Die rechtliche Betreuung psychisch erkrankter oder kognitiv behinderter Menschen war in den letzten Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz Gegenstand umfassender Revisionen, welche die damit verbundenen Diskriminierungen lindern und die Autonomie der betroffenen Personen stärken sollen. Gleichzeitig stieg in allen drei Ländern die Zahl der rechtlichen Betreuungen stark an. Wir untersuchen die Gründe für diese Entwicklung und quantifizieren für einen transnationalen Querschnittsdatensatz, in dem wir österreichische und schweizerische Statistiken vereinigt haben, mittels multivariater Regressionsmodelle den Einfluss sozioökonomischer und demographischer Faktoren. Obwohl die Mobilisierung des Betreuungsrechts bis zu einem gewissen Grad auf solche Faktoren zurückführbar ist, lässt sich die große und kleinräumig verortete Variabilität der Daten nur durch massive lokale und regionale Unterschiede in der Rechtskultur erklären.

The legal institution formerly known as ‚Vormundschaft‘: zur erstaunlichen Karriere des „bürgerlichen Todes“ im spätmodernen Wohlfahrtsstaat

Institute, mit denen die Teilnahme geistig oder seelisch beeinträchtigter Erwachsener am Rechtsverkehr geregelt wird, sind wahrscheinlich beinahe so alt wie das Recht selbst. In frühen Entwicklungsstadien können sie schwer von faktischen Herrschafts- und Schutzverhältnissen im Rahmen des Hausverbandes oder der Sippe unterschieden werden. Ihr Zweck liegt zunächst hauptsächlich darin, das Vermögen der Großfamilie zu sichern: Bei der Vormundschaft handelt es sich – darauf hat Eugen Ehrlich in seiner Schrift „Die Rechtsfähigkeit“ (1909: 46) hingewiesen – in ihren Anfängen nicht bloß um eine Einschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit im (vermeintlichen oder tatsächlichen) Interesse „schwacher“ Menschen, sondern um ein eigennütziges Recht des Vormunds, das diesem eine Gewalt über Person und Vermögen des Mündels einräumt. Im Laufe der weiteren Rechtsentwicklung wird daraus eine stärker öffentliche Einrichtung, sodass die Pflegschaft für Volljährige mitunter auch als ein Instrument der formellen sozialen Kontrolle dienen kann (vgl. Fuchs 2013: 105 ff; Ließfeld 2012: 37 ff). Bis in die Gegenwart hinein funktionieren Rechtsschutzmaßnahmen für psychisch kranke oder kognitiv behinderte Menschen, denen nicht zugetraut wird, ihre Angelegenheiten selbst besorgen zu können, meist über Konstruktionen gesetzlicher Vertretung. Als Ermächtigungen, die es bestimmten Personen ermöglichen, für andere verbindlich zu handeln, oszillieren sie in der Praxis stets zwischen Rechtsverwirklichung und rechtlich sanktionierter Entrechtung, zwischen Unterstützung zur Selbstbestimmung und Fremdbestimmung – in dieser Hinsicht unterscheidet sich beispielsweise die gegenwärtige deutsche rechtliche Betreuung[1] nicht wesentlich von den römischrechtlichen Vorgängerkonzepten der cura und tutela. Der Aspekt der Rechtsbeschränkung wird immer wieder skandalisiert, aktuell etwa in kritischen Diskursen im Zusammenhang mit der UN-Behindertenrechtskonvention: Dieses Vertragswerk markiert einen grundlegenden Paradigmenwechsel, indem es rechtliche Handlungsfähigkeit normativ als vorbehaltlos zu gewährendes Menschenrecht ausgestaltet und Maßnahmen der „unterstützten Entscheidungsfindung“ gegenüber Stellvertreterlösungen bevorzugt, die einer pointierten Auslegung zufolge überhaupt unzulässig sein sollen (vgl. Dhanda 2007; Devi et al. 2011).

Einen notorisch schlechten Ruf genießen Institute dauerhafter rechtlicher Stellvertretung indessen spätestens seit dem 19. Jahrhundert, als die Vormundschaft für Erwachsene in den großen aufklärerischen Kodifikationen – ausgehend von vernunftrechtlichen Vorstellungen von Geschäftsfähigkeit – an ärztliche Begutachtungen und rechtsgestaltende Entmündigungsakte geknüpft wurde. In diesen Verfahren, die durchaus als Statusdegradierungszeremonien funktionieren konnten, sollte einerseits das bürgerlich-autonome Rechtssubjekt vor Willkür geschützt werden; andererseits wurde mit ihnen aus ganz unterschiedlichen Interessenlagen heraus eine die Betroffenen stigmatisierende „Ausgrenzung der Unvernunft“ organisiert.[2] Bezeichnenderweise war denn auch für die Entmündigung volkstümlich die (rechtsgeschichtlich gesehen eigentlich anachronistische) Bezeichnung „bürgerlicher Tod“ verbreitet (vgl. Crefeld 2006; Holzhauer 1988; Weinriefer 1987).[3]

In einigen Ländern werden die alten Rechtsfürsorgemaßnahmen ab den 1970er Jahren im Zuge sozialliberaler Psychiatrie- und Justizreformen zu wohlfahrtsstaatlichen Betreuungsverhältnissen umgestaltet, die erst bei Abwesenheit weniger eingriffsintensiver Hilfen zum Einsatz kommen sollen. Ihr Umfang hat sich nun nach dem konkreten Unterstützungsbedarf der Betroffenen zu richten, die zumindest in beschränktem Ausmaß juristisch entscheidungsfähig bleiben und in schwierigeren Konstellationen von öffentlich finanziertem professionell-sozialarbeiterischem Personal begleitet werden. Die Wünsche der betreuten Menschen sind nun ausdrücklich zu berücksichtigen. Nicht zuletzt drückt sich die Abkehr von der alten Entmündigung auch in einer neuen Terminologie aus (vgl. Blankman 1997; Doron 2002; Fuchs 2013: 109 ff). Wenig später beginnt indessen eine so unvorhergesehene wie erstaunliche rechtstatsächliche Entwicklung der Erwachsenenvormundschaft und ihrer reformierten Nachfolgeinstitute: In vielen Staaten steigt die Zahl der Vertretenen schnell und stark an. In Deutschland werden im Jahr 2010 bereits 1,3 Millionen Menschen rechtlich betreut, was 1,6 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Das sind doppelt so viele Betreute wie noch 1995 und viermal so viele wie im Jahr 1980 im alten Bundesgebiet unter Vormundschaft oder Pflegschaft standen. Deutliche Zuwächse an Vertretungsverhältnissen für psychisch oder kognitiv eingeschränkte Menschen lassen sich – zwar auf unterschiedlichem Niveau – auch in Österreich, der Schweiz und in Frankreich beobachten (vgl. Genevois-Malherbe 2012 sowie die sogleich vorgestellten Befunde). Dänemark, Spanien und die Tschechische Republik verzeichnen beim Neuanfall an rechtlichen Betreuungsverhältnissen im Zeitraum zwischen 2003 und 2008 Zuwachsraten um 50 Prozent (Engels et al. 2009; vgl. Ganner 2012).

Befindet sich in Deutschland gegenwärtig annähernd jede fünfzigste erwachsene Person in der Situation, dass ihre Teilnahme am Rechtsverkehr im Wesentlichen durch gerichtlich zugeteilte Vertreter wahrgenommen wird, so ist das durchschnittliche Risiko, während des eigenen Lebens rechtlich betreut zu werden, sogar noch deutlich höher: Crefeld (2008) kommt auf der Basis von Inzidenzdaten aus dem Jahr 2007 zum Schluss, dass „mehr als jeder vierte Bewohner irgendwann im Laufe seines Lebens eine rechtliche Betreuung erhält“. Angesichts der enormen quantitativen Bedeutung der Vertretungsverhältnisse, von denen weite Teile der Bevölkerung potenziell betroffen sind, ist es bemerkenswert, wie wenig Aufmerksamkeit diese in der theoretischen und empirischen Sozialwissenschaft bisher erfahren haben – etwa im Gegensatz zu strafrechtlich relevanten Phänomenen, denen sich eine ganze eigene Disziplin namens Kriminologie widmet. Insbesondere erscheint die Frage nach den Bedingungsfaktoren der historisch beispiellos umfangreichen Mobilisierung von Rechtsfürsorge soziologisch noch nicht zufriedenstellend geklärt (vgl. Fuchs 2013: 114 ff). In diesem Aufsatz möchten wir anhand ländervergleichender Daten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz Determinanten der Nachfrage nach rechtlicher Betreuung in den Blick nehmen. Insbesondere werden wir unter Verwendung eines Datensatzes, in dem wir österreichische und schweizerische Statistiken vereint haben, mittels multivariater Modelle danach fragen, ob die national und regional relativ stark auseinanderklaffende Inanspruchnahme der Vertretungsinstitute mit strukturellen – demographischen und sozioökonomischen – Disparitäten einhergeht oder eher als Ausdruck unterschiedlicher rechtskultureller Praktiken zu verstehen ist.

Warum steigt die Zahl rechtlicher Betreuungsverhältnisse?

Einen ersten Hinweis auf Dynamik und Verlauf der Nachfrage nach Rechtsfürsorge können ländervergleichende Zeitreihen geben. Abbildung 1 zeigt den Bestand an Vertretungsverhältnissen in Deutschland, Österreich und der Schweiz von 1975 bis 2012.

 Abbildung 1:  Zu Jahresende bestehende Vertretungsverhältnisse pro 1.000 der Wohnbevölkerung in Deutschland, der Schweiz und Österreich (1975 bis 2012). Deutschland: bis 1991 Vormundschaften und Pflegschaften, ab 1992 rechtliche Betreuungen, ab 1995 inklusive neue Bundesländer; Datengrundlagen: Zenz et al. (1987), Bundestag (1986, 1989, 1997), Deutsches Institut für Urbanistik (1988), Deinert (2007, 2012, 2014), Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen. Österreich: 1980 beschränkt und voll Entmündigte, ab 1984 ständige und einstweilige Sachwalterschaften; Datengrundlagen: Nationalrat (1981), Forster et al. (1989), Barta (2004), Pilgram et al. (2009), Fuchs & Hammerschick (2013), Bundesrechenzentrum, Statistik Austria, eigene Berechnungen. Schweiz: Beistandschaften, Beiratschaften und Vormundschaften; Datengrundlagen: Meier (1992), KOKES, Konferenz der Kantone für Kindes- und Erwachsenenschutz (1996ff), Estermann (2013, 2014a), Bundesamt für Statistik, eigene Berechnungen.

Abbildung 1:

Zu Jahresende bestehende Vertretungsverhältnisse pro 1.000 der Wohnbevölkerung in Deutschland, der Schweiz und Österreich (1975 bis 2012). Deutschland: bis 1991 Vormundschaften und Pflegschaften, ab 1992 rechtliche Betreuungen, ab 1995 inklusive neue Bundesländer; Datengrundlagen: Zenz et al. (1987), Bundestag (1986, 1989, 1997), Deutsches Institut für Urbanistik (1988), Deinert (2007, 2012, 2014), Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen. Österreich: 1980 beschränkt und voll Entmündigte, ab 1984 ständige und einstweilige Sachwalterschaften; Datengrundlagen: Nationalrat (1981), Forster et al. (1989), Barta (2004), Pilgram et al. (2009), Fuchs & Hammerschick (2013), Bundesrechenzentrum, Statistik Austria, eigene Berechnungen. Schweiz: Beistandschaften, Beiratschaften und Vormundschaften; Datengrundlagen: Meier (1992), KOKES, Konferenz der Kantone für Kindes- und Erwachsenenschutz (1996ff), Estermann (2013, 2014a), Bundesamt für Statistik, eigene Berechnungen.

Die Datenlage ist leider nicht so gut, dass ununterbrochene und konsistent erstellte Zeitreihenangaben vollständig zur Verfügung stehen würden. Die vorhandenen Lücken können durch in der Literatur auffindbare Schätzungen und punktuell erhobene Bestandsaufnahmen ergänzt werden. Bei aller angebrachten Vorsicht gegenüber prozessproduzierten amtlichen Daten im Allgemeinen und mitunter nicht gänzlich kompatiblen Zählverfahren im Besonderen ist es auf diese Weise immerhin möglich, den Verlauf der Kurven näherungsweise zu bestimmen und zu vergleichen.

Zunächst interessiert uns der unübersehbare gemeinsame Trend: Spätestens seit den 1990er Jahren nimmt der Bestand an rechtlichen Betreuungsinstituten überall deutlich zu. Die Vermutung liegt nahe, dass darin Prozesse sozialen Wandels zum Ausdruck kommen, die sich nicht auf einzelne Nationen beschränken. In der einschlägigen Literatur ist der Zuwachs an Vertretungsverhältnissen immer wieder vorrangig auf die Alterung der Gesellschaft und die damit einhergehende stärkere Verbreitung von Demenzerkrankungen[4] zurückgeführt oder zumindest in diesem Kontext beschrieben worden (vgl. Köller & Engels 2011: 6; Hammerschick & Pilgram 2005). Die Annahme einer primär demographisch bedingten Mobilisierung des Betreuungsrechts in zeitlicher Hinsicht ist unmittelbar einleuchtend, da sich altersbedingte geistige Einschränkungen zum wichtigsten Anlass einer Rechtsfürsorgemaßnahme auf individueller Ebene entwickelt haben (vgl. Fuchs 2014: 19). Näher besehen hält sich ihr Erklärungswert jedoch in Grenzen: Während sich in Deutschland und Österreich die Zahl der rechtlichen Betreuungen seit Mitte der 1990er Jahre in etwa verdoppelt hat, ist der Anteil an hochaltrigen Menschen an den jeweiligen Bevölkerungen nur um weniger als ein Drittel angestiegen. In der Schweiz fällt die Zunahme an Erwachsenenschutzmaßnahmen zwar schwächer aus, übertrifft aber immer noch deutlich die Steigerungsrate der dortigen Betagtenpopulation (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Anteile der Bevölkerung über 80 Jahre und Vertretungsverhältnisse in Deutschland, Österreich und der Schweiz (1996 und 2011)

DeutschlandÖsterreichSchweiz
Anteil Bevölkerung 80+ (1996)4,0 %3,8 %4,0 %
Anteil Bevölkerung 80+ (2011)5,3 %4,9 %4,7 %
Wachstum Bevölkerung 80+ (1996-2011)+ 30,8 %+ 28,1 %+ 19,5 %
Vertretungsverhältnisse / 1.000 Einwohner (1996)8,43,77,8
Vertretungsverhältnisse / 1.000 Einwohner (2011)16,17,810,3
Wachstum Vertretungsverhältnisse (1996-2011)+ 91,7 %+ 110,8 %+ 32,1 %
Datengrundlagen: siehe Abbildung 1, Eurostat, eigene Berechnungen; Wert für Österreich 1996: als Mittelwert der Jahre 1995 und 1997 geschätzt.

Ähnliche Einwände lassen sich gegen die bisweilen geäußerte Vermutung erheben, der Zuwachs an Vertretungsmaßnahmen sei die Folge einer gestiegenen Verbreitung psychischer Krankheiten (vgl. Köller & Engels 2011: 6). Auch wenn entsprechende Leistungen des Gesundheitssystems tendenziell stärker nachgefragt werden, sprechen rezente epidemiologische Befunde gegen die Annahme einer dramatischen Zunahme psychischer Störungen (vgl. Jacobi & Kessler-Scheil 2013; Wittchen et al. 2011).

Eine rechtssoziologisch tragfähige Erklärung wird jenseits demographisch-epidemiologischer Automatismen also noch andere Faktoren berücksichtigen müssen. Einen aktuellen Beitrag in diese Richtung hat Reiner Adler (2011) vorgelegt, der die Entwicklung des deutschen Betreuungswesens als soziale Tatsache im Sinne Durkheims (1894) in den Blick nimmt und im Rahmen von Peter Grossens soziologischer Zeitdiagnose der „Multioptionsgesellschaft“ (Gross 1994) deutet. Diese zeichne sich durch einen dynamischen Prozess der Steigerung von Handlungsmöglichkeiten Einzelner bei gleichzeitigem Freimachen von traditionellen Bindungen aus. Auf diese Weise werden Gross zufolge vormalige Obligationen zunehmend in wählbare Optionen transformiert, die dann oft aber auch den Charakter von zu bewältigenden Aufgaben annehmen. So kommt es zu einer sozialen Kontingenzerhöhung, die einerseits Teilhabeversprechen eröffnet, andererseits von den Gesellschaftsmitgliedern, die immer weniger auf vorgefertigte Lebensentwürfe und transzendentale Relativierungen zurückgreifen können oder wollen, als ständig anwesender, mitunter überfordernder Entscheidungs- und Verwirklichungsdruck erlebt wird. Vor diesem theoretischen Hintergrund lässt sich der Boom der Vertretungsinstitute als Konsequenz von Individualisierung begreifen, die gesellschaftlichen Betreuungsbedarf erzeugt und gleichzeitig informell-familiäre Unterstützung weniger wahrscheinlich macht. Dabei ist die entstigmatisierte rechtliche Betreuung nicht nur ein wohlfahrtsstaatliches Instrument, um negative Folgen der Optionenvervielfältigung abzufedern, sondern schafft auch selbst neue Optionen – für die betreuten Menschen genauso wie für die professionelle Betreuungsbranche. Diese Interpretationsfolie Adlers kann als plausibel und in ihrem Bemühen um Theoretisierung auch als durchaus verdienstvoll angesehen werden. Die Bezugnahme auf eine feuilletonistisch-pauschale Bindestrichgesellschaftsdiagnose hat allerdings den Nachteil, dass die Argumentation an einigen Stellen ziemlich „impressionistisch“ anmutet und zentrale Prämissen kaum methodisch überprüfbar erscheinen. Gut im Einklang mit individualisierungstheoretischen Annahmen stehen immerhin Befunde, die den Anstieg der rechtlichen Betreuungen empirisch mit der Zunahme an Einpersonenhaushalten in Verbindung bringen (vgl. Engels & Köller 2009: 111). Auf dieser Ebene lässt sich jedoch auch hier wiederum entgegnen, dass die Dynamik dieses Prozesses weit hinter der Wachstumsgeschwindigkeit der Vertretungsverhältnisse zurückbleibt.

Alle bisher skizzierten Erklärungsversuche gehen implizit davon aus, dass sich bestimmte soziale Veränderungen direkt in die Nachfrage nach rechtlicher Betreuung übersetzen. Wenn man das Recht im Anschluss an system- oder praxistheoretische Überlegungen als gesellschaftliche Sphäre begreift, der eine mehr oder weniger starke Eigenlogik zukommt (vgl. nur Bourdieu 1986; Luhmann 1993; Teubner 1989), so ist ein solcher Mechanismus keineswegs selbstverständlich. In den Blick geraten dann vielmehr rechtliche Entwicklungen selbst: Schließlich werden Betreuungen im Rechtssystem zur Lösung rechtlicher Probleme eingerichtet. Nur rechtlich relevante Handlungen setzen rechtlich kompetente Subjekte voraus. Insofern ist es auch sozialtheoretisch folgerichtig, wenn als eine der Ursachen für den Betreuungsboom die zunehmende Verrechtlichung der Gesellschaft genannt wird (vgl. During 2001: 105 f; Engels & Köller 2009: 109; Hammerschick & Pilgram 2005: 30 f). Ein für die Betreuungspraxis überaus relevanter Aspekt von Verrechtlichung ist der Bereich wohlfahrtsstaatlicher Leistungserbringung. Die Nachfrage nach Stellvertreterfiguren scheint hier – vor allem in Deutschland – durch zwei aufeinander treffende unbeabsichtigte Effekte der Rechtsentwicklung ganz besonders befeuert zu werden: Der administrative Vollzug des Gewährens sozialrechtlicher Ansprüche schafft komplexe Eigenrealitäten, die viele Beteiligte schnell überfordern. Die im kontinentalen Wohlfahrtsmodell dominierenden monetären Leistungen (vgl. Bambra 2005) müssen zudem nicht nur beantragt, sondern auch zweckentsprechend verwaltet werden. Ein hoher Bedarf an Rechtsfürsorge könnte demnach eine Begleiterscheinung jenes Prozesses sein, den Jürgen Habermas (1981: 525 ff) als „sozialstaatlichen Verrechtlichungsschub“ beschrieben hat. Die damit einhergehenden bürokratischen Hürden werden durch zunehmenden Budgetdruck und den Systemumbau hin zu einem „aktivierenden“ Sozialstaat noch verstärkt. In dieser Situation vermag nun das Betreuungsrecht nicht nur advokatorisch, sondern auch kompensatorisch zu wirken: Indem es mit seinem Grundsatz der Personensorge über die traditionellen Vermögenssicherungszwecke des alten Vormundschaftsrechts weit hinausgeht, kann es als Lückenbüßer für fehlende sonstige soziale Hilfen dienen (vgl. Rosenow 2007). Da rechtliche Stellvertretung und soziale Betreuung in der Praxis nicht trennscharf voneinander abzugrenzen sind, gleicht ihr Verhältnis einem „institutionellen Verschiebebahnhof“ (Ackermann et al. 2004: 204).

Entwicklungspfade und Varianzen des Rechts und seiner Anwendung: Österreich, Deutschland und Schweiz – Hypothesenbildung

Der soeben dargelegte allgemeine Trend darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Nachfrage nach rechtlichen Betreuungsverhältnissen länderspezifisch sehr unterschiedliche Niveaus und Wachstumsgeschwindigkeiten aufweist. Für ein besseres Verständnis der in Abbildung 1 gezeigten Verläufe ist es daher unerlässlich, die Situation in den jeweiligen Rechtsordnungen näher zu beschreiben.

Österreich: Von der kaiserlichen Entmündigungsordnung zum ausdifferenzierten Sachwalterrecht

Österreich war das erste der hier verglichenen Länder, das sein altes Vormundschaftsrecht grundlegend umgestaltet hat. 1984 trat ein – als letzter Baustein der großen sozialdemokratischen Justizreformen beschlossenes – Gesetz in Kraft, mit dem die bis dato rudimentären Bestimmungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und die noch während des Ersten Weltkrieges als kaiserliche Notverordnung erlassene Entmündigungsordnung durch das neu geschaffene Rechtsinstitut der Sachwalterschaft abgelöst wurden. Ließ die alte Rechtslage bloß die Wahl zwischen einer beschränkten oder vollen Entmündigung, so soll ein Sachwalter nur mehr im Hinblick auf jene Angelegenheiten bestellt werden, die der behinderte oder kranke Mensch aufgrund seiner Einschränkungen nicht alleine oder mit Hilfe sonstiger Unterstützungen zu besorgen vermag. In allen anderen Bereichen kann die vertretene Person gültige Rechtshandlungen vornehmen. Der zur Begutachtung versandte Ministerialentwurf hatte noch vorgesehen, an die Bestellung eines Sachwalters überhaupt keine unmittelbare Beschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit mehr zu knüpfen; deren Umfang sollte vielmehr für jeden Einzelfall vom Gericht genau festgelegt werden. Aufgrund von Bedenken, dies werde zu großer Rechtsunsicherheit führen, wurde dieser Vorschlag jedoch fallengelassen – obwohl Interessen Dritter ausdrücklich keine Rolle mehr spielen sollten (vgl. Nationalrat 1981).

Anspruchsvollere Fälle werden nunmehr, soweit keine geeigneten Angehörigen zur Verfügung stehen, von professionellem Personal der staatlich finanzierten Sachwaltervereine wahrgenommen. Auch Rechtsanwälte können Sachwalterschaften übernehmen, wenn für die Vertretung vorwiegend Rechtskenntnisse erforderlich sind. In prozessualer Hinsicht wurde die Materie im Bereich des nicht-streitigen Zivilverfahrensrechts geregelt. Es war ein erklärtes Ziel der Reform, sich vom veralteten und abwertenden Krankheitsvokabular des überkommenen Vormundschaftsrechts abzusetzen. Zudem sollte – mithilfe des gesetzlich verankerten Grundsatzes der Subsidiarität einer formellen Rechtsfürsorgemaßnahme – die Zahl der Vertretungsverhältnisse zurückgedrängt werden. Wichtige weitere Stationen der Rechtsentwicklung waren Neuregelungen der Voraussetzungen von Unterbringungen in psychiatrischen Anstalten (Unterbringungsgesetz, 1991 in Kraft getreten) sowie von Freiheitsbeschränkungen in Alten-, Pflege- und Behindertenheimen (Heimaufenthaltsgesetz, 2005 in Kraft getreten). Mit den beiden letzten Normen wurden kollektive Rechtsvertretungen (Patientenanwaltschaft und Heimbewohnervertretung) etabliert.

 Abbildung 2:  Sachwalterschaften pro 1.000 der Wohnbevölkerung in Österreich (Mittel 2008 bis 2010), nach NUTS 3-RegionenNUTS 3-Regionen siehe Fn 12.
 (N=35). Datengrundlagen: Bundesrechenzentrum, Statistik Austria, eigene Berechnungen

Abbildung 2:

Sachwalterschaften pro 1.000 der Wohnbevölkerung in Österreich (Mittel 2008 bis 2010), nach NUTS 3-Regionen[5] (N=35). Datengrundlagen: Bundesrechenzentrum, Statistik Austria, eigene Berechnungen

Die Sachwalterrechtspraxis hat die gesetzgeberischen Intentionen vielfach konterkariert. Abgesehen davon, dass die Zahl der Betreuungen gegenüber den früher ausgesprochenen Entmündigungen nicht gesunken, sondern stark gestiegen ist, hat sich die als Ausnahme gedachte Sachwalterschaft „für alle Angelegenheiten“ zur Regel entwickelt. Durch das Anwachsen der Fallzahlen konnte die Menge der professionell-sozialarbeiterischen Sachwalterschaften mit dem (seitens der Richterschaft wahrgenommenen) Bedarf nicht schritthalten (vgl. Pilgram et al. 2009). Besonders niedrig ist ihr Anteil in Wien, wo vielfach Rechtsanwälte zu Sachwaltern bestellt werden. Über diesen Praxisbereich gibt es die meisten Beschwerden wegen Missbrauch oder Vernachlässigung; in den Medien werden immer wieder Fälle von Kanzleien berichtet, die mehrere hundert Sachwalterschaften führen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Entwicklungen wurde 2008 die erste große Gesetzesnovelle verabschiedet. Durch das Einführen alternativer, auf private Initiative setzender Rechtsinstitute (Vorsorgevollmacht, Vertretungsbefugnis nächster Angehöriger) sollte die Anzahl der Neubestellungen reduziert werden. Diesem Ziel dient auch das von den Sachwaltervereinen durchgeführte „Clearing“ (eine Art „Diversion“), mit dem bereits vor einer Bestellung gezielt nach möglichen informellen Lösungen gesucht wird. Gleichzeitig wurde versucht, das Selbstbestimmungsrecht der vertretenen Personen zu stärken. Gegenwärtig wird freilich erneut Reformbedarf wahrgenommen: Insbesondere der immer noch mit Sachwalterschaften verbundene automatische Entzug der Geschäftsfähigkeit ist mit der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vereinbar; Maßnahmen der „unterstützten Entscheidungsfindung“ wurden bereits mit vielversprechenden Ergebnissen in Modellprojekten erprobt (Hammerschick & Mayrhofer 2015). Das Justizministerium hat wenige Tage vor Drucklegung dieses Beitrags (Mitte Juli 2016) den entsprechenden Entwurf zu einer grundlegenden Gesetzesänderung vorgelegt, mit der die Sachwalterschaft in “Erwachsenenvertretung” umbenannt werden soll.

Auch wenn die Fallzahlen in Österreich bis 2012 weiterhin stark gestiegen sind, dürfte die Reform des Jahres 2008 dazu beigetragen haben, die Inzidenz neuer Vertretungen deutlich zu bremsen (vgl. Fuchs & Hammerschick 2013; Kreissl et al. 2009). Die rechtstatsächliche Verteilung der Sachwalterschaften im Bundesgebiet zeigt die verblüffende Gestalt eines „Ost-West-Gefälles“ (siehe Abbildung 2), das weder auf demographische noch auf Stadt-Land-Disparitäten zur Gänze zurückgeführt werden kann. Der bevölkerungsrelative Gesamtbestand an Vertretungsverhältnissen folgt im Wesentlichen der Rate an Neubestellungen, die wiederum stark mit der Zahl an Verfahrensanregungen in einem Gerichtsbezirk zusammenhängt. Die Annahme liegt nahe, dass in diesen Anwendungsmustern regional unterschiedliche Praktiken zum Ausdruck kommen, die sich als „externe Rechtskulturen“ (vgl. Friedman 1975: 223) oder auch als „lebendes Recht“ (vgl. Ehrlich 1913) der Institutionen und Personen aus der Umwelt des Justizsystems, die das Sachwalterrecht mobilisieren oder eben auch nicht mobilisieren, verstehen lassen (Fuchs 2010; 2013a).[6]

Deutschland: Vom Vormundschafts- zum Betreuungsrecht

Wesentliche Impulse zur Erneuerung des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts gingen in Deutschland bereits von der 1971 eingesetzten „Psychiatrie-Enquete“ des Bundestages aus, deren Sachverständigenkommission eine Gesamtreform der Materie und den Ersatz der Entmündigung durch das Feststellen von „Betreuungsbedürftigkeit“ empfahl (Bundestag 1975). Bis ein neues Recht dann in Kraft treten konnte, sollte es noch weit über ein Jahrzehnt dauern. Schließlich wurde 1992 mit dem Institut der „Betreuung“ eines der bis heute fortschrittlichsten rechtlichen Unterstützungsinstrumente für psychisch kranke und kognitiv behinderte Menschen geschaffen. Seine dogmatische Leitidee ist das Ausrichten der gesetzlichen Vertretung am grundgesetzlich garantierten Selbstbestimmungsrecht (vgl. Lipp 2000). An die Stelle von Entrechtung sollte partnerschaftliche Hilfe treten. Ein wichtiger Referenzpunkt des Gesetzgebers war das österreichische Sachwalterrecht. Anders als in diesem führt eine Betreuung jedoch nicht mehr zum konstitutiven Entzug der rechtlichen Handlungsfähigkeit. Wenn das Gericht nicht einen „Einwilligungsvorbehalt“ anordnet, so bleibt die vertretene Person vollkommen geschäftsfähig. Das Betreuungsgesetz stärkte den Grundsatz der Personensorge gegenüber der Vermögenssorge und wies das Verfahren dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu. Der Anwendungsbereich des deutschen Betreuungsrechts ist insofern weiter als der seines österreichischen Pendants, als es auch Entscheidungen über Freiheitsentziehungen (zivilrechtliche Unterbringung bzw. unterbringungsähnliche Maßnahmen) regelt und zu den Anlässen für eine Betreuerbestellung nicht nur geistig-seelische, sondern dem Gesetz nach auch körperliche Einschränkungen zählen können. Die Zuständigkeit für Betreuungen ist zwischen den Amtsgerichten und eigens eingerichteten Betreuungsbehörden aufgeteilt. Betreuungsaufgaben sollen vorrangig ehrenamtlich Tätige übernehmen, die durch öffentlich geförderte Betreuungsvereine rekrutiert werden. In anspruchsvolleren Konstellationen werden Betreuungen indessen beruflich geführt, entweder durch Mitarbeiter der Betreuungsvereine oder Betreuungsbehörden. Darüber hinaus gibt es auch selbständige Berufsbetreuer.

Auch wenn eine Verminderung der Fallzahlen gegenüber dem alten Vormundschaftsrecht nicht zu den expliziten Zielen des deutschen Gesetzgebers gezählt hatte, so kamen das überaus starke Wachstum der Rechtsfürsorgeverhältnisse während der 1990er Jahre und die damit verbundenen Belastungen für Landesjustizhaushalte doch überraschend – zumal aufgrund des Nachrangigkeits- und Erforderlichkeitsprinzips im Betreuungsrecht erwartet worden war, dass formelle Rechtsvertretungen in vielen Fällen gar nicht mehr notwendig sein würden (vgl. Wojnar 1992, S. 16). Nach nur wenigen Jahren Praxiserfahrung machte sich Ernüchterung breit: So konstatierte etwa der Journalist Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“ in seiner Eröffnungsrede zum 5. Vormundschaftsgerichtstag 1996, die vielgelobte Reform, die dem Bürgerlichen Gesetzbuch ein „soziales Herz“ einpflanzen sollte, sei „grandios gescheitert“. Aufgrund mangelhafter Ressourcen zu seiner Umsetzung drohe das Betreuungsrecht geradezu „zum Musterbeispiel für eine bloß symbolische Gesetzgebung“ zu werden (Prantl 1997). Angesichts solcher Wahrnehmungen verwundert es nicht, dass es schon bald zu Gesetzesänderungen kam, die jedoch nicht etwa den Ausbau der sozialen Infrastruktur, sondern vor allem eine Reduktion der Vertretungsverhältnisse und ihrer Kosten beabsichtigten. 1999 wurde das Rechtsinstitut von „Betreuung“ in „rechtliche Betreuung“ umbenannt. Damit sollte klargestellt werden, dass nicht psychosoziale Versorgungsdienstleistungen schlechthin, sondern juristisch relevante Vertretungsaufgaben gemeint sind. Anlass für kontroverse Diskussionen und gesetzgeberische Korrekturen bot immer wieder die Frage der Vergütung der Berufsbetreuer. Weitere Gesetzesrevisionen strebten eine Entbürokratisierung der Verfahren, eine Verbesserung des Selbstbestimmungsrechts der Betreuten und die Förderung des Ehrenamtes an. Als Alternativen zu Betreuungen wurden Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen gestärkt bzw. neu geregelt (vgl. Engels & Köller 2009).

Zur rechtstatsächlichen Situation in Deutschland ist anzumerken, dass die Population an Menschen unter Vormundschaft oder Pflegschaft in Relation zur Gesamtbevölkerung bereits in den 1980er Jahren die in Österreich übertrifft, wobei für dieses Jahrzehnt allerdings stark voneinander abweichende Schätzungen vorliegen. Die Näherungswerte sind insofern eine brisante Angelegenheit, als die damit unterschiedlich konstruierbaren Kurvenverläufe auch unterschiedlichen Ursachen zugeschrieben werden können. Wenn die Zahl der Vertretungsverhältnisse schon mit Beginn der 1980er Jahre beträchtlich ansteigt, so kann es sich dabei keinesfalls um einen Effekt der (tatsächlich geltenden oder antizipierten) neuen Rechtslage ab 1992 handeln. Wenn man den Boom an Betreuungen hingegen erst mit dem reformierten Recht beginnen lässt, so kann man dieses auch leichter dafür verantwortlich machen. Die politische Antwort auf das rapide und kostspielige Wachstum an Rechtsfürsorgeverhältnissen wird dann eher in einer Anpassung der rechtlichen Bestimmungen liegen. So kritisiert etwa Brill (2004: 33) die Argumentation eines Gesetzesentwurfs zur Änderung des Betreuungsrechts, in dem von einer Vervierfachung der Menge der Betreuten von 1992 bis 2002 die Rede ist. Tatsächlich habe sich die Zahl der Betreuungen in diesem Zeitraum „nur etwas mehr als verdoppelt“. Dieser Anstieg sei denn auch „nicht in erster Linie dem Betreuungsrecht anzulasten, sondern die Fortsetzung einer Entwicklung aus der Zeit des alten Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts und eine Folge von Veränderungen im Sozialleistungsrecht“. Diese Sichtweise ist empirisch plausibel, wenn man die Zeitreihenlücke so interpoliert, dass die Kurve zwischen den voneinander abweichenden Schätzungen der 1980er Jahre verläuft: Auch dann wäre der Betreuungsboom nicht erst eine Konsequenz der neuen rechtlichen Ausgestaltung des deutschen Vertretungsinstituts. In den letzten Jahren ist das Wachstum an Betreuungen deutlich abgeflacht; Ende 2013 wurden erstmals knapp weniger rechtlich Betreute als ein Jahr zuvor registriert.

Ähnlich wie in Österreich weist die räumlich-empirische Verteilung der Betreuungen ein beträchtliches Maß an Varianz auf; die Prävalenzraten der Bundesländer schwanken zwischen ein und zwei Prozent der Bevölkerung. Wie sich aus Abbildung 3 entnehmen lässt, scheint es ein Gefälle zwischen Norden und Süden sowie zwischen Osten und Westen zu geben, wobei allerdings das Saarland und die Stadtstaaten nicht in dieses grobe Muster passen. Die Werte letzterer sprechen – insofern die jeweiligen Rechtsanwendungs- und Bevölkerungsdaten als valide betrachtet werden können[7]prima facie gegen die individualisierungstheoretische Annahme einer stärkeren Nachfrage nach Betreuung in Städten. Tiefer gegliederte deskriptive Darstellungen für das deutsche Bundesgebiet liegen bislang genau so wenig vor wie multivariate Zusammenhangsanalysen.

 Abbildung 3:  Rechtliche Betreuungen pro 1.000 der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland (2011), nach Bundesländern. Datengrundlagen: Deinert (2012), Statistisches Bundesamt

Abbildung 3:

Rechtliche Betreuungen pro 1.000 der Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland (2011), nach Bundesländern. Datengrundlagen: Deinert (2012), Statistisches Bundesamt

Schweiz: Von der Vormundschaft zur Beistandschaft

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts setzte sich in der Schweiz die Erkenntnis durch, dass das paternalistische Vormundschaftsrecht, welches seit 1912 weitgehend unverändert einen Teil des Zivilgesetzbuches (ZGB) bildete, einer umfassenden Revision unterzogen werden sollte. Das ZGB war – anders als das liberale deutsche Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 – von der Idee eines „genossenschaftlichen Selbst“ beeinflusst und hatte neue Möglichkeiten medikalisierter soziopolitischer Intervention auf dem Gebiet des Familienrechts etabliert. Da diese Bestimmungen von der psychiatrischen und rechtlichen Praxis in der Folge auch genutzt worden waren, blickte die Schweiz auf eine Tradition vergleichsweise hoher Vormundschaftsraten zurück (Bernet 2007: 148; Gallati 2015: 141 ff; Gerodetti 2005: 187). Die Revision der besonders stoßenden Bestimmungen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, welche insbesondere wegen der Möglichkeit eines umfassenden administrativen Freiheitsentzuges ohne effektive gerichtliche Überprüfung sowie der systematischen administrativen Fremdplatzierung der Kinder der Fahrenden (Aktion „Kinder der Landstraße“ der Pro Juventute) skandalisiert war, wurde vorgezogen und trat bereits 1981 in Kraft (Bundesgesetz vom 6. Oktober 1978 über die fürsorgerische Freiheitsentziehung). Im Juni 2003 legte die eingesetzte Expertenkommission endlich ihren „Bericht zum Vorentwurf für eine Revision des Zivilgesetzbuchs (Erwachsenenschutz, Personen- und Kindesrecht)“ vor, in dessen Rahmen überhaupt die ersten statistischen Erhebungen zur rechtstatsächlichen Lage des Vormundschaftsrechts in der Schweiz durchgeführt wurden, punktuell und partiell in den späten 80er Jahren und systematisch seit 1996 (Meier 1992; KOKES 1996ff; Stremlow et al. 2002; vgl. Abb. 1). Dieser Vorentwurf mündete nach der Vernehmlassung in der „Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) vom 28. Juni 2006“, dessen Bestimmungen mit sehr wenigen Modifikationen von den beiden Kammern des Parlamentes im Jahre 2008 verabschiedet wurden und am 1. Januar 2013 in Kraft traten. Dieser Zeitrahmen ist für die schweizerische Legistik und Legislation nicht außergewöhnlich. Er ist Grundlage für eine hier allgemeine Vorwirkung neuen Rechts im Sinne einer selbstgesetzten Handlungsperspektive der Institutionen mit (Seiten-)Blick auf kommendes Recht.

Die ratio legis der Revision wurde klar formuliert: „Das geltende Vormundschaftsrecht […] ist seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1912 […] praktisch unverändert geblieben. Es entspricht unseren heutigen Verhältnissen und Anschauungen nicht mehr und soll deshalb grundlegend erneuert werden. Eines der Ziele der Revision ist es, das Selbstbestimmungsrecht zu fördern“ (gleichlautend im Bericht, Expertenkommission 2003: 2 und in der Botschaft 2006, BBl: 7002). Es geht um eine Zurückdrängung des paternalistischen Kontroll- und Herrschaftsprinzips zugunsten eines subsidiären Hilfe- und Unterstützungsprinzips. Das Subsidiaritätsprinzip, also die Anweisung, nur so tief in die Rechtsfähigkeit der betroffenen Person einzugreifen, wie es unbedingt notwendig erscheint, steht im Vordergrund. Die Gesetzesrevision greift unter der Maxime der „Professionalisierung des Kindes- und Erwachsenenschutzes“ stark in die organisatorische Gestaltung der Behörden ein, lässt aber eine umfassende Freiheit bezüglich des materiellen Inhalts der Maßnahmen, streicht den Begriff der Vormundschaft, ändert aber an der materiellen Ausgestaltung des alten Vormundschaftsrechts nur wenig. Die altrechtliche Entmündigung entspricht ziemlich genau der neurechtlichen umfassenden Beistandschaft, nur dass sie immerhin als ultima ratio der erwachsenenschutzrechtlichen Maßnahmen vorgesehen ist. Die wesentlichste Änderung besteht darin, dass die vormundschaftlichen Kompetenzen von den Kommunen zu professionellen regionalen Fachbehörden verschoben und die gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten verstärkt werden. Das Subsidiaritätsprinzip ist überhaupt ein konstituierendes Merkmal des schweizerischen Staatsverständnisses in dem Sinne, dass keine Körperschaft mit höherem Aggregationsniveau (Verbände < politische Gemeinde < Kanton < Bund) Aufgaben und Kompetenzen wahrnehmen soll, die Körperschaften mit niedrigerem Aggregationsniveau erledigen können. Zudem wurde in der Botschaft gefordert und erwartet, dass mit Inkrafttreten der Revision nach einer Anfangsinvestition die Zahl der invasiven Maßnahmen zurückgehen soll und mit der Professionalisierung die Arbeits- und Kostenlast für Behörden und Wirtschaft tendenziell reduziert würde (vgl. Botschaft 2006, BBl: 7119-7121).

Die neuen professionellen Fachbehörden (KESB) unterliegen zwar einer verbesserten gerichtlichen Kontrolle, entziehen sich jedoch der demokratisch-politischen Kontrolle, welche durch die stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger durch die persönliche Wahl der verantwortlichen Exekutivmitglieder ausgeübt wird. Insbesondere in den Gemeinden führt perzipiertes Fehlverhalten häufig schnell zur Abwahl. Vormundschaft und Zwangsmaßnahmen, ebenso wie das Unterlassen von als angebracht empfundenen Zwangsmaßnahmen hatten und haben dabei ein beträchtliches Skandalisierungspotential.

Die These der „Vorwirkung neuen Rechts“ (auch angesprochen in der Botschaft 2006, BBl: 7120) wird beispielsweise durch die Daten des Kantons Zürich gestützt, wo die Relation Entmündigungen/andere erwachsenenschutzrechtliche Maßnahmen seit Beginn der kontinuierlichen Erhebung im Jahre 1996 stark sinkt (1996: 0,73; 2012: 0,29). In absoluten Zahlen steht in Zürich eine numerische Konstanz der Entmündigungen einem beträchtlichen Zuwachs der anderen, weniger invasiven erwachsenenschutzrechtlichen Maßnahmen gegenüber. Allerdings lassen sich mögliche Effekte einer „Vorwirkung neuen Rechts“ nicht von den Effekten einer der auch der Rechtsänderung zu Grunde liegenden Änderung gesellschaftlicher Verhältnisse differenzieren. Die erwähnte Relation Entmündigung/andere erwachsenenschutzrechtliche Maßnahmen hat sich in anderen Kantonen überhaupt nicht verändert oder ist sogar gestiegen (z. B. Wallis, Genf, Waadt, Tessin). Das ist ein deutlicher Hinweis auf die Existenz stark unterschiedlicher Rechtskulturen innerhalb der Schweiz. Die regionale Variabilität der Prävalenzen liegt in der Schweiz höher als in Deutschland, aber niedriger als in Österreich.

 Abbildung 4:  Erwachsenenschutzmaßnahmen pro 1.000 der Wohnbevölkerung der Schweiz (Mittel 2008 bis 2010), nach Kantonen. Datengrundlagen: Estermann (2013; 2014a), KOKES (1996ff)

Abbildung 4:

Erwachsenenschutzmaßnahmen pro 1.000 der Wohnbevölkerung der Schweiz (Mittel 2008 bis 2010), nach Kantonen. Datengrundlagen: Estermann (2013; 2014a), KOKES (1996ff)

Worauf lassen sich die unterschiedlichen Prävalenzraten zurückführen? – Erklärungsansätze und Hypothesen

Die national und regional höchst unterschiedliche Verbreitung von rechtlichen Betreuungsverhältnissen, die in den thematischen Karten und der Zeitreihengrafik (Abb. 1) zum Ausdruck kommt, verlangt nach sozialwissenschaftlichen Erklärungen. Wie kommt es dazu, dass ziemlich ähnliche bzw. identische zivilrechtliche Institute in kulturell sehr ähnlichen Ländern und Regionen in so verschiedenem Ausmaß mobilisiert werden und wurden?

Im Hinblick auf die Unterschiede zwischen den Staaten drängt es sich auf, die jeweils einschlägigen Rechtsnormen für deren mehr oder weniger umfangreiche Nutzung verantwortlich zu machen. Es ist etwa zu vermuten, dass das in der Schweiz vergleichsweise langsamste Wachstum an Vertretungsverhältnissen nicht zuletzt dadurch zustande kam, dass dieser Rechtsbereich bis in die jüngste Gegenwart hinein mit dem bedrohlichen Stigma der überkommenen Begriffe „Entmündigung“ und „Vormundschaft“ behaftet war. Umgekehrt dürfte in Deutschland das Etablieren des semantisch harmlosen Rechtsinstituts der „Betreuung“, das ja auch tatsächlich die Geschäftsfähigkeit der betroffenen Menschen unangetastet lässt, seine umfangreiche Mobilisierung im Sinne eines „net-widening“ deutlich begünstigt haben (vgl. Coeppicus 2000; Adler 2011: 51).

Es gehört allerdings zu den Grundeinsichten der Rechtssoziologie, dass das geschriebene Recht seine Anwendung niemals schon vorherbestimmt. Wie etwa Blankenburg (1994) in seinen vergleichenden Studien zur Häufigkeit und Vermeidung von Zivilprozessen gezeigt hat, können rechtsdogmatisch gesehen austauschbare Normkomplexe in vergleichbaren Gesellschaften praktisch völlig verschiedene Bedeutungen annehmen. Zu fragen ist dann zunächst, welche funktionalen Äquivalente zur Verfügung stehen. So kann angenommen werden, dass die in Österreich gesetzlich eingerichteten kollektiven Anwaltschaften für Personen, die in psychiatrischen Anstalten oder Pflegeheimen untergebracht sind, den Bedarf an individueller rechtlicher Vertretung reduziert haben – vor allem im Vergleich zu Deutschland, wo Betreuende für (zivilrechtliche) freiheitsentziehende Maßnahmen zuständig sind. In diesen beiden Ländern wurden schließlich in den späten Nullerjahren alternative Institute wie die Vorsorgevollmacht eingeführt bzw. neu geregelt und in der Folge auch von der Praxis durchaus genutzt (vgl. Deinert 2014; Fuchs & Hammerschick 2013). Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass die Nachfrage nach neuen Vertretungsverhältnissen dort in der jüngsten Vergangenheit zurückgegangen ist – eine Entwicklung, die in Österreich vor allem auch durch Entscheidungen über Anregungen von Sachwalterschaft vorgeschaltete „Clearing“-Verfahren begünstigt wurde.

Jenseits formeller Institutionen spielen wohl auch Grad und Art der Professionalisierung des Betreuungswesens eine Rolle: So hat sich die rechtliche Vertretung geistig oder seelisch beeinträchtigter Menschen in Deutschland besonders stark als eigenes sozialpädagogisches Berufsfeld mit entsprechend ganzheitlichem Rollenverständnis ausdifferenziert – und damit auch kommerzialisiert, zumal dort der Zugang zum Betreuungsgewerbe an relativ wenig Voraussetzungen geknüpft ist und selbständig ausgeübt werden kann.[8] Kritische Stimmen sprechen in diesem Zusammenhang vom Entstehen einer regelrechten „Betreuungsindustrie“ (Coeppicus 2000). Nicht von der Hand zu weisen dürfte jedenfalls sein, dass es für Gerichte, Sozialbehörden und potenzielle (Berufs-)Betreuende durchaus ökonomische Anreize gibt, auf Betreuerbestellungen hinzuwirken – sei es im Hinblick auf Zeit, Budgetvorgaben oder aber die Möglichkeit, Betreuungsvergütungen zu erhalten.

Solche spezifischen Rahmenbedingungen der Betreuungspraxis treffen auf allgemeinere Eigenschaften der jeweiligen nationalen Rechtskultur. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Prävalenzen an rechtlichen Vertretungsverhältnissen in den hier untersuchten Staaten ist es wahrscheinlich kein Zufall, dass sich bei grundlegenden rechtskulturellen Indikatoren wie der Zivilprozessrate (Palumbo et al. 2013: 37) oder der Anwaltsdichte (Heussen 2006: 396) gegenwärtig dieselbe Rangreihenfolge (Deutschland > Schweiz > Österreich) zeigt. Auch wenn Probleme der Mess- und Vergleichbarkeit hier nicht gering zu veranschlagen sind, deuten diese Muster dennoch auf quantitativ unterschiedliche Niveaus der Verrechtlichung in den jeweiligen Ländern hin, die sich eben auch auf das Betreuungsrecht „in action“ auswirken dürfte.

Kehrseite der mehr oder weniger umfangreichen Anwendung justizieller Rechtsinstrumente ist ein schwächer oder stärker ausgeprägtes Auskommen mit einem „lebenden Recht“ aus informellen Arrangements und alternativen psychosozialen, nachbarschaftlichen und familiären Hilfen.[9] Dies variiert indessen auch innerhalb kleiner Länder wie Österreich und der Schweiz regional so stark, dass wir, wie bereits ausgeführt, die Existenz spezifisch regionaler Rechtskulturen annehmen. Von solchen sozialräumlich disparaten Praktiken lässt sich freilich erst dann sprechen, wenn Unterschiede der Mobilisierung formeller Vertretungsinstitute nicht auf strukturelle demographische oder sozioökonomische Einflussgrößen zurückgeführt werden können. Auch wenn wir etwa die Erklärungskraft des Anteils betagter Menschen an der Bevölkerung in zeitlicher Hinsicht aus theoretischen und empirischen Gründen bezweifelt haben, bleibt zu untersuchen, ob und inwieweit die Verbreitung rechtlicher Betreuungsmaßnahmen im Querschnittsvergleich nicht dennoch teilweise auf Alterungsphänomene zurückgeführt werden kann.

Bedingungsfaktoren der Nachfrage nach rechtlicher Betreuung: eine transnationale multivariate Modellierung für Österreich und die Schweiz

Wir beschränken die multivariate ländervergleichende Analyse auf Österreich und die Schweiz, weil für Deutschland keine regional differenzierten Daten unterhalb der Ebene der Bundesländer zur Verfügung stehen. Zur Hypothesenprüfung verwenden wir hier exemplarisch regional aufgegliederte sozioökonomische und demographische Kovariaten in Regressionsmodellen mit der Prävalenz von rechtlichen Betreuungsverhältnissen als abhängiger Variable. Zur Verfügung stehen das Bruttoregionalprodukt[10] als Maß für die ökonomische Entwicklung, der Altersquotient (Anteil über 65jähriger an der Gesamtbevölkerung) als demografischer Indikator sowie der Anteil der Einpersonenhaushalte und der bedarfsgeprüften Sozialleistungen.[11] Räumliche Untersuchungseinheiten sind die NUTS 3-Regionen und die Kantone.[12] Als kategoriale geografische Kontrollvariablen verwenden wir eine einfache Unterteilung in größere Regionen (im weiteren Sinne), nämlich West- und Ostösterreich (Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich vs. Rest) sowie in die deutsch- und lateinischsprachige Schweiz. Die in der Schweiz möglichen grundlegenden kulturellen Differenzierungen nach Religion (protestantisch vs. katholisch) und Sprache (lateinisch vs. deutsch) sind in Österreich mit seiner historisch gesehen relativ homogenen katholisch-deutschsprachigen Bevölkerung so nicht gegeben. Erfahrungsgemäß zeigt sich jedoch in Österreich für viele Sozialindikatoren ein Ost-West-Gefälle. Die abhängige Variable bildet die regional aufgegliederte Prävalenz des Jahres 2010 in Österreich und der Schweiz (vgl. Abb. 1, N=61). Insgesamt haben wir die Modellierung bewusst sparsam gehalten und aus pragmatischen Gründen auf Variablen zurückgegriffen, die für beide Länder gut vergleichbar vorliegen.

Tabelle 2: Bivariate Korrelationskoeffizienten, Mittelwerte und Standardabweichungen der kontinuierlichen Variablen, Jahr 2010, für die Schweiz und Österreich getrennt[13]

Schweiz (N=26)Österreich (N=35)
1.2.3.4.5.1.2.3.4.5.
1. Prävalenz rechtliche Betreuung pro 1.000 Einwohner
2. Bruttoregionalprodukt (in 1.000 Euro pro Einwohner)-0,18-0,25
3. Anteil Bevölkerung 65 Jahre und älter (%)0,370,200,38-0,49
4. Anteil Einpersonenhaushalte an allen Privathaushalten (%)0,160,710,520,090,600,17
5. Bedarfsgeprüfte Sozialleistungen (Fälle pro 1.000 Einwohner)0,260,520,330,780,460,080,300,49
Mittelwert10,145,617,133,814,66,230,018,132,77,3
Standardabweichung2,716,11,74,28,71,87,51,94,42,0

Die Schweiz hat eine höhere Prävalenz rechtlicher Betreuungen, ein höheres Bruttoregionalprodukt, eine jüngere Bevölkerung sowie relativ mehr Einpersonenhaushalte und Fälle bedarfsgeprüfter Sozialleistungen als Österreich.[14] In beiden Ländern korrelieren Bruttoregionalprodukt mit der Prävalenz negativ, Alters-, Einpersonenhaushalts- und Sozialleistungsanteil positiv. In der Schweiz korreliert der Anteil der älteren Bevölkerung positiv mit dem Bruttoregionalprodukt, in Österreich hingegen negativ, ein Ausdruck davon, dass wirtschaftlich weniger leistungsfähige Gebiete in der Schweiz im Gegensatz zu Österreich nicht oder weniger überaltert sind. In der Schweiz geht die ökonomische Wertschöpfungskraft hingegen mit einer höheren Inanspruchnahme von bedarfsgeprüften Sozialleistungen einher – ein Zusammenhang, der sich wiederum in Österreich so nicht zeigt.

Die Prävalenzen erhöhen sich also prima vista mit dem Anteil der über 65jährigen, dem Anteil der Einpersonenhaushalte und der bedarfsgeprüften Sozialleistungen und erniedrigen sich mit höherem Bruttoregionalprodukt. Um die Bedeutung dieser Variablen gegeneinander abzugrenzen und die unterschiedlichen positiv- und organisationsrechtlichen Strukturen[15] in der Schweiz und in Österreich einzubeziehen, rechneten wir unterschiedliche Regressionsmodelle. Vorab wurden für mehrere Jahrgangsdaten (2008 bis 2010) getrennt bivariate Korrelationen gerechnet und Ausreißer identifiziert, wie etwa die bereits aus anderen Untersuchungen bekannten besonderen Konstellationen in St. Pölten (vgl. Pilgram et al. 2009: 47 ff) oder im Kanton Fribourg (vgl. Stremlow et al. 2002: 59) und deren Gewicht in den multivariaten Modellen beurteilt. Für alle Jahrgänge zeigte sich, dass das Land allein (Österreich vs. Schweiz) als unabhängige Variable mindestens 50 Prozent der Varianz der Prävalenz rechtlicher Betreuungsverhältnisse erklärt.

Um die reinen Landesunterschiede bezüglich wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit inklusive Kaufkraft und Wechselkurse, der Altersstruktur und der jeweils auf unterschiedliche Weise erhobenen Sozialleistungsquote zu isolieren und nur regionalvergleichende Aspekte in den Blick zu nehmen, haben wir in einem zweiten Schritt alle kontinuierlichen Variablen (des Jahres 2010) getrennt z-transformiert, sodass alle Indikatoren einen Mittelwert von null und eine auf den jeweiligen Landesdurchschnitt bezogene Standardabweichung von eins aufweisen. Damit kommt es uns also auf die relationale Position der Gebietseinheiten zu ihren Mittelwerten an, die wir zwischen den Ländern zu Vergleichszwecken ganz bewusst eingeebnet haben, um die Erklärungskraft der uns inhaltlich interessierenden gesellschaftlichen Dimensionen transnational zu analysieren. Die Streudiagramm-Matrix und die bivariaten Korrelationswerte in Abbildung 5 beschreiben den dergestalt erzeugten gemeinsamen Datensatz.

 Abbildung 5:  Streudiagramm-Matrix und bivariate Korrelationskoeffizienten der z-transformierten kontinuierlichen Variablen, Jahr 2010, N = 61

Abbildung 5:

Streudiagramm-Matrix und bivariate Korrelationskoeffizienten der z-transformierten kontinuierlichen Variablen, Jahr 2010, N = 61

Das Muster der Korrelationen stimmt – vor allem im Hinblick auf die unabhängige Variable der Prävalenz rechtlicher Betreuungsverhältnisse – mit dem der Koeffizienten für die einzelnen Länder überein. Die oben beschriebenen Zusammenhänge mit dem Bruttoregionalprodukt, die sich jeweils nur für eine Nation zeigen, werden in länderübergreifender Betrachtungsweise erwartungsgemäß schwächer; die im Streudiagramm insgesamt deutlich sichtbare negative Korrelation mit dem Altenanteil wird durch den diesbezüglichen Ausreißer Basel-Stadt stark nach unten gedrückt. Dieser wirtschaftlich bedeutsame und gleichwohl demographisch „alte“ Kanton schwächt – zusammen mit Wien und St. Pölten – im Übrigen auch den negativen Zusammenhangswert zwischen dem Bruttoregionalprodukt und der Prävalenz der Betreuungen.

Noch interessanter als die bivariate Beschreibung des transnationalen Datensatzes ist nun aber, diesen auch multivariat zu analysieren. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 dargestellt. Vorweg ist anzumerken, dass sämtliche Voraussetzungen des linearen Regressionsverfahrens gut erfüllt sind. Insbesondere gibt es trotz der erwähnten Ausreißer keine Einzelbeobachtungen, die einen extrem großen Einfluss auf die Modellergebnisse ausüben. Schließlich liegt, obwohl die unabhängigen Variablen zum Teil recht stark untereinander zusammenhängen, auch keine problematische Multikollinearität vor.

Tabelle 3: Regressionsmodelle für Prävalenzen von Erwachsenenschutzmaßnahmen bzw. Sachwalterschaften, alle Variablen für die Schweiz und Österreich getrennt z-transformiert, Jahr 2010, N = 61; b = Regressionskoeffizient; β = standardisierter Regressionskoeffizient, ε = Johnsons Epsilon[16]

Modell 1Modell 2
bβεbβε
Bruttoregionalprodukt-0,29-0,285,4 %-0,15-0,143,2 %
Bevölkerung 65+0,210,208,1 %0,200,196,0 %
Einpersonenhaushalte0,030,032,4 %-0,07-0,071,6 %
Bedarfsgeprüfte Sozialleistungen0,440,3611,8 %0,360,309,0 %
Region (Referenz: Lateinische Schweiz)
Westösterreich-0,90-0,388,0 %
Ostösterreich-0,40-0,182,2 %
Deutschschweiz-0,85-0,384,6 %
Konstante0,010,63
Erklärte Varianz (R2)27,8 %34,6 %

Modell 1 (ohne Regionen im weiteren Sinne) erklärt 28 Prozent der Varianz, erklärungsstark sind das Bruttoregionalprodukt (negativ) und die bedarfsgeprüften Sozialleistungen (positiv), die schwächste Variable ist der Anteil der Einpersonenhaushalte. Werden die Regionen einbezogen (Modell 2) steigt die erklärte Varianz auf 35 Prozent, die Vorzeichen der Koeffizienten bleiben bis auf den nicht mehr aussagekräftigen Anteil von Einzelhaushalten gleich. Die Gebiete Westösterreich und die deutsche Schweiz zeigen gegenüber Ostösterreich und der lateinischen Schweiz niedrigere Prävalenzen. Die Regionen erklären immerhin sieben Prozent zusätzlicher Varianz. Innerhalb des zweiten Modells kommt den Regionen ein erklärter Varianzanteil von knapp 15 Prozent zu. Zusammenfassend zeigt sich ein Übergewicht der sozioökonomischen Faktoren gegenüber den demografischen: Je reicher eine Gegend ist und je weniger bedarfsgeprüfte Sozialleistungen ausgerichtet werden müssen, desto weniger rechtliche Betreuungen fallen an.

Diskussion

Die in unseren Analysen dargelegten großen Unterschiede zwischen den Staaten deuten darauf hin, dass historisch eingespielte Praxisformen der Betreuungsrechtssysteme in Wechselwirkung mit den jeweiligen Rahmenbedingungen des betreffenden Rechts- und Sozialsystems offenbar ausgeprägt nationalen Pfaden folgen. Der vermutete Zusammenhang mit allgemeineren rechtskulturellen Charakteristika wie etwa der in der Schweiz im Vergleich zu Österreich höheren Zivilprozessrate und Anwaltsdichte scheint sich hier zu bestätigen.

Dennoch ist es gelungen, in der grenzüberschreitenden multivariaten Analyse für die Schweiz und Österreich Faktoren zu identifizieren, für die sich in beiden Ländern Zusammenhänge mit der Prävalenz an rechtlichen Betreuungsmaßnahmen zeigen. Die Zusammenhangsrichtungen entsprechen durchwegs theoretischen Erwartungen. Der Effekt gesellschaftlicher Individualisierung, die wir hier über den Anteil an Einpersonenhaushalten operationalisiert haben, hält sich wie vermutet in engen Grenzen. Bemerkenswert ist, dass die – in bivariater Betrachtungsweise durchaus vorhandene – Erklärungskraft des Anteils alter Menschen, die wir in zeitlicher Hinsicht angezweifelt haben, auch im Querschnittsvergleich schwächer wird und damit an Selbstverständlichkeit verliert, sobald andere Faktoren berücksichtigt werden. Dies ergibt sich klar aus einem Vergleich der betreffenden Koeffizienten in Tabelle 2 und Abbildung 5 einerseits sowie Tabelle 3 andererseits. Der sich deutlich abzeichnende Effekt des Anteils bedarfsgeprüfter Sozialleistungen steht gut im Einklang mit unseren Überlegungen zu sozialstaatlichen Verrechtlichungsphänomenen. Wenn die Mobilisierung des Vertretungsrechts durch wohlfahrtsstaatliche Kontextfaktoren begünstigt wird, ist es auch ein plausibles Ergebnis, dass wirtschaftliche Stärke negativ mit der Prävalenz an Betreuungen korreliert (wenn auch der Effekt nicht besonders stark ist). Menschen mit Beeinträchtigungen werden in ärmeren Regionen eher auf Sozialleistungen angewiesen als in wirtschaftlich stärkeren Gebieten.

Es bleibt allerdings ein erheblicher Rest an Varianz, der in erster Linie lokalen, also innerhalb der Länder kleinräumig differenten Rechtskulturen zuzuweisen ist, welche strukturelle Faktoren überlagern. Das legt auch ein Vergleich der beiden in Tabelle 3 präsentierten Modelle nahe: Der erklärte Varianzanteil steigt durch das Einbeziehen der Regionenvariablen. Zudem ist die Variabilität innerhalb der Länder größer als die Variabilität zwischen den Ländern. Es gibt beispielsweise in der Schweiz Kantone, die in bestimmten Zeiträumen eine höhere Prävalenz als deutsche Bundesländer (durchschnittlich ca. 50 Prozent höhere Prävalenz in Deutschland) und solche, die eine niedrigere als österreichische Regionen aufweisen (durchschnittlich ca. 30 Prozent niedrigere Prävalenz in Österreich). Eine solche Variabilität kann durch unterschiedliches nationales Recht und unterschiedliche nationale Organisationsstrukturen gerade nicht ausreichend erklärt werden, auch nicht durch demografische und sozioökonomische Variablen. Selbst unsere dichotomen Regionalvariablen (West vs. Ost, Lateinisch vs. Deutsch) können hier bestenfalls Tendenzen abbilden.

Somit bleibt zu fragen, wie diese kleinräumigen Rechtskulturen zustande kommen. Auf einer generellen sozialtheoretischen Ebene lassen sich die betreuungsrechtlichen Anwendungsmuster in Bourdieuscher Begrifflichkeit als spezifische Formen einer habituellen Praxis (vgl. Bourdieu 1976, 1986, 1987) deuten, die, wiewohl sozial strukturiert, vor dem Hintergrund lokaler Gegebenheiten durch Gewohnheiten und Einstellungen der handelnden Akteure entstehen. Rechtssoziologisch gesehen handelt es sich um einen Pluralismus des lebenden Rechts (vgl. Fuchs 2013a), der Ansprüchen einheitlicher Steuerung und durchgehend rechtsstaatlicher Zurückhaltung beim Gebrauch grundrechtseingreifender Maßnahmen deutlich zuwiderläuft. Im Hinblick auf die konkreten Unterschiede zwischen den größeren Regionen, wie sie sich in den Modellen abgebildet haben, fallen für Österreich und die Schweiz die – multivariat kontrollierten – geringeren Raten im zentralen Alpenraum (Westösterreich und deutschsprachige Schweiz) auf. Möglicherweise trägt die informelle soziale Unterstützungs- und Kontrollpraxis überschaubarer Sozialgebilde in Tälern ceteris paribus tatsächlich zu einer zurückhaltenderen Betreuungsrechtsmobilisierung bei. Die Unterschiede dürfen freilich nicht naiv „völkisch“ oder „klimatisch“ erklärt werden. Die stärkere Inanspruchnahme des Sachwalterrechts in Ostösterreich passt immerhin zu Rechtsanwendungsmustern im Strafrecht, die dort bereits seit Jahrzehnten ebenfalls eine interventionsfreudigere Rechtskultur als im Westen des Landes anzeigen (vgl. Fuchs 2010). In der Schweiz läge es nahe, die höheren Erwachsenenschutzraten in den lateinischsprachigen Gebieten mit der jeweiligen Behördenzuständigkeit zu erklären: Während in den deutschsprachigen Kantonen bis 2013 in erster Linie häufig mit Laien besetzte Gemeinderäte oder Kommissionen als Vormundschaftsbehörden wirkten, kam diese Funktion in einigen französischsprachigen Kantonen Gerichten oder Friedensgerichten zu. Näher besehen zeigt sich zwar in der Tat ein starker Zusammenhang zwischen dieser Organisationsform und der Verhängung des am stärksten eingreifenden Instruments der Vormundschaft, jedoch keine bedeutsame Korrelation mit der gesamten Prävalenz an Erwachsenenschutzmaßnahmen. Zumindest scheint es nicht so zu sein, dass die professionelle Justizzuständigkeit zu weniger formellen Interventionen führt. Die Gründe für das Entstehen spezifischer Rechtskulturen dürften hier indessen wie auch sonst eher in spezifischen Praktiken und Traditionen der zeitlich vorangehenden Mobilisierung des Vertretungsrechts durch Angehörige, Nachbarn, Sozialeinrichtungen und andere Behörden zu suchen sein.

Auch der massive Anstieg der Fallzahlen in allen drei Ländern kann ausreichend weder durch Änderungen des positiven Rechts noch durch auf die Organisation der Verwaltung gerichtete Normen erklärt werden. Das Konzept der Gesetzesrevisionen ist in allen hier untersuchten Ländern jeweils auf Reduktion der Arbeits- und Kostenlast ausgelegt, eine Wirkung, die bis in die jüngste Vergangenheit hinein kaum jemals erzielt werden konnte. Hingegen gibt es Hinweise auf ein immer tieferes Eindringen von Verrechtlichung in alle Lebenswelten, verbunden mit einer Zurückdrängung der Bereitschaft zur informellen Regelung von Bedürftigkeiten, durchaus im Zusammenhang mit der stetigen Ausweitung des tertiären Sektors hin zur zunehmend „professionalisierten“ Dienstleistungsgesellschaft (vgl. Estermann 2014b sowie Amann & Estermann 2013). Rechtliche Vertretungsverhältnisse nehmen in allen Altersklassen zu, nicht nur bei den von Demenz und anderen Gebrechen bedrohten älteren Personen.

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